Entwicklung der Menschenrechte

Das Menschenbild in Antike und Mittelalter

Die Herausbildung der Menschenrechte lässt sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen. Bereits ARISTOTELES (384–321 v. Chr.) definierte den Menschen als gesellschaftliches Wesen, das von Natur aus Anspruch und Recht auf die Mitbestimmung innerhalb der Gemeinschaft (der Polis) hatte. So schreibt ARISTOTELES im ersten Buch seiner „Politik“:

„Hiernach ist denn klar, dass der Staat zu den naturgesetzmäßigen Gebilden gehört und dass der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen (griech.: zôon politikón) ist ...“
Die Verfassung (griech.: politeía) des Staates sollte deshalb allen Bürgern ermöglichen, ihrer natürlichen Bestimmung gemäß ein glückliches, tugendhaftes Leben zu führen.
„Der Staat ... ist eine Gemeinschaft von Gleichen, und zwar zu dem Zweck des möglichst besten Lebens“

(Aristoteles, Politik, Buch VII).

Indes beschränkte sich diese aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf die männlichen Bürger der Polis, wohingegen Frauen, Sklaven und Fremde davon ausgeschlossen waren. Nach Ansicht des römischen Politikers und Schriftstellers CICERO (106–43 v. Chr.) war die Sklaverei unverzichtbar, weil die Verrichtung bestimmter Arbeiten für freie Bürger unzumutbar sei. Erst die Philosophie der Stoa lehrte die prinzipielle Freiheit und Gleichheit aller Menschen, ohne daraus aber politische Konsequenzen zu ziehen. Denn die Stoiker distanzierten sich – ihrem Ideal leidenschaftsloser, tugendhafter Lebensführung folgend – von der gesellschaftlichen Praxis.

Das frühe Christentum nahm Impulse der Stoa auf. Laut dem Alten Testament sind die Menschen frei und gleich, weil von Gott sie nach seinem Ebenbild geschaffen wurden. Heilsgeschichtlich aufgewertet wird die Würde des Menschen des Weiteren dadurch, dass Gott in Christus menschliche Gestalt angenommen und die Menschheit durch den Kreuzestod Christi erlöst habe. Allerdings ließ sich das christliche Menschenbild mit den bestehenden Ungleichheiten vereinbaren, weil die christliche Lehre – wie zuvor schon die Stoa – zwischen zwei Reichen unterschied. Vollkommene Gerechtigkeit und Gleichheit waren nach christlicher Auffassung nur im Jenseits, im Reich Gottes, nicht aber im irdischen Leben zu erreichen. Auf diese Weise konnte auch der mittelalterliche Ständestaat theologisch gerechtfertigt werden. Die Rechte und Pflichten jedes Einzelnen hingen von seiner Position, vom jeweiligen Stand ab, in den er hineingeboren wurde. Der ihm von Geburt an, also gewissermaßen natürlich zugewiesene Platz entsprach der göttlichen Ordnung und verpflichtete derart zu Gehorsam und zur gewissenhaften Erfüllung der damit verbundenen Aufgaben. Im Gegenzug konnten die Untertanen vom Herrscher Schutz und Hilfe in der Not beanspruchen. Diese Grundrechte galten jedoch nur für die in den Ständestaat eingebundenen Christen, während Nichtchristen, insbesondere Juden ab dem 13. Jh., ausgegrenzt wurden. Vom kirchlich autorisierten Glauben abweichende Christen wurden als Ketzer verfolgt und verloren ihr Recht auf Leben und Eigentum.

Naturrecht im Mittelalter und der frühen Neuzeit

Zu den bedeutendsten mittelalterlichen Kirchenphilosophen (Scholastikern) zählt der Dominikaner THOMAS VON AQUINO (etwa 1225–1272). Er sprach sich für religiöse Gewissensfreiheit aus und leitete die menschlichen Grundrechte aus der göttlichen Schöpfung und ihren in der Natur wirksamen Gesetzen ab. Als Geschöpf Gottes verfüge der Mensch über Rechte, die in seinem Wesen verankert und durch die Vernunft erkennbar seien: So etwa das Recht auf Leben und Fortpflanzung. Im Gegensatz dazu vertrat WILHELM VON OCKHAM (1285–1347/50) die Ansicht, das natürliche Recht lasse sich nicht aus allgemeinen, das Wesen des Menschen definierenden Begriffen ableiten, denn es entspringe nicht der göttlichen Vernunft, sondern ergebe sich aus den Willenssetzungen Gottes. Daraus entstand die mittelalterliche Kontroverse zwischen einem der vernünftigen, göttlichen Ordnung entsprechenden Naturrecht und einem (positiven) Recht, das allein durch den Willen Gottes gesetzt wurde. Aus dieser Kontroverse zog schließlich der Holländer HUGE DE GROOT (GROTIUS, 1583–1645) den Schluss, dass das Naturrecht auch dann gelten würde, wenn es Gott nicht gäbe. Damit löste er das Naturrecht von der theologischen Begründung, um es neuerlich in der menschlichen Natur zu verankern. In Deutschland wurde das Naturrecht vor allem von SAMUEL PUFENDORF (1632–1694) vertreten. PUFENDORF wandte sich gegen die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches und vertrat das Modell eines doppelten Vertrages – Gesellschaftsvertrag und Herrschaftsvertrag – zur Festlegung von Grundrechten (leges fundamentales).

Souveränität und absolute Herrschaft

Im 15. Jh. wandte sich die Geistesströmung der Renaissance gegen die kirchliche Dogmatik, indem sie das humanistische Gedankengut der Antike wieder aufleben ließ. Kunst und Wissenschaft sollten – von der kirchlichen Vormundschaft befreit – die Entfaltung und Vervollkommnung der Menschheit vorantreiben. Obschon die hehren Ideale des Humanismus kaum über die Debatten in Gelehrtenzirkeln hinauswirkten, vollzog sich eine Verweltlichung des Denkens, die auf drastische Weise an der Staatstheorie des Florentiners NICCOLÒ MACHIAVELLI (1469–1527) abzulesen ist. In seiner Schrift „Der Fürst“ (1513) knüpfte er an die Tradition der Fürstenspiegel an. Solche Erziehungsbücher für Monarchen gingen in der Regel vom göttlichen Ursprung des Naturrechts aus und betrachteten den Herrscher als Menschen mit moralischen Verpflichtungen gegenüber dem Staat und den Individuen. In den Fürstenspiegeln setzte sich der Gedanke durch, dass jeder Bürger als Person gewordene Republik Pflichten gegenüber dem Staat habe, dass aber auch das individuelle Glück, sofern es auf Tugend und Tüchtigkeit beruht, der Gemeinschaft und dem ganzen Staat zugute kommen sollte.
Mit solchen Gedanken brach MACHIAVELLI radikal. Für ihn bestand das höchste Ziel der Politik im Machterhalt. Da die Menschen nur zwei Richtlinien ihres Handelns kennen, nämlich eigenes Wollen und Autorität, muss der Fürst mit seiner ganzen Autorität verhindern, dass der Staat auseinander fällt. Hierfür stehen ihm alle Mittel zu Gebote:

  • Physische Gewalt,
  • List,
  • Verstellung,
  • auch Güte und Milde und
  • bei Bedarf die Religion.

MACHIAVELLIs leuchtendes Vorbild war CESARE BORGIA, der im Norden Italiens mit Brutalität einen Staat errichtete, die Macht aber wieder verlor.
Noch zu Lebzeiten MACHIAVELLIs prägte der Florentiner Historiker FRANCESCO GUICCIARDINI den Begriff der Staatsräson. Damit wurde die ursprünglich praktische Anleitung für einen Fürsten zum Begriff der politischen Theorie: Unabhängig von der Moral des Einzelnen und ohne sich auf einen göttlichen Maßstab zu berufen, gibt es ein (souveränes) Interesse des Staates, das in der Selbsterhaltung nach innen und nach außen besteht. THOMAS HOBBES (1588–1679) entwarf dann 1651 im „Leviathan“ die Theorie des Souveräns, eines Herrschers, dem die Bürger im eigenen Interesse ihre Macht übereignen. In Anlehnung an ein antikes Sprichwort „Der Mensch ist dem Menschen ein Gott“ – gemeint war, dass sich in der gegenseitigen Hilfe Göttliches ereignet – gab HOBBES die Parole aus: „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.“ Sie bezieht sich nicht nur auf den Egoismus der Individuen, sondern auch auf den „Krieg aller gegen alle“, der für HOBBES den Naturzustand kennzeichnet. Aus Gründen der Selbsterhaltung entschließen sich die Menschen daher, einen Vertrag einzugehen, in dem sie ihre individuelle Macht an einen Souverän abtreten, dessen unbeschränkte Herrschaft Recht und Ordnung durchsetzt. Ausdrücklich betont HOBBES, dass dieser Entscheidung keine untrügliche Idee des Wahren oder Guten zugrunde liegt, sondern einzig der Denkakt selber, wonach jeder nach Mitteln für den eigenen Nutzen oder Schaden des anderen sucht. Nur um der Selbsterhaltung willen schließt der Mensch Frieden mit dem Konkurrenten. Wo dies allerdings „nicht möglich ist, soll man Hilfe für den Krieg suchen“.

Damit wendeten MACHIAVELLI und HOBBES die Überlegungen zur Freiheit, wie sie die Humanisten pflegten, ins Pessimistische. Freiheit erschien nun als ein Zustand ungeregelter Natur, der gegenüber der Mensch sich durchsetzen muss. Auch die Religion wurde zu einem Mittel unter anderen degradiert, um Macht, Ordnung und Frieden unter den Menschen zu erhalten. Als sich im 17. Jh. unter LUDWIG XIV. Frankreich in einen absolutistischen Staat verwandelte, etablierte sich in der Person des Königs eine zumindest ihrem Anspruch nach alle staatlichen Belange kontrollierende Zentralgewalt. Hierzu konnte sich der Sonnenkönig auf Überlegungen stützen, die der französische Jurist JEAN BODIN (1529/30–1596) ein Jahrhundert zuvor formuliert hatte. Für BODIN gründet die Ordnung des Staates in der uneingeschränkten Souveränität des Monarchen, von dem alle Untertanen unmittelbar abhängig sind. Einzig das göttliche und das Naturrecht, nicht aber die von Menschen erlassenen Gesetze verpflichteten laut BODIN den König zum Schutz elementarer Güter wie des Lebens, der Familie und des Eigentums. Fortan wurde das Gewaltmonopol in den Händen des Souveräns ein Kriterium für die Modernität und Unabhängigkeit eines Staates. Im Absolutismus sollte sich die Herrschaft des Souveräns auf alle Bereiche der Gesellschaft erstrecken,

  • neben dem Militär und
  • der Verwaltung auch
  • Religion,
  • Wirtschaft und
  • Rechtsprechung erfassen.

Das Naturrecht im Spiegel der Aufklärung

Als Vorläufer der modernen Menschenrechte hat das Naturrecht in der Aufklärung eine wichtige Rolle gespielt. Um die Willkür der Regenten einzudämmen, entwarfen Aufklärer wie JOHN LOCKE und JEAN- JACQUES ROUSSEAU Vertragsmodelle, die auf einer freien Vereinbarung der Menschen basieren. In ROUSSEAUs „contrat social“ (1762) wird der Gesellschaftsvertrag als Ergebnis eines allgemeinen Willens („volonté générale“) gedacht:

„Ich behaupte deshalb, daß die Souveränität, da sie nichts anderes ist als die Ausübung des Gemeinwillens, niemals veräußert werden kann und daß der Souverän, der nichts anderes ist als ein Gesamtwesen, nur durch sich selbst vertreten werden kann; die Macht kann wohl übertragen werden, nicht aber der Wille“
(Gesellschaftsvertrag, 2. Buch, 1. Kp.).

Diese in der „volonté générale“ ausgedrückte Volkssouveränität stellte den Maßstab für das eigene Handeln innerhalb einer freien Gesellschaft dar. Wobei ROUSSEAU in Kauf nimmt, dass Einzelne zu ihrer Freiheit gezwungen werden müssen, wenn sie mit ihren Eigeninteressen gegen den gemeinschaftlichen Willen verstoßen.
Den seit der Antike auf unterschiedliche Weise aus der Natur oder dem Wesen des Menschen abgeleiteten Rechten spricht die Aufklärung eine unbedingte, unveräußerliche Geltung zu. Somit stehen die Naturrechte über der jeweiligen Verfassung eines Staates und der von ihm erlassenen Gesetze. Sie dienen als Richtschnur und Maßstab für eine aufgeklärte Gesellschaftsordnung, die den Prinzipien der menschlichen Vernunft entspricht. Zugleich hat die Aufklärung, indem sie das Naturrecht aus der Vernunft des Menschen begründete, den Katalog dieser Rechte erweitert. Der Anspruch der Aufklärer, die Menschen von der Fremdbestimmung durch religiöse Dogmen und von gesellschaftlicher Abhängigkeit zu befreien, zielte auf die Bildung einer politischen Öffentlichkeit auf der Grundlage von Toleranz, Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit. Um diese Rechte vor staatlicher Willkür zu schützen, entwickelte CHARLES DE MONTESQUIEU in seiner Schrift „De l'esprit des lois“ (1748; dt.: „Vom Geist der Gesetze“) das Prinzip der Gewaltenteilung. Es sah vor, die staatlichen Aufgaben der

  • Exekutive,
  • Gesetzgebung und
  • Rechtsprechung

an voneinander unabhängige Instanzen zu übertragen, und gehört zum Kern der modernen demokratischen Verfassungen.

JOHN LOCKE als Vordenker des liberalen Verfassungsstaates

Betrachten wir etwas genauer die politische Theorie des englischen Empiristen JOHN LOCKE (1632–1704), dessen Ideen in die Verfassungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich sowie in die Formulierung der Menschenrechte eingingen. Der erste seiner „Two treatises of government“ (1690; dt.: „Über die Regierung“) widerlegt die patriarchale Staatstheorie SIR ROBERT FILMERs vom göttlichen Recht königlicher Herrschaft. In der zweiten Abhandlung spricht sich LOCKE gegen den Versuch aus, alle Regierungsgewalt aus der Macht Gottes heraus zu begründen. Die Menschen sind für LOCKE nicht von Natur aus Untergebene, sondern Individuen mit Rechten und Interessen. Anders als bei HOBBES gehört Geselligkeit zur Natur des Menschen, deren erste Stufe die Ehe ist, ein vertraglicher Zusammenschluss zu dem Zweck, Kinder aufzuziehen. Sodann aber sehen die Menschen die Gefahr für ihr Leben, ihre Freiheit und ihr Eigentum und schützen diese Güter durch die auf allgemeiner Zustimmung beruhende politische Gemeinschaft mit einem obersten Schiedsrichter – Monarch, Oligarch oder demokratische Vertretung. LOCKE tritt schon vor MONTESQUIEU für die Gewaltenteilung ein, indem er die Trennung von Legislative und Exekutive fordert. Jedes Volk soll die ihm gemäße Regierungsform selbst bestimmen. Auch darf laut LOCKE – im Unterschied zu HOBBES – ein das Volk unterdrückender Tyrann beseitigt werden, allerdings nur im Vertrauen auf Rechtfertigung durch einen „himmlischen“ Richter. In „A letter concerning toleration“ (1689; dt.: „Ein Brief über Toleranz“) spricht sich LOCKE für die Freiheit aller Glaubensbekenntnisse aus, solange sie den liberalen Staat nicht gefährden. Atheisten allerdings werden nicht geduldet, da sie nicht eidesfähig seien und keine höchste richterliche Instanz anerkennen würden.

Trotz systematischer Schwächen hat LOCKEs Staatstheorie das Bild des bürgerlich-liberalen Verfassungsstaates entscheidend mitgeprägt. Sowohl die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 wie der französische Verfassungsentwurf von 1791 (siehe PDF "Französische Verfassung vom 3. September 1791") lehnen sich bis in die Formulierungen an LOCKE an, und noch im Grundrechtsteil des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1949 ist sein Einfluss spürbar. LOCKEs Entscheidung für die Gewichtung von individueller Freiheit und kollektiver Gleichheit bestimmt bis heute den Demokratiebegriff des repräsentativen Parlamentarismus.

Die politische Verankerung der Menschenrechte

Einen ersten Verfassungstext, der die fundamentalen Rechte auf persönliche Freiheit und den Schutz des Eigentums festschrieb, stellte schon die 1215 in England dem König abgetrotzte „Magna Charta Libertatum“ dar. In ihr wurden die persönliche Freiheit und der Schutz des Eigentums festgeschrieben. Obwohl sich diese Charta noch in den Rahmen der mittelalterlichen Ordnung einfügte und hauptsächlich das geltende Lehnsrecht verbriefte, formulierte sie auch zukunftsweisende Grundsätze. So legte sie fest:

„Kein freier Mann soll verhaftet oder eingekerkert oder um seinen Besitz gebracht oder geächtet oder verbannt oder sonst in irgendeiner Weise ruiniert werden ..., es sei denn auf Grund eines gesetzlichen Urteils.“

In den Jahren 1628 und 1679 wurden in England mit der „Petition of Rights“ und der „Habeas-Corpus-Akte“ weitere Grundrechte verbrieft. Die „Petition of Rights“ verbürgte die Unantastbarkeit des Bürgers, während ihn die „Habeas-Corpus-Akte“ vor grundloser Verhaftung schützte und vorschrieb, jeden Verhafteten binnen zwanzig Tagen einem Richter vorzuführen. Diese Grundrechte galten auch in den englischen Kolonien, also auch in Nordamerika, wo im Zuge des Unabhängigkeitskrieges 1776 erstmals ein Menschenrechtskatalog, die „Virginia Bill of Rights“ (siehe PDF "Virginia Bill of Rights von 1776"), formuliert wurde. In ihr wurden folgende Grundrechte zu unveräußerlichen Menschenrechten erklärt:

  • Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum,
  • Freizügigkeits- und Petitionsrecht,
  • Anspruch auf Rechtsschutz,
  • Wahlrecht.

Der 1. Artikel der „Virginia Bill of Rights“ lautet:

„Alle Menschen sind von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig und besitzen bestimmte angeborene Rechte, welche sie ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen können, wenn sie eine staatliche Verbindung eingehen, und zwar den Genuss des Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit.“

Den entscheidenden Anstoß zur Durchsetzung der Menschenrechte in Europa gab die zu Anfang der Französischen Revolution verfasste „Déclaration des droits de l'homme et du citoyen“ (1789; „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“). Sie wurde vom Marquis DE LAFAYETTE unter Mitwirkung des Pariser Gesandten der Vereinigten Staaten THOMAS JEFFERSON (dem Schöpfer der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung) entworfen und am 26. August 1789 von der französischen Nationalversammlung verkündet. Die „Erklärung“ beginnt mit folgenden Worten:

„Da die Vertreter des französischen Volkes, als Nationalversammlung eingesetzt, erwogen haben, dass die Unkenntnis, das Vergessen oder die Verachtung der Menschenrechte die einzigen Ursachen des öffentlichen Unglücks und der Verderbtheit der Regierungen sind, haben sie beschlossen, die natürlichen, unveräußerlichen und heiligen Rechte der Menschen in einer feierlichen Erklärung darzulegen, damit diese Erklärung allen Mitgliedern der Gesellschaft beständig vor Augen ist und sie unablässig an ihre Rechte und Pflichten erinnert; damit die Handlungen der Gesetzgebenden wie der Ausübenden Gewalt in jedem Augenblick mit dem Endzweck jeder politischen Einrichtung verglichen werden können und dadurch mehr geachtet werden; damit die Ansprüche der Bürger, fortan auf einfache und unbestreitbare Grundsätze begründet, sich immer auf die Erhaltung der Verfassung und das Allgemeinwohl richten mögen.“

Die folgenden 17 Paragraphen garantieren

  • die persönliche Freiheit,
  • Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit,
  • den Schutz des Eigentums,
  • Sicherheit und
  • das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung.

Gemäß dem Prinzip der Volkssouveränität geht alle Entscheidungsgewalt von der Nation aus. Festgeschrieben werden weiterhin die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung.
Ein Dilemma dieser „Erklärung“, das bis in die heutige Diskussion über den Status der Menschenrechte reicht, bestand in ihrem Anspruch auf universelle Geltung. Denn laut der oben zitierten Präambel beanspruchten die Abgeordneten der Nationalversammlung nicht nur für das französische Volk, sondern auch im Namen der Menschheit zu sprechen. Um den Menschenrechten weltweit zur Durchsetzung zu verhelfen, mussten sie von möglichst vielen Staaten anerkannt und befolgt werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde mit der Gründung der Vereinten Nationen (UNO) nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen. Durch die Verabschiedung der Charta der Vereinten Nationen im Jahr 1945 oblag die Verwirklichung der Menschenrechte nicht mehr den einzelnen Staaten, sondern der internationalen Staatengemeinschaft. Die Mitgliedstaaten verpflichteten sich im Artikel 56 der Charta zur Durchsetzung der Ziele der UNO, zu denen auch die Achtung der Menschenrechte gehört. Konkretisiert wurden die Menschenrechte durch die 1948 formulierte „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. Die dort aufgeführten Rechte aller Menschen umfassen

  • die bürgerlichen Freiheitsrechte,
  • die Gleichheit vor dem Gesetz und als Staatsbürger (Gleichberechtigung, Wahlrecht ...),
  • die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit,
  • aber auch soziale Rechte (wie das Recht auf Arbeit, Wohnung, Bildung und soziale Sicherheit).

Wie ihr Vorläufer – das Naturrecht – erheben auch die Menschenrechte Anspruch auf unbedingte Gültigkeit. Es sind die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins zugehörigen Rechte – unabhängig von seiner Herkunft, Staatszugehörigkeit, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung, Religionszugehörigkeit, seinem Geschlecht oder seiner Rasse. Sie sind unveräußerlich, können also weder aberkannt noch abgetreten werden. Des Weiteren stehen sie über den Gesetzen und der Rechtsprechung in einzelnen Staaten, die sie als Grundrechte in ihre Verfassungen aufnehmen sollen. Zur Durchsetzung der Menschenrechte wurde 1959 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingerichtet.

Das als Internationaler Gerichtshof von den Vereinten Nationen 1946 im niederländischen Den Haag eingerichtete Tribunal kann bereits auf eine längere Geschichte zurückblicken. Auf Initiative von Zar NIKOLAUS II. trat in Den Haag die erste Haager Friedenskonferenz zusammen. Sie beschloss, einen „Ständigen Schiedsgerichtshof“ mit Sitz in Den Haag zu errichten. Seit 1913 tagte dieser Schiedsgerichtshof im Friedenspalast in Den Haag. Er war kein Gericht im üblichen Sinne, setzte sich vielmehr aus Sachverständigen des Völkerrechts zusammen, die von den Regierungen der Teilnehmerstaaten ernannt wurden. Seine Funktion war, Konflikte zwischen Staaten zu schlichten, die nicht auf diplomatischem Wege geklärt werden konnten. 1922 wurde im Rahmen des Völkerbundes, zusätzlich zu dem bereits bestehenden Ständigen Schiedshof, der Ständige Internationale Gerichtshof geschaffen. Seit Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945 besteht er als Internationaler Gerichtshof weiter und hat seinen Sitz nach wie vor im Friedenspalast in Den Haag. Der Internationale Gerichtshof hat seine Arbeit 1946 aufgenommen. Seine Statuten sind Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen. Zu seinen Hauptaufgaben gehört die Ahndung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

In den Debatten um die Ausgestaltung der Menschenrechte sind weiterhin mehrere Punkte umstritten:

  • Ein Punkt betrifft – wie bereits angedeutet – ihre Universalisierbarkeit. Die Menschenrechte haben sich aus der christlich-liberalen Tradition entwickelt, in der die Würde und Entfaltung des Einzelnen einen kulturspezifisch hohen Stellenwert besitzt, der in anderen Kulturen hinter die Einordnung in die Gemeinschaft zurücktritt.
  • Ein zweiter Punkt betrifft die Erweiterung der Menschenrechte durch so genannte Kollektivrechte, die über den Rahmen der individuellen politischen Rechte hinausgehen. Zu dieser Gruppe von Rechten gehören etwa das Recht auf Frieden, auf Entwicklung und auf eine intakte Umwelt. Die Einführung solcher Rechte ist eine Reaktion auf die Folgen der Globalisierung. Durch sie sollen die Entwicklungschancen der armen Länder und der Umweltschutz gestärkt werden.
  • Ein dritter Punkt betrifft die Ergänzung der Menschenrechte durch einen Katalog der Menschenpflichten, wie er 1997 vom „InterAction Council“, dessen Ehrenvorsitzender der ehemalige Bundeskanzler HELMUT SCHMIDT ist, formuliert worden ist.
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