Mohandas Karamchand (Mahatma) Gandhi

„Gewalt führt nicht zu Freiheit, sondern zu Sklaverei.“ (GANDHI)

Kindheit und Jugend

MOHANDAS KARAMCHAND GANDHI wurde am 02.10.1869 als vierter Sohn von KARAMCHAND GANDHI und dessen vierter Frau PUTLIBAI in Porbandar, einem kleinen Fürstentum im heutigen Bundesstaat Gujarat nördlich von Mumbai in Indien, geboren. Seine Eltern gehörten als Hindus der dritten Unterkaste (der Bania-Kaste) der Kaste der Vaishyas (der Kaufleute und Bauern) an. Das indische Kastenwesen war folgendermaßen gegliedert:

  • Brahmane (Angehöriger des obersten der vier Stände, der Priester);
  • Kshatriya (Angehöriger des zweiten Standes, des Standes der Krieger und Regenten);
  • Vaishya (Angehöriger des dritten Standes, des Standes der Ackerbauern, Viehzüchter und Händler);
  • Shudra oder Sudra (Angehöriger des vierten Standes, des Standes der Dienenden, später auch Ackerbauern, Viehzüchter, Händler).
  • Außerhalb des Kastenwesens stehen die Parias, die Kastenlosen. Sie stellen die so genannten Unberührbaren in Indien. MAHATMA GANDHI nannte sie Harijans, Kinder Gottes.

GANDHIs Familie stellte bereits seit Generationen die Minister in den Kleinstaaten des indischen Westens. Sein Vater war Mitglied des radschasthanischen Gerichtshofes und zeitweise auch Premierminister des unter britischer Oberherrschaft stehenden Fürstentums Porbandar auf der Halbinsel Kathiawar. GANDHIs Mutter war sehr religiös, Anhängerin des Jainismus, einer hinduistischen Religion, die das Essen jeglichen Fleisches untersagte (ahimsa), regelmäßiges Fasten zur Selbstreinigung forderte und Toleranz gegenüber allen Religionen und Glaubensrichtungen lehrte. JÜRGEN KLUTE berichtet, der konsequente Pazifismus der Jain-Mönche, zu denen GANDHIs Eltern ein freundschaftliches Verhältnis pflegten, sei so weit gegangen, dass sie stets eine Binde vor dem Mund getragen hätten, um nicht versehentlich Insekten zu verschlucken und somit zu töten.

Kinderheirat

1876 wurde MONIO, wie er als Kind genannt wurde, erst 7-jährig mit der gleichaltrigen KASTURBAI NAKANJI verlobt, die ihm von seinen Eltern ausgesucht worden war. Seit 1879 besuchte er die englischsprachige „Taluka School“, eine Elementar- (d. i. Grund-) Schule in Rajkot, wohin seine Eltern umgesiedelt waren und wo sein Vater nun „Diwan“ (Chefminister) war. 1881 wechselte MOHANDAS auf die „Kathiawar High School“. Er war kein herausragend guter Schüler, eher schüchtern, allerdings sehr religiös. 1883, mit 13 Jahren, heiratete er KASTURBAI NAKANJI. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. 1885 starb sein Vater. Sechs Monate nach des Vaters Tod übernahmen die Briten in Rajkot die alleinige Macht und entließen MOHANDAS' Familienmitglieder aus der Regierung. Damit war für ihn selbst der von der Familie vorbestimmte Weg als zukünftiger Minister eines der Kleinstaaten auf Kathiawar versperrt.

Studium

1887 erwarb GANDHI die Hochschulreife und studierte zunächst am „Samaldas College“ in Bhavnagar. 1888 begann er in London am „Inner Temple Inn of Court“ ein Studium der Rechte, das er 1891 abschloss. Auf Anregung seiner englischen Freunde begann GANDHI die „Bhagavat-Gitá“ zu lesen. Auch machte er sich mit dem Neuen Testament vertraut, wobei er sich besonders von der „Bergpredigt“ faszinieren ließ. Nach dem Studium wurde er in London als „Barrister“ (ein Rechtsanwalt für den Bereich der Vertretung des Falles vor Gericht) zugelassen, kehrte jedoch nach Indien zurück und ließ sich in Rajkot und Bombay als Rechtsanwalt nieder.

Auswanderung

Seiner Anwaltskanzlei war kein großer Erfolg beschieden, sodass er eine Stellung bei dem wohlhabenden indischen Kaufmann DADA ABDULLAH in Pretoria (in der britischen Kronkolonie Natal in Südafrika) annahm. Bereits in London war ihm sein Anderssein als Inder bewusst geworden, hier jedoch, in Südafrika, wo er und seine Landsleute als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden, organisierte er erstmals den Widerstand der indischen Einwanderer gegen ihre Diskriminierung. 1824 hatten englische Kaufleute die „Bay of Natal“ von den Zulu erworben und dort Zuckerrohr angebaut. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Inder als Arbeiter auf Südafrikas Zuckerrohrfeldern, später auch in den Bergwerken, beschäftigt gewesen. Sie waren mit Fünf-Jahres-Verträgen ins Land gekommen, viele blieben für immer dort. 1883 gab es bereits 30 000 Inder in der britischen Kap-Kolonie. Ihre soziale Stellung war jedoch nur um weniges besser als die der schwarzen Urbevölkerung. Ortsbezeichnungen, wie „Greyvillage“, oder Straßennamen, wie „Greystreet“, weisen bis heute auf diese beginnende Apartheid (= Rassentrennung) in Südafrika hin, denn die Inder wurden als Menschen zwischen Schwarz und Weiß, als „Graue“ gesehen. Jedoch nur für sich selbst gaben sich die regierenden Weißen das volle Bürgerrecht. Das lernte auch GANDHI begreifen. Am 8. Juni 1893 hatte er ein sein Leben völlig veränderndes Erlebnis: Im Zug von Durban nach Pretoria hatte der junge Rechtsanwalt in einem Waggon der 1. Klasse Platz genommen und sich trotz des Drängens eines weißen Mitreisenden geweigert, den Wagen zu verlassen. Daraufhin wurde er auf dem Bahnhof von Pietermaritzburg von zwei Schaffnern mit Gewalt aus dem Zug geworfen. Man versetzte ihm Tritte in den Rücken und er stürzte über die Wagentreppe auf den Bahnsteig. Sir DAVID ATTENBOROUGH benutzte dieses Erlebnis später als quasi Schlüssel-Szene in seinem Film „Gandhi“.

Seine politischen Ideen

Am 22. Mai 1894 war GANHDI entscheidend an der Gründung des „Natal Indian Congress“ (NIC) beteiligt, einer Organisation, die sich am „Indian National Congress“ (INC) orientierte. Als ehrenamtlicher Generalsekretär des NIC entwickelte er seine politischen Ideen, die sich auf zwei Säulen stützen:

  • dem „ahimsa“ (Sanskrit: Nicht-Verletzen), der Gewaltlosigkeit, passiver Widerstand,
  • und dem „satyagraha“, dem Kräftequell aus Wahrheit und Liebe (aus den Worten „Sat“ für „Wahrheit“ und „Agraha“ für „Stärke“ bzw. „Liebe“).

„Der Grundgedanke der Satyagraha ist das ‚Festhalten an der Wahrheit’, darum heißt Satyagraha ‚Kraft der Wahrheit’. Ich habe es auch ‚Kraft der Liebe’ oder ‚Kraft der Seele’ genannt“ (GANDHI).

1896 kehrte GANDHI für sechs Monate nach Indien zurück, um seine Familie nach Südafrika zu holen. Seine Broschüre über die Lage der Inder in Südafrika, die er während seines Aufenthaltes in seiner Heimat verfasste, hinterließ bei der weißen Minderheit in der britischen Kapkolonie tiefen Hass. 1901 beschloss GANDHI für sich die „brahmacharja“, ständige (sexuelle) Enthaltsamkeit.

Burenkrieg und „Registration Act“

Nach dem Ausbruch des Burenkriegs 1899 meldete sich MOHANDAS GANDHI zusammen mit 1 000 Indern zum Sanitätsdienst. Er war der Meinung, dass jemand, der für seinen Staat etwas täte, von diesem auch die legitimen Rechte, die ihm zustünden, erhielte. Zwei Jahre später kehrte er nach Indien zurück, wurde jedoch 1902 von der indischen Gemeinschaft in Südafrika um Rückkehr gebeten. Im Oktober 1904 übernahm GANDHI die Redaktion der „Indian Opinion“ und rettete diese Zeitung vor dem Ruin. 1906 engagierte sich GANDHI wiederum auf der britischen Seite in einem Sanitätskorps. Als sich nach dem Zuluaufstand von 1906 alle immigrierten Inder im so genannten Registration Act (deutsch: Meldegesetz) bei den Behörden registrieren lassen mussten (die Registrierung sollte durch Fingerabdrücke erfolgen, auf Zuwiderhandlung standen Deportation oder Gefängnis), organisierte er den passiven Widerstand der Inder: Am 11. September 1906 versammelten sich 3 000 Inder unter GANDHIs Leitung im Staatstheater, wo sie schworen, diesem Erlass nicht Folge zu leisten. 1907 wurde GANDHI wegen Missachtung der Registrierung verhaftet. Sein Protest hatte jedoch Erfolg, die Briten hoben die Registrierpflicht auf.

In der Haft

In der Haft lernte GANDHI die Schriften des Russen LEW NIKOLAJEWITSCH TOLSTOI kennen. In seiner Autobiografie notierte er:

„Tolstois ‚Das Reich Gottes ist inwendig in Euch’ überwältigte mich. Vor der Unabhängigkeit des Denkens, der tiefen Moralität und Wahrheitsliebe dieses Buches schienen alle mir von Mr. Coates gegebenen Bücher zur Bedeutungslosigkeit zu verblassen.“

und

„ich studierte ferner intensiv Bücher Tolstois. Die ‚kurze Darlegung der Evangelien’, ‚Was sollen wir tun?’ und andere Bücher machten tiefen Eindruck auf mich. Mehr und mehr begann ich, die unbegrenzten Möglichkeiten universaler Liebe zu erfassen.“

An TOLSTOI interessierten den zukünftigen Politiker die Techniken des passiven Widerstands:

  • Abkehr von der Industrie,
  • Heimarbeit,
  • Erringung innerer und politischer Unabhängigkeit durch äußerste Einschränkung der äußeren Bedürfnisse.

Sein erstes Ashram, eine hinduistische Wohngemeinschaft, nannte er deshalb „Tolstoi-Farm“ (1910). Neben TOLSTOI waren für GANDHI die Gedanken HENRY THOREAUs in dessen Buch „Civil Disobedience“ (Deutsch: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat) über den zivilen Ungehorsam sehr aufschlussreich und theoriebildend. Auch JOHN RUSKINs „Unto this Last“ beeindruckte ihn sehr.

Nach seiner Freilassung unternahm GANDHI bereits die ersten Märsche des passiven Widerstands, die ihn u. a. auch bis an die Grenzen zum Burenstaat Transvaal führten, der nur mit einem speziellen Pass betreten werden durfte. Wegen seines passiven Widerstandes ist GANDHI in Südafrika achtmal zu Gefängnis verurteilt worden.

Rückkehr nach Indien

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am 19. Januar 1915, kehrte GANDHI nach Indien zurück. Man nannte ihn jetzt „Gandhiji“, was „der Ehrenwerte“ bedeutet. Er wurde bei seiner Ankunft in Mumbai stürmisch begrüßt.
Ab 1919 gab GANDHI die Zeitungen „Young India“ und „Navajivan“ heraus und gründete in Ahmedabad den Navajivan Verlag, der bis heute sein literarisches Erbe betreut.

Präsidentschaft des INC

1920 bis 1934 übernahm MAHATMA GANDHI die Präsidentschaft des INC (Indian National Congress). Sein Ziel war ein indischer Staat der Moslems und Hindus, deshalb strebte er eine Zusammenarbeit zwischen Hindus und Moslems an, was ihm wenigstens zeitweise gelang. Er setzte in Indien die Politik des gewaltlosen Widerstandes fort. U. a. konnte er seine Landsleute dazu bewegen, dass sie britisches Tuch boykottierten: Seine Landsleute sollten ihre Kleidung ablegen und auf Haufen türmen. Dann zündete GANDHI den Kleiderstapel an. Statt mit englischen Tuchen bekleidet, sollten sich die Inder wieder in den traditionellen dhoti“ hüllen. Er nannte diese Politik gegenüber den Engländern non-cooperation (dt.: „Nichtzusammenarbeit“, bürgerlicher Ungehorsam: „be Indian, buy Indian“). Er forderte zur Nichtbeteiligung an britisch-indischen Institutionen auf. „Stärkt nicht selbst die Mauern eures Gefängnisses, schmiedet nicht eure eigenen Ketten“ (GANDHI).

Am 1. März 1922 wurde GANDHI verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch wegen gesundheitlicher Probleme bereits zwei Jahre später entlassen.

„Salzmarsch“

Am 12. März 1930 brach GANDHI mit 78 Männern aus seinem Ashram im so genannten Salzmarsch („Salz-Satyagraha“, 12.03.1930–06.04.1930) von Ahmedabad zu den Salzgewinnungsstätten von Jalalpur am Meer auf. Zuvor hatte er dem Vizekönig von Indien seine Motive für den Marsch erläutert:

„Lieber Freund ... Ich halte die englische Herrschaft für einen Fluch ... Ich beabsichtige nicht, auch nur einem Engländer ein Leid zuzufügen oder ihn in einem legitimen Interesse zu beeinträchtigen, das er hier in Indien verfolgen mag ... Mein Ehrgeiz besteht in nichts Geringerem als darin, das englische Volk durch Gewaltlosigkeit zu bekehren und zu der Erkenntnis zu führen, welches Unrecht es Indien angetan hat. Ich beabsichtige nicht, verletzend zu Ihrem Volk zu sein. Vielmehr möchte ich ihm ebenso dienen wie meinem eigenen ...“

Auf diese Art protestierte er gegen das Salzmonopol-Gesetz der britisch-indischen Regierung: Am Meer angekommen, hob er einen Salzklumpen auf, alle anderen der Tausenden von Menschen, die diesen 79 Männern gefolgt waren, taten es ihm nach. Die demonstrative Geste war ein Verstoß gegen das Salzmonopol des Staates, deshalb kam es in der Folge zu Massenverhaftungen. Über 50 000 Menschen wurden verhaftet. Der Führer des indischen Volkes selbst wurde am 5. Mai 1930 festgenommen. Am 10. Mai 1930 wurde auch sein Nachfolger TYABJI festgesetzt. Nun brachen aufgebrachte Anhänger das Gebot der Gewaltlosigkeit und erstürmten das Salzdepot von Watala.

1931 nahm GANDHI in London an der „Round-Table-Conference“ teil, die jedoch ohne Ergebnisse beendet wurde.
Seit 1932 engagierte sich GANDHI für die Aufhebung der Kaste der Unberührbaren. Am 20.09.1932 trat er im Gefängnis von Poona aus Protest gegen ein britisches Wahlgesetz, das die Kaste der „Unberührbaren“ vom Wahlrecht ausschloss, in einen Hungerstreik. Als er 1933 freigelassen wurde, wog er nur noch knapp 40 Kilogramm.

Außerdem strebte er die wirtschaftliche Unabhängigkeit der indischen Bevölkerung an. Dazu gründete er die „All-India-Spinner's Association“ und eine Organisation zur Förderung des dörflichen Handwerks (Bild 1). 1934 legte er seine öffentlichen Ämter nieder, um sich ganz dieser Aufgabe widmen zu können.

Shanti Sena

Bereits während der Straßenunruhen in Bombay im Jahre 1922 entwickelte GANDHI die Vorstellung, „Friedensbrigaden, so genannte Shanti Sena, aufzubauen. In den dreißiger Jahren entwickelte er zusammen mit VINOBA BHAVES sein Konzept weiter.

GANDHI: „Wir kommen aus dem Staunen über die unerhörten Erfindungen auf dem Gebiet der Gewalt gar nicht mehr heraus. Ich aber bleibe dabei, dass weit unwahrscheinlichere und scheinbar unmögliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Gewaltlosigkeit bevorstehen.“

Unbewaffnete Bürgerinnen und Bürger, auch multinational zusammengesetzte Gruppen von Friedensschlichtern, sollten bewaffnete Auseinandersetzungen verhindern helfen, indem sie sich zwischen die Konfliktparteien stellten. Sie sollten jedoch auch konkrete humanitäre Hilfe leisten können. Solch eine „Friedensarmee“ kam erstmals 1957 bei Straßenunruhen zwischen Hindus und Moslems zum Einsatz. Nach den gandhischen Prinzipien arbeiten heute Gruppen, wie die 1961 gegründeten „World Peace Brigades“, die „Peace Brigades International“ (PBI, seit 1981), das eher national orientierte „Colombia Project“ (COP) in Kolumbien, das „Balkan Peace Team“ (BPT) in Zagreb, Split und Belgrad oder das „Forum Ziviler Friedensdienst“ (Forum ZFD) in Deutschland.

Zweiter Weltkrieg

1938/1939, nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch deutsche Truppen und dem November-Pogrom („Kristallnacht“), beschäftigte sich GANDHI mit dem Schicksal der Juden in Deutschland. Er empfahl den deutschen Juden in Deutschland seine Methoden des gewaltlosen Widerstandes anzuwenden, was MARTIN (MORDECHAI) BUBER (1878–1965), der 1938 nach Jerusalem ausgewandert war, empört zurückwies. Ein weiterer Vorstoß zur Verhinderung von Gewalt richtete sich an HITLER. Am 23.07.1939 schrieb GANDHI ihm:

„Es ist ganz klar, dass Sie heutzutage der einzige Mensch sind, der einen Krieg verhindern kann, welcher die Menschheit ins Stadium der Barbarei zurückversetzen wird. Wollen Sie solchen Preis zahlen für ein Ziel, wie ehrenwert auch immer es für Sie zu sein scheint? Werden Sie die dringende Bitte eines Menschen erhören, der wohlüberlegt den Methoden des Krieges auswich, weil ihnen kein Erfolg beschieden sein wird?

HITLER antwortete ihm nicht.
Ein zweiter Brief GANDHIs an den deutschen „Führer“ von Weihnachten 1941 wurde von den Engländern zurückgehalten. Dieser enthielt die direkte Aufforderung GANDHIs an HITLER: „Im Namen der Menschlichkeit, stoppen Sie den Krieg!“

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1940 sprach sich GANDHI gegen die Beteiligung Indiens am Krieg aus und rief zum Boykott der Kriegsrüstungen auf. 1942 forderte er in seiner „Quit-India“-Aktion von den Briten die Entlassung Indiens in die Unabhängigkeit und forderte die Engländer auf, Indien zu verlassen. Er wurde dafür gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Kongresspartei von der Kolonialmacht inhaftiert. Sein Sekretär MAHADEV DESAI und seine Frau KASTURBAI starben in der Haft. GANDHI selbst wurde im Mai 1944 aus der Haft entlassen.

Unabhängigkeit Indiens

Lord MOUNTBATTEN, ein Enkel von Königin VICTORIA, wurde vom König zum Vizekönig von Indien ernannt. Er sollte die Unabhängigkeitsverhandlungen für die britische Seite führen.
Es gelang GANDHI aufgrund der Streitigkeiten zwischen Hindus, Moslems und Sikhs nicht, ein einiges Indien zu erreichen. Als am 15.08.1947 Indien die Unabhängigkeit ereichte, sah die Welt ein hinduistisches Indien und ein islamisches Pakistan nach dem „Cunningham Plan“. Für GANDHI war die Teilung „eine politische Gefahr und geistige Tragödie“.
JAWAHARLAL NEHRU wurde der erste Ministerpräsident Indiens. Er sagte in seiner Antrittsrede:

„Um Mitternacht, wenn die Welt schläft, wird Indien zum Leben und zur Freiheit erwachen. Es ist dies ein Augenblick, den man nur selten in der Geschichte erlebt: wir lösen uns von dem Alten und begegnen dem Neuen, ein Zeitalter endet, und die Seele der Nation, die lange unterdrückt war, äußert sich frei und ungehemmt. Es ziemt sich, dass wir in diesem feierlichen Augenblick uns zum Dienst an Indien und seinem Volk und zum Dienst an der Menschheit verpflichten.“

Lebensende

Wegen anhaltender Gewalttaten zwischen rivalisierenden Hindus und Moslems begann GANDHI am 13. Januar 1948 ein erneutes Fasten. So gelang es ihm, die Streitigkeiten zu beenden. Am sechsten Tag brach er das Fasten ab. Am 20. Januar 1948 verübten Unbekannte einen erfolglosen Bombenanschlag auf GANDHI. Am 30. Januar 1948 wurde GANDHI, weil er für die Versöhnung von Muslimen und Hindus eintrat, auf dem Weg zu seiner abendlichen Gebetsversammlung von NATHURAM VINAYAK GODSE, einem fanatischen Hindu der „Rashttriya Swayamsevak Sang“ (RSS, dt.: „Nationaler Selbsthilfebund oder Nationale Freiwilligenvereinigung“), vor dem Birla House in Delhi ermordet. GODSE trat an GANDHI heran, verbeugte sich vor ihm und schoss. Die RSS wurde einige Tage nach dem Attentat, am 04.02.1948, verboten, der Täter später erhängt.

Gandhi und der Friedensnobelpreis

GANDHI wurde mehrmals für den Friedensnobelpreis nominiert: 1937, 1938, 1939, 1947 und schließlich im Januar 1948, einige Tage, bevor er ermordet wurde. Als der Dalai Lama 1989 den Nobelpreis erhielt, sagte der Kommissionsvorsitzende, diese Preisvergabe sei „in part a tribute to the memory of Mahatma Gandhi“. 1937 hatte OLE COLBJØRNSEN den Asketen für diesen Preis vorgeschlagen. Jedoch befand man:

„He is a freedom fighter and a dictator, an idealist and a nationalist. He is frequently a Christ, but then, suddenly, an ordinary politician.“

dt.: „Er ist ein Kämpfer für den Frieden und ein Diktator, ein Idealist und ein Nationalist. Er ist häufig ein Christus (Heiliger), aber plötzlich wieder ein gewöhnlicher Politiker“.

Man warf ihm vor, er habe in Südafrika nur für die Rechte der Inder gekämpft, nicht aber auch für die Rechte der Schwarzen, denen es sogar noch schlechter gegangen wäre. GANDHIs Arbeit in Südafrika wurde jedoch auch von der dort lebenden schwarzen Bevölkerung wahrgenommen. Nach dem Vorbild des „Natal Indian Congress“ wurde am 8. Januar 1912 der „African National Congress“ (ANC, afrikanischer Nationalkongress) in Südafrika gegründet. Auch knüpfte die amerikanische Bürgerrechtsbewegung an GANDHI an. Dies belegt die Wertschätzung, die der prominente Inder durch MARTIN LUTHER KING erfuhr:

„Gandhi war der erste Mensch in der Geschichte, der Jesu Liebesethik über eine bloße Beziehung zwischen Einzelpersonen hinaushob und sie zu einer gewaltigen und wirksamen sozialen Macht in großem Maßstab steigerte.“

Die Nominierung GANDHIs für den Friedensnobelpreis 1947 wurde mit Hinweis auf

„the greatest victory and the worst defeat – India's independence and India's partition“

dt.: „den größten Sieg und die schlimmste Niederlage – Indiens Unabhängigkeit und Indiens Teilung“

abgelehnt. Der Kaschmir-Konflikt tobte, man sah in GANDHI den kriegslüsternen Politiker, weil dieser einige Monate vorher seine konsequente Ablehnung des Krieges zugunsten der Einheit Indiens aufgegeben und damit dem Genozid (Völkermord) in Kaschmir zugestimmt hätte. Die Meinung des Nobelpreis-Komitees basierte auf einer unvollständigen Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 27. September 1947, die GANDHI umgehend korrigierte: Er sähe

„no place for him in a new order where they wanted an army, a navy, an air force and what not“.

dt.: „keinen Platz für sich in einer neuen Ordnung, die eine Armee, eine Kriegsmarine, eine Luftwaffe und was sonst noch benötigt“.

Doch man hatte seine Meinung schon gefasst:

„he is not only an apostle for peace; he is first and foremost a patriot.“

dt.: „Er ist nicht nur ein Friedensapostel; er ist zuallererst und hauptsächlich ein Patriot.“

Nach dem Mord an GANDHI überlegte man, ob der Preis ihm nicht posthum zugesprochen werden könnte, doch niemand in der Geschichte des Friedensnobelpreises hatte zuvor den Preis posthum erhalten, obwohl die Statuten dies durchaus vorsahen. Und wer sollte das Preisgeld erhalten? Man fragte auch beim Schwedischen Nobelpreiskomitee an, doch diese meinten, posthum sollte man nur einen Preis verleihen, wenn der Laureat nach der Entscheidung des Komitees gestorben wäre. So gab es 1948 keinen Preisträger. Grund:

„there was no suitable living candidate“.

dt.: „Es gab keinen geeigneten lebenden Kandidaten“.

Werke (Auswahl)

  • Indian Home Rule / Hind Swaraj, 1909
  • From yeravda mandir. Ashram observances, 1932
  • Key to Health, 1933
  • mohan – mala (A Gandhian Rosary), 1933
  • The Moral Basis Of Vegetarianism, o. J.
  • The Teaching Of The Gita, 1962
  • Our Language Problem, 1965
  • Mein Leben, 1983
  • Glaubhaft ist nur die Liebe, 1993
  • The Story of My Experiments with Truth – An Autobiography, dt: Eine Autobiographie oder Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit, dt.: 1995
  • My Varnashrama Dharma, 1998
  • Worte des Friedens, 1999
  • Was macht es schon, wenn man uns für Träumer hält? Lebensweisheiten, 2001
  • Wer den Weg der Wahrheit geht, stolpert nicht. Worte an einen Freund, 2002

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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