- Lexikon
- Kunst
- 2 Kunstgeschichte
- 2.4 Barock und Rokoko
- 2.4.2 Rokoko (1720-1770)
- Das „friderizianische“ Rokoko
Der Herrscher hatte – wie viele seiner Zeitgenossen – zwei Gesichter. Das eine war das des skrupellosen Machtpolitikers; das andere gehörte dem Freund der Musen.
Er spielte recht gut die Querflöte, gab kleine Konzerte und komponierte selbst. So wie ihn 100 Jahre später ADOLPH VON MENZEL malte, war er der ideale Bewohner seiner Schlösser.
Schloss Sanssouci wurde von dem Architekten WENZELSLAUS VON KNOBELSDORFF über dem zuvor terrassierten „Wüsten Berg“ mit herrlichem Rundblick zur Stadt und in die Havellandschaft erbaut. Den Grundriss seines Schlosses lieferte FRIEDRICH DER GROSSE selbst. Gegen den Willen seines Architekten setzte er durch, dass das Gebäude als ebenerdiger Bau nicht mehr über dem Weinberg triumphiert, sondern maßvoll, fast bescheiden, pavillonartig zurücktritt. Die sechs Terrassen des Weinberges sind mittig von einer gleichsam terrassierten Treppenanlage mit jeweils zum Schloss hin sich leicht einengend schwingenden Wangen durchschnitten.
Würdevoll schreitend erfasst man Podest für Podest die Schlossansicht: zuerst die Kuppel des höheren Mittelbaues mit den von Putten umtanzten und kartuschenartig gerahmten elliptischen Fenstern, dann Bedachung, Vasenschmuck, Attikabrüstung und Gesims der Seitenflügel und Eckpavillons, schließlich das mächtige, konkav geschwungene Gebälk mit den Bronzelettern SANS SOUCI („Ohne Sorge“). Doppelte Pilaster – besetzt mit Karyatiden und Atlanten, die das Gebälk zu tragen scheinen – flankieren die etagenhohen Rundbogenfenster der breiten Seitenflügel und des leicht vorbauchenden elliptischen Mittelbaues, der von einer gedrückten Kuppel mit einem niedrigen Tambourring bekrönt wird.
Wie zu den fürstlichen Sammlungen das Porzellan, so gehörte zu den Schlossgärten eine Pagode. Eine der schönsten ist die im Garten von Schloss Sanssouci. Ein Chinesisches Teehaus wirkt heute inmitten der natürlich anmutenden Gartenanlage zurückhaltend eingebettet. Der recht kleine elliptische Mittelbau wird fast wie das Schloss von den Seitenflügeln flankiert, die hier aber unter einem pagodenähnlichen Dach mit Tambour, niedrigem Kuppelaufsatz und vergoldeter Figurenbekrönung Platz finden.
Eine chinesische Gesellschaft scheint sich in Gruppen rund um den Pavillon niedergelassen zu haben. Lebensgroß und vergoldet sitzt sie bei Tee, Musik und Gespräch unter dem weiten Dachüberstand. Wie in den Romanen jener Zeit wird über den Figurenschmuck ein Märchenreich herbeigesehnt, in dem ein glückliches, heiteres Volk ein paradiesisches Dasein genießt. So mischen sich in die Gruppen zeitgenössische Hofdamen und junge Herren und nehmen an der friedlichen Idylle unter den Säulen in Gestalt stilisierter Palmen teil.
WENZELSLAUS VON KNOBELSDORFF war unter dem Einfluss FRIEDRICHs DES GROSSEN maßgeblich an der Ausprägung einer besonderen „friderizianischen“ Spielart des deutschen Rokoko beteiligt. Das Potsdamer Stadtschloss ist hierfür ein Beispiel. Bei seinen Zimmerdekorationen für das Potsdamer Stadtschloss (um 1750) ist die vergoldete Ornamentik mit dem sicheren Gefühl für freirhythmische Wirkungen auf die Wandfelder gelegt, ohne überladen zu wirken. Die Rahmungen sind oben und unten durchbrochen und in Kurven und Rocaillen aufgelöst.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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