Der Maler JAN, eigentlich JOHANNES VERMEER, genannt JAN VERMEER VAN DELFT, wurde am 31. Oktober 1632 in Delft getauft und gilt als bedeutender Vertreter der niederländischen Barockmalerei. Über sein Leben ist trotz der zahlreichen Künstlerviten, die im 17. und 18. Jahrhundert entstanden, nur wenig bekannt.
1652 erbte er Vermögen und Geschäft seines Vaters und betätigte sich wie dieser auch im Kunsthandel. Als seine künstlerischen Lehrer vermutet man zwei angesehene Delfter Maler: LEONAERT BRAMER und CAREL FABRITIUS, einen Schüler REMBRANDTs. 1653 heiratete VERMEER die Katholikin CATHARINA BOLNES und konvertierte zum Katholizismus.
Im selben Jahr wurde er als Meister in die Delfter Lukasgilde, eine jener seit dem 14. Jahrhundert bekannten zunftähnlichen Zusammenschlüsse von Malern, aufgenommen, in der er später mehrere Jahre das Amt des Vorstehers versah. Trotz kleinerer Erbschaften brachten ihn die wirtschaftlichen Auswirkungen, die die französische Invasion in den Niederlanden im Jahr 1672 mit sich brachte, in große finanzielle Schwierigkeiten.
Seine Werke befanden sich bei seinem Tod 1675 noch fast vollständig im Besitz der Familie. Seine Witwe erklärte sich für bankrott und begründete ihre Zahlungsunfähigkeit damit, dass ihr Mann während des Krieges der Niederlande mit dem König von Frankreich so gut wie nichts verdienen konnte, und um seine elf Kinder zu erhalten, Kunstwerke mit großem Verlust verkaufen musste, die er gekauft hatte und mit denen er Handel betreiben wollte. Seit 1677 wurden auch seine eigenen Werke von der Familie versteigert, um den Lebensunterhalt zu finanzieren.
VERMEERs Gesamtwerk wird auf rund 60 Gemälde geschätzt, aber nur 35 Bilder sind als eigenhändige Arbeiten gesichert. Mangels Datierungen und Dokumenten sind sie nur mithilfe von Stilanalysen chronologisch einzuordnen.
VERMEERs Œuvre besteht vor allem aus Genrebildern und einigen Landschaftsdarstellungen. Die Klarheit und Einfachheit in der Komposition entspricht einer subtilen Farbgebung, bei der häufig Komplementärfarben wie Blau und Gelb nebeneinander stehen.
Charakteristisch für diese Darstellungen ist, dass in einer Atmosphäre der Ruhe nur eine oder wenige Personen in kleinem Raumausschnitt stilllebenhaft und wie in erstarrt wirkender Erscheinung wiedergegeben sind. Das Licht fällt zumeist vom linken Bildrand auf die Szenen. So auch in dem nur 24 x 21 cm messenden Gemälde „Die Spitzenklöpplerin“ (1664; Paris, Musée du Louvre).
Das hinter einem großen blauen Klöppelkissen sitzende Mädchen ist ganz in seine Arbeit versunken. Die Intimität des kleinen Gemäldes zieht den Betrachter in den Bann.
Auch „Das Perlenhalsband“ (1665; Berlin, Staatliche Museen Berlin, Gemäldegalerie) zeigt sich im von links durch ein Fenster einstrahlenden Licht vor einem Spiegel. Zufrieden prüft die in eine hermelinverbrämte gelbe Jacke gekleidete junge Frau die Wirkung ihres Schmuckes. Man hat dieses Gemälde immer wieder auch als eine Darstellung des Lasters der Eitelkeit interpretiert.
Einem größeren Publikum wurde VERMEER seit dem Jahr 2000 bekannt durch den Roman von TRACY CHEVALIER „Das Mädchen mit dm Perlenohrring“ – nach dem Gemälde VERMEERs („Das Mädchen mit der Perle“, um 1665; Den Haag, Mauritshuis) – und dessen Verfilmung durch PETER WEBBER (2003). Bei der Geschichte über die Magd, die in dem kinderreichen Haushalt des Malers ihren Dienst versieht und mit der Perle im Ohr bild- und porträtwürdig wird, handelt es sich allerdings um eine fiktive Entstehungsgeschichte des Gemäldes.
VERMEERs „Die Malkunst“ oder auch „Die Allegorie der Malerei“ betiteltes Gemälde (1666, Wien, Kunsthistorisches Museum) ist eine der bedeutendsten Darstellungen der Malerei als Kunst. Der in ein kostbares historisches Kostüm gewandete Künstler malt eine Frau mit einem Blätterkranz im Haar, einer Posaune in der rechten und einem Buch in der linken Hand.
Sie wurde als die ihn inspirierende Klio, die Muse der Geschichtsschreibung gedeutet. Die Landkarte im Bildhintergrund und der kostbare Vorhang im Vordergrund links repräsentieren durch ihre Ausstattung und Qualität ebenfalls den Wert der Kunst. Andere Deutungen gehen von einem konkreten historischen Ereignis aus.
„Die Ansicht von Delft“ (um 1660; Den Haag, Mauritshuis) nimmt als Landschaftsdarstellung eine Sonderrolle im Werk VERMEERs ein, der sich für das städtische Leben außerhalb der Abgeschlossenheit der Wohnung kaum interessierte. Man hat oft angenommen, dass sich JAN VERMEER bei der Konzeption seiner Stadtansicht von Delft des optischen Hilfsmittels einer Zeichenkamera, einer Art Camera obscura, bedient habe. Das ist möglich aber nicht bewiesen.
Es würde allerdings nicht die überwältigende malerische Wirkung des Bildes erklären, mit der sich VERMEER über die traditionelle Wiedergabe topografischer Stadtansichten mit der Schilderung einer realistischen Situation hinwegsetzte und stattdessen den bildnerischen Inbegriff einer Stadtlandschaft geschaffen hat, eines Panoramas voll atmosphärischer und farblicher Reize und großer Stimmungsdichte. Das Bild wird auch als Hommage des Künstlers an seine Heimatstadt gedeutet.
Die Ansicht von Delft ist von Süden her aufgenommen. Der Bildvordergrund besteht aus einem sandigen Uferstreifen mit einigen Staffagefiguren. Dunkle Wolken ballen sich am Himmel im oberen Bildteil und verschatten die gegenüberliegende Uferseite mit der Stadtmauer. Die dahinter liegende Stadt dagegen ist von Licht überflutet, besonders hell erstrahlt rechts der Kirchturm der Nieuwe Kerk. Diese Kirche beherbergte seit der ersten Jahrhunderthälfte das Grab Prinz WILHELMS I. VON ORANIEN, des Begründers der niederländischen Unabhängigkeit, und steht für die enge Beziehung Delfts zum Hause ORANIEN.
VERMEER zeigt die großen Sehenswürdigkeiten der Stadt ebenso wie die Details der Bauwerke, den rohen Naturstein einer Brücke und den Mörtel in den Mauern. Die Bausubstanz bringt er dem Betrachter nahe wie kein Künstler vor ihm.
Von seinen Zeitgenossen zwar beachtet, widerfuhr VERMEER jedoch eine große Anerkennung erst etwa zweihundert Jahre später durch die französischen Impressionisten. So zeigte sich VINCENT VAN GOGH begeistert von der Palette des Malers, mit der dieser Blau und Zitronengelb nebeneinander setzte.
Der französische Kunstkritiker THÉOPHILE THORÉ bahnte 1866 in der „Gazette des Beaux-Arts“ den Weg zu VERMEERs neuem Ruhm, indem er über die „Ansicht von Delft“ schrieb, dass in dem Museum von Den Haag eine prächtige und ganz eigenartige Landschaft alle Besucher gefangen nähme von einem Künstler, der es verdiene in Frankreich gekannt zu sein.
Die atmosphärische Lichtwirkung, die geradezu pointillistischen Farbtupfer als Aufhellungen der dunklen Flächen und die Lichtreflexe auf der Wasseroberfläche waren den Impressionisten Anregung und öffneten deren Zeitgenossen die Augen für die künstlerischen Leistungen jenes Malers aus dem 17. Jahrhundert.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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