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- Karl Friedrich Schinkel
KARL FRIEDRICH SCHINKEL verbrachte sein Leben in unruhigen Zeiten: die Französische Revolution und die ihr folgende napoleonische Epoche prägten auch die Entwicklung in Preußen.
SCHINKEL wurde am 13.03.1781 in Neuruppin als Sohn des Kirchen- und Schulinspektors JOHANN CUNO CHRISTOPH (gest. 1787) und seiner Frau DOROTHEA SCHINKEL (geb. ROSE, 1749–1800) geboren. Er war das zweite von fünf Kindern. Der Vater verstarb bereits 1787 infolge einer Lungenentzündung, die er sich beim Löschen einer Feuersbrunst in Neuruppin zugezogen hatte. Dieses Feuer vernichtete auch das Haus der Familie SCHINKEL. Im Jahr 1794 siedelten DOROTHEA SCHINKEL und drei ihrer Kinder (die älteste Tochter SOPHIE hatte geheiratet, die jüngste Tochter DOROTHEA war verstorben) nach Berlin um.
In Berlin besuchte SCHINKEL ab 1794 für vier Jahre lang das Gymnasium zum Grauen Kloster und begann dann eine Lehre bei dem Baumeister DAVID GILLY (1748–1808) und seinem Sohn, dem Architekten FRIEDRICH GILLY (1772–1800). Zwischen SCHINKEL und FRIEDRICH GILLY entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Unter anderem gründeten sie gemeinsam die Firma „Privatgesellschaft junger Architekten“.
Ab 1799 studierte SCHINKEL für drei Jahre an der neu gegründeten Bauakademie. Er schloss das Studium als Bester ab. In dieser Zeit traf ihn eine Reihe schwerer Schicksalsschläge: seine Mutter (08.03.1800) und sein Freund und Lehrer FRIEDRICH GILLY (03.08.1800) starben. Bereits 1797 war sein Bruder FRIEDRICH WILLHELM AUGUST gestorben.
In den Jahren nach dem Studium verdiente sich SCHINKEL seinen Lebensunterhalt vor allem durch Entwürfe im kunstgewerblichen Bereich (Geschirr u.a.) und für Bühnendekorationen.
Im Mai 1803 reiste er gemeinsam mit einem Studienfreund, GOTTFRIED STEINMEYER JR. (um 1780–nach 1851) zu Studienzwecken über Dresden, Prag, Wien und Triest nach Italien. Aufenthalte in Venedig, Rom, Unteritalien und Sizilien folgten, weitere in Rom und schließlich Genua. Die Reise führte sie anschließend nach Frankreich. 1805 kehrten sie über Paris nach Berlin zurück.
1809 heiratete SCHINKEL seine Frau, die Stettiner Kaufmannstochter SUSANNE BERGER, die er bereits 1806 auf einer Reise kennen gelernt hatte. Mit ihr hatte er drei Kinder. Diese seine Familie sollte für ihn immer wieder Rückzugsort und Ruhepol sein.
1810 wurde SCHINKEL in den preußischen Staatsdienst aufgenommen: im Mai erhielt er – durch die Vermittlung seines Mentors und Ministers für Kultus und Unterricht, WILHELM VON HUMBOLDT (1767–1835) – die Ernennung zum Oberbau-Assessor an der königlichen Oberbaudeputation und zum Akademie-Lehrer.
In den folgenden Jahren nahm SCHINKELs Karriere einen steilen Aufstieg. Er entwarf viel beachtete Innenausstattungen für den preußischen Hof, wirkte als Architekt, als Bühnendekorateur, als Städtebauer, als Kunstgewerbler und Denkmalsschützer. Folgerichtig erhielt er 1815 die Ernennung zum Oberbaurat und fünf Jahre darauf, 1820, die Berufung zum Professor an der Bauakademie.
Ab 1816 unternahm SCHINKEL im Rahmen seines beruflichen Amtes regelmäßige Inspektionsreisen in die hauptsächlich im Osten liegenden königlichen Gebiete.
1822 wurde er mit dem Bau des Alten Museums am Lustgarten in Berlin beauftragt: Anlass für zwei Studienreisen nach Italien (1824) sowie Frankreich und Großbritannien (1826).
1831 erhielt SCHINKEL die Ernennung zum Oberbaudirektor; damit wurde er der Leiter der Oberbaudeputation und war von nun an für die gesamte Bautätigkeit in Preußen verantwortlich, was immer wieder lange Dienstreisen erforderte. SCHINKELs Wirken in der Oberbaudeputation in Berlin ab 1810 war von maßgebendem Einfluss im ganzen preußischen Gebiet, wo nach seinen Plänen und Richtlinien gebaut („Schinkel-Schule“) und Denkmalpflege betrieben wurde.
(Im Stil der Schinkel-Schule wurde beispielsweise die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel in Berlin errichtet. 1866–1876 erbaute JOHANN HEINRICH STRACK, 1805–1880, nach den Entwürfen von FRIEDRICH AUGUST STÜLER, 1800–1865, das Museum, das ursprünglich als Festhalle dienen sollte. Die Alte Nationalgalerie, die im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war, wurde 2002 nach mehrjähriger Sanierung wieder eröffnet.)
Höhepunkt seiner Karriere war die Ernennung zum Oberlandesbaudirektor im Jahr 1838. Dieses Amt konnte er jedoch nicht mehr lange ausüben. Schon seit 1824 hatte er aufgrund seiner permanenten arbeitsmäßigen Überlastung mit starken gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, 1828 mit einem ersten physischen Zusammenbruch.
In den folgenden Jahren musste er regelmäßige Kuraufenthalte akzeptieren, trotzdem wurde sein Gesundheitszustand zunehmend schlechter. Am 10.09.1840 erlitt er schließlich einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 09.10.1841 verstarb.
Nicht unwesentlich für die künstlerische Entwicklung SCHINKELs dürfte seine Wahlheimat Berlin, die aufstrebende Stadt des preußischen Reiches, gewesen sein. Die ihr fehlende Kunsttradition wurde durch einen anregenden Pluralismus der künstlerischen Stile und die kollegiale Zusammenarbeit von Künstlern unterschiedlicher Gattungen aufgewogen.
Als Künstler versuchte SCHINKEL, seine eigenen Vorstellungen dem Geschmack der Zeit anzupassen. Er verehrte sowohl die mittelalterliche als auch die antike Kunst und pendelte zwischen romantischen und klassizistischen Phasen – Elemente, die sich diametral gegenüberstanden und die zu einer Einheit zu verschmelzen er stetig bemüht war.
SCHINKELs Frühwerk war zunächst geprägt von der romantischen Hinwendung zum Mittelalter. Neben Gemälden wie „Dom über einer Stadt“ (nach 1813; München, Neue Pinakothek) schuf er Dioramen und Panoramen sowie erste architektonische Entwürfe, u.a.
Aus Baugesinnung und Schönheitsideal der Antike, Anlehnung an nationale Traditionen und Überlegungen der Zweckmäßigkeit entwickelte SCHINKEL einen klassizistischen Stil, dem – neben einer Reihe von Wohn- und Landhäusern sowie Nutzbauten – einige der bedeutendsten Bauten des 19. Jahrhunderts in Deutschland zu verdanken sind – in Berlin:
Alle drei Bauten sind nach schweren Kriegsschäden wiederhergestellt worden. Dank SCHINKELs Ansicht, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei, hielt sich dieser preußische Klassizismus stets innerhalb humaner Grenzen und war nie nur Mittel zu reiner Machtdemonstration.
Städtebaulich ergriff SCHINKEL für einen organischen Wachstumsprozess bei den Städteprojekten Partei. Er warnte vor einem ungebremsten Städtewachstum, ohne sich dabei technischen Neuerungen zu verschließen.
Die verschiedenen Schaffensperioden SCHINKELs werden durch sein (unvollendetes) „Architektonisches Lehrbuch“ reflektiert, das erst posthum herausgegeben wurde. Danach durchlief der Künstler SCHINKEL offensichtlich vier grundlegende Perioden:
1803–1805 | romantische Periode |
1810–1818 | national-romantische Periode mit Begeisterung für altdeutsche Werte |
um 1825–1835 | klassizistische Periode mit klarer Formensprache |
ab 1835 | legitimistische Periode mit verstärkter Hinwendung zum Mittelalter und ersten Biedermeierelementen |
In diesem letzten Zeitraum entstanden u.a. ein Entwurf für das Königsschloss auf der Akropolis in Athen (1834) und ein Entwürfe für das Schloss Orianda auf der Krim (1838).
Der Architekt SCHINKEL zeichnete sich durch ein besonders komplexes Architekturverständnis aus. Mit seiner Architektur versuchte er, eine Brücke zwischen sowohl funktionalen und formalen, als auch sozialen und historischen Faktoren zu schlagen. Seine besondere Leistung lag in der Verbindung von Funktion und Ästhetik: seine Kombination von mittelalterlichen und griechischen Elemente hatte prägenden Einfluss auf die Moderne und nachfolgende Architektengenerationen.
Neben seinen architektonischen Leistungen machte SCHINKEL sich auch einen Namen auf vielen anderen Gebieten der Kunst. Seine Entwürfe für Handwerk und Gewerbe sollten zur „Veredlung des Geschmacks“ beitragen. Seit 1815 Leiter des Dekorationswesens der Hoftheater, entwarf SCHINKEL bis 1830 zahlreiche Bühnendekorationen, u.a. zu WOLFGANG AAMDEUS MOZARTs (1756–1791) „Zauberflöte“ (1816) und zu Werken von GASPARE SPONTINI (1774–1851.)
Dabei hatte SCHINKEL schon zu seinen Lebzeiten den Ruf, nicht nur ein künstlerisches Genie zu sein, sondern darüber hinaus und trotzdem ein pflichtbewusster, gewissenhafter, unbürokratischer Beamter und ein vom Wesen her bescheidener und lebensfroher, umgänglicher Mensch.
Architektonische Werke SCHINKELs sind u.a.:
Werke der Malerei SCHINKELs (Landschafts- und Architekturskizzen, Architekturzeichnungen, Aquarelle, Gemälde) sind u.a.:
Zu den von SCHINKEL entworfenen Bühnendekorationen gehörten u.a.:
Kunstgewerbliche Werke von SCHINKEL waren u. a. Möbel, Beleuchtungskörper, Fußböden, Balkongeländer, Bilderrahmen, Vasen, Geschirr, Stoffdekorationen ...
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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