- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 5 Internationale Politik und Friedenssicherung
- 5.3 Weltpolitische Konflikte und Friedenssicherung
- 5.3.5 Konfliktregelung und Sicherung des Friedens
- Dieter Senghaas: Zivilisierungsprojekt Frieden
Der Friedensforscher DIETER SENGHAAS (geb. 1940) hat ein Friedenskonzept vorgelegt, das Frieden und Zivilisation verbindet. Damit werden der Begriff und das Konzept des Friedens modernisiert und vertieft.
Die zentrale zivilisatorische Aufgabe der Politik in modernen Gesellschaften besteht darin, Formen der Koexistenz (des Zusammenlebens) zu finden, in denen die unvermeidlichen Konflikte ohne Gewalt ausgetragen werden können. Politische Institutionen sind es, die das Zusammenleben der Menschen trotz verschiedener Interessen durch vereinbarte Regeln zivilisieren.
Unter Zivilisation versteht man das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Es wird bestimmt:
Gelungene Zivilisation und Frieden (Bild 1) als Aufgabe der Politik sind also gleichbedeutend, sind identische Tatbestände. Dies gilt nicht nur für die sozialen Schichten und Gruppen mit verschiedenen Interessen innerhalb einer Gesellschaft (innerer Frieden). Es gilt auch für die unterschiedlichen Gesellschaften und ihre Staaten im internationalen System (äußerer Frieden).
Negativer Frieden liegt vor, wenn keine personale direkte Gewalt herrscht.Positiver Frieden liegt vor, wenn keine strukturelle, indirekte Gewalt herrscht.
SENGHAAS hat sechs grundsätzliche Sachverhalte ermittelt, die in modernen Gesellschaften den inneren Frieden auf zivilisierte Weise garantieren. Da sie das aber nur in Wechselwirkung miteinander tun, hat er sie als Eckpunkte eines Sechsecks (Hexagon, Bild 2) veranschaulicht. Dieses Modell ist auch eine Konsequenz der Erfahrungen aus der Geschichte des letzten Jahrhunderts.
Die wichtigsten Wechselwirkungen im zivilisatorischen Hexagon sind:
Alle sechs zivilisierenden, friedensgarantierenden Faktoren stützen sich gegenseitig und korrigieren sich gegenseitig.
Der Zivilisierungsprozess „Frieden“ setzt sich aus sechs Komponenten (Bausteinen) zusammen, die „das zivilisatorische Hexagon“ bilden. Das „zivilisatorische Hexagon“ ist ein historisches Modell, das für Gesellschaften mit ausdifferenzierter Demokratie gil
Zivilisierung ist auch ein geschichtlicher Prozess, dessen Ergebnis die modernen Demokratien darstellen. Historisch betrachtet, hat sich zuerst das staatliche Gewaltmonopol seit dem Ende des Mittelalters herausgebildet, als Staat des Absolutismus. Die Kontrolle des Gewaltmonopols durch rechtsstaatliche Institutionen ist eine Errungenschaft der bürgerlichen Revolutionen seit 1789. Die Geschichte der Arbeiterbewegung und ihrer Gewerkschaften sowie der Frauenbewegung ist erfüllt vom Kampf um politische Partizipation und um soziale Gerechtigkeit.
Alle zivilisierenden, friedensgarantierenden Faktoren benötigen zu ihrer Ausgestaltung und Wechselwirkung das demokratische politische Engagement der Staatsbürger (s. a. Bild 3).
Der Westfälische Frieden zu Münster und Osnabrück 1648, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, war eine positive Friedensstiftung. Seine Regelungen wirkten über 150 Jahre.Der Friedensvertrag von Versailles 1919 zwischen Deutschland und seinen Gegnern im
DIETER SENGHAAS hat vorgeschlagen, auch die Herstellung internationalen Friedens als Zivilisierungsprojekt anzusehen.
Weltwirtschaft und Verkehr, globale Informations- und Kommunikationsnetzwerke und die internationalen Organisationen haben seit dem 20. Jh. zum Entstehen einer Weltgesellschaft geführt, die einen zivilisierten, friedlichen Umgang aller Staaten mit Interessengegensätzen und mit den globalen Problemen erfordert.
In der internationalen Perspektive sind vier friedenspolitische Hauptaufgaben zu erfüllen, um die Beziehungen zwischen allen Staaten und Völkern ohne Gewalt und nach zivilen Grundsätzen zu gestalten:
Diese vier Aufgaben, die auch Leitsätze darstellen, umfassen die Mindeststandards eines zivilisierten, friedenssichernden internationalen Verhaltens.
Zur Norm geworden sind sie bisher unter den modernen demokratischen Industrieländern, die sich 1960 in Paris zur OECD (Organization for Economic Cooperation and Development = Organisation für wirtschaftiche Zusammenarbeit und Entwicklung, zusammengeschlossen haben. Ihre Hauptziele sind
Der OECD gehören
Die Erweiterung dieser Organisation durch
ist ein Zeichen dafür, dass immer weitere Staaten zum internationalen Frieden als Zivilisierungs- und Entwicklungsprojekt beitragen wollen.
Struktur der OSZE
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