- Lexikon
- Kunst
- 2 Kunstgeschichte
- 2.5 Das 19. Jahrhundert
- 2.5.1 Baukunst
- Baukunst des 19. Jahrhunderts
„Der Architekt ist hochverehrlich
(Obschon die Kosten oft beschwerlich),
Weil er uns unsre Erdenkruste,
Die alte, rauhe und berußte,
Mit saubern Baulichkeiten schmückt,
Mit Türmen und Kasernen spickt.“WILHELM BUSCH, „Maler Klecksel“ (1884)
Schon in den Jahren bevor die Französische Revolution ausbrach und dem von ihr herbeigeführten Ende von Absolutismus und Feudalismus, gibt es in der Baukunst deutliche Anzeichen für eine Abwendung von Barock und Rokoko: Keine verschwenderischen Gliederungen und Dekorationen mehr, keine schwellende Plastizität, sondern Einfachheit, Nüchternheit, zurückhaltend akzentuierende Dekorationen, geometrische Exaktheit, würdige Bescheidenheit.
Das waren alles Absagen an die Ideale der Fürsten- und Adelshöfe und ihr Luxusbedürfnis, stattdessen Andeutung bürgerlicher Wertvorstellungen. Denn Architektur ist jetzt nicht mehr nur Sache der Kaiser, Könige, Fürsten und der Kirche, sondern wird öffentlich und Gegenstand des allgemeinen bürgerlichen Interesses. Sie soll sozial nützlich sein.
Die Aufgaben der Baukunst werden in den nun erscheinenden Architekturzeitschriften diskutiert (z. B. im „Allgemeinen Magazin der Bürgerlichen Baukunst“ ab 1789), wo Probleme des Handwerks, der Bauphysik und der Bauökonomie ebenso behandelt werden wie Fragen der Philosophie und Ästhetik der Baukunst.
Darüber hinaus werden an den königlichen und fürstlichen Akademien bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Architekturklassen nach dem Vorbild der Pariser „Académie Royale d'Architecture“ eingerichtet, die nicht nur der Ausbildung dienen, sondern auch über den „guten Geschmack“ in der Baukunst zu wachen haben.
So heißt es im „Reglement für die Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin“ von 1790, dass alle Bauprojekte dem Oberhofbauamt der Akademie zur Prüfung vorgelegt werden sollen,
damit das „über die wahren und einfachen Grundsätze des Schönen“ und „über die besten Mittel zur Verbreitung des guten Geschmacks“ entscheiden könne.
Der Architekt FRIEDRICH WEINBRENNER (1766–1826) z. B. gründete 1800 in Karlsruhe eine private Bauschule mit einem umfassenden Lehrprogramm: Sprachen, Erdbeschreibung und Geschichte, römische und griechische Baukunst; daneben Geometrie, Mathematik, Mechanik; dazu geometrische, perspektivische und architektonische Zeichenlehre sowie Theorie der Baukunst.
In solchen universalen Unterrichtsprogrammen geht es darum, Architekten- und Ingenieursausbildung zu vereinigen. Denn in der Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich das Bauwesen in einen technischen und einen ästhetischen Zweig geteilt. Das innovative Potenzial lag allerdings auf Seiten der Ingenieure, besonders nach der Einführung der neuen Baumaterialien Eisen und Glas – das zeigte sich erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Zunächst aber war über den jeweils angemessenen Baustil zu entscheiden. Welcher war einer aufgeklärten Gesellschaft angemessen? Man orientierte sich hier am Zweck des Gebäudes:
Daneben blieben die von der Antike überlieferten und auch in der Renaissance und im Barock eingesetzten Säulenordnungen (dorisch, ionisch, korinthisch) weiterhin in Geltung.
Doch gaben diese Regeln nur eine allgemeine Richtung an, letztlich waren sie nicht wirklich verbindlich. Das führte bereits im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem solchen Stilwirrwarr, dass sich der Karlsruher Baurat HEINRICH HÜBSCH (1795–1863) dazu veranlasst sah, zur Klärung ein Buch zu schreiben. Er gab ihm den bezeichnenden Titel „In welchem Style sollen wir bauen?“ (1827).
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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