Unter Gewalt wird allgemein die Anwendung von physischem und psychischem Zwang gegenüber Menschen verstanden. Die Friedens- und Konfliktforschung unterscheidet zwischen
Personale (verletzende) Gewalt beruht auf Zwangseinwirkungen. Darunter ist die beabsichtigte physische und psychische Schädigung von Menschen und Sachen zu verstehen. Sie zerstört die Bedingungen des friedlichen Zusammenlebens und führt zu Gewalttätigkeiten zwischen Staaten (Krieg) oder innerhalb eines Staates. Dabei kann sie von repressiven Maßnahmen der Staatsgewalt (Folter, Terror) oder von Einzelgruppen der Gesellschaft (Guerilla, Terrorismus) ausgehen.
Die Bereitschaft zur Gewaltanwendung gegen Minderheiten finden wir schon immer in der Geschichte. So zeigt sich der Antisemitismus seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart, wobei er während des Nationalsozialismus seinen traurigen Höhepunkt erfuhr.
In der heutigen Zeit erweist sich, dass die Hemmschwelle für Gewaltanwendung deutlich herabgesetzt ist.
Die ordnende Gewalt zeigt sich als Herrschafts- bzw. Staatsgewalt. Die Gemeinschaft eines Staates unterwirft sich einer ordnenden, den inneren und äußeren Frieden sichernden Gewalt. Diese ist unverzichtbares Merkmal und Bestandteil der Legitimität des Staates, also legitimes Herrschaftsinstrument. In demokratischen Staaten ist die Staatsgewalt an den Willen des Volkes gebunden.
Nach THOMAS HOBBES (1588–1679) beruht die Staatsgewalt auf der
„Furcht des Bürgers vor Gewalt und dem Verzicht darauf, selbst Gewalt anzuwenden“.
IMMANUEL KANT (1724–1804) sieht in Freiheit und Gesetz zwei „Angeln“ der bürgerlichen Gesetzgebung. Dem Gesetz muss die Gewalt verbunden sein, damit es durchgesetzt werden kann.
Die legitime Gewalt soll den Bürger schützen und der Verwirklichung des Gemeinwohls dienen.
Der Marxismus sieht in der Gewalt ein historisch notwendiges Mittel für den Übergang von einer Klassengesellschaft zur anderen und legitimiert damit die revolutionäre Gewalt.
Der Friedensforscher JOHAN GALTUNG (geb. 1930) definiert strukturelle Gewalt oder auch indirekte Gewalt als
„in allen gesellschaftlichen Systemen immanent vorgegebene Gewalt, die die volle Entfaltung der individuellen Anlagen durch eine ungleiche Verteilung von Eigentum und Macht verhindert“.
Diesem um die soziale Ungerechtigkeit erweiterten Gewaltbegriff entspricht der Begriff Frieden in der Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit. Unter diesem Aspekt wird in der Friedens- und Konfliktforschung verstärkt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen sowie die Entscheidungsgewalt darüber diskutiert. Die Notwendigkeit einer solchen, rechtlich eingegrenzten und geordneten Gewalt kann nur im Rahmen einer Utopie konflikt- und herrschaftsfreier Gesellschaften bestritten werden.
Die Friedensforscherin HANNAH ARENDT (1906–1975) sieht zwischen Macht und Gewalt einen Unterschied. Ihrer Meinung nach ist die auf der Zustimmung der Mehrheit beruhende, ständig zur Legitimation gezwungene Macht nicht die Gewalt die notwendige Bedingung aller sozialen Ordnung.
Das staatliche Gewaltmonopol, das in allen Definitionen von struktureller oder ordnender Gewalt anerkannt wird, ist die vom modernen Staat wahrgenommene ausschließliche Befugnis, auf seinem Staatsgebiet physische Gewalt einzusetzen oder ihren Einsatz zuzulassen. Es ist ein wesentlicher Bestandteil der inneren Souveränität des Staates und soll für den Bürger im Verhältnis zu den Mitbürgern freiheitssichernd wirken. Aber nur die demokratisch legitimierte Staatsgewalt ist wirklich legitim.
Kulturelle Gewalt bezeichnet jede Eigenschaft einer Kultur, mit deren Hilfe direkte oder strukturelle Gewalt legitimiert werden kann. Diese Form der Gewalt tötet oder verletzt nicht körperlich, sie ist unsichtbar, trägt aber zur ideologischen Rechtfertigung bei, bedient also den ideologischen Überbau (z. B. die nationalsozialistische Ideologie von der rassischen Vorherrschaft der Arier). Die kulturelle Gewalt ist als subtile Form der Diskriminierung zu verstehen.
Stand: 2010
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