- Lexikon
- Geografie
- 4 Gesellschaftsgeografische Grundlagen
- 4.5 Bergbau und Industrie
- 4.5.2 Industrie
- Strukturwandel in der Automobilindustrie – das Beispiel Eisenach
Mit der deutschen Wiedervereinigung vollzog sich in der Wirtschaft der neuen Bundesländer der Strukturwandel von der planwirtschaftlich-sozialistischen zur marktwirtschaftlich-kapitalistischen Volkswirtschaft. Das bedeutete u. a. für die vielen unproduktiv arbeitenden Betriebe das gänzliche Aus oder war zumindest mit einem erheblichen Abbau von Arbeitskräften verbunden.
Den Strukturwandel konnten also allein diejenigen Betriebe überleben, die die Voraussetzungen hatten bzw. die Chancen besaßen, zu modernen, konkurrenzfähigen Unternehmen heranzuwachsen.
Als Beispiel für die Automobilindustrie kann die Herstellung von Kraftwagen am Industriestandort Eisenach am Rande des Thüringer Waldes gelten.
Im Automobilwerk Eisenach wurden bereits seit 1896 Kraftfahrzeuge produziert, u. a. der legendäre Dixi, BMW-Fahrzeuge oder der Wartburg. Die Herstellung des zuletzt genannten PKW-Typs erfolgte ab 1955 im VEB Automobilwerk Eisenach und war der eigentliche Schwerpunkt dieses Standortes, der schon deshalb fast monostrukturierten Charakter besaß.
Im Vergleich zur Herstellung von PKW in den Altbundesländern sowie in anderen hoch entwickelten Industrieländern wurde der Wartburg aber zu teuer produziert und war u. a. deshalb auf den Absatzmärkten nicht mehr konkurrenzfähig. Deshalb wurde das Autowerk auch unmittelbar nach der Wende 1991 stillgelegt. Etwa 10000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz.
Aufgrund günstiger Standortfaktoren sollte Eisenach trotz größter Schwierigkeiten als Produktionsstandort erhalten bleiben.
Zu diesen Standortfaktoren gehörten:
Die Adam Opel AG entschied sich sehr bald für den Standort und errichtete auf der „grünen Wiese“ in der Hörsel-Aue bei Eisenach-Stedtfeld ein neues Opel-Montagewerk. Der Bau nimmt 300000 m² Fläche in Anspruch, wurde in nur 19 Monaten fertiggestellt und kostete damals rund ca. eine Mrd. DM. Produktionsstart war am 23. September 1992 mit dem Modell Opel Astra. Ein knappes Jahr später wurde zusätzlich mit der Herstellung des Opel Corsa begonnen.
Das Opel-Werk Eisenach ist eines der modernsten und produktivsten Automobilwerke Europas. Die 1900 Mitarbeiter schufen in kürzester Zeit eines der erfolgreichsten und produktivsten Automobilwerke in Europa. Wenn auch die Bedingungen keineswegs vergleichbar sind, so ist zumindest interessant, dass bei AWE genau zehn Jahre früher nur knapp zehn Autos pro Mitarbeiter hergestellt wurden.
Die Ursachen für die hochmoderne Produktion sind vielfältig:
Der Bau des neuen Opelwerkes und die Produktion gaben auch regionale Entwicklungsimpulse für die ganze Region Eisenach. Nach knapp 10-jähriger Produktion ist feststellbar:
Die Entscheidung der Opel AG für den Standort Eisenach übte Beispielwirkung im Hinblick auf die Ansiedlung weiterer Firmen aus. So investierten z. B. Bosch, BMW ebenfalls in diesen Standort. Als direkte Zulieferer für Opel siedelten sich darüber hinaus u. a. der amerikanische Sitzmöbelhersteller Lear Seating Corporation und die Mirec Getriebebau GmbH an. Die Neuansiedlung einheimischer Zulieferfirmen hielt sich dagegen in Grenzen.
Wenn auch das Eisenacher Opel-Werk heute mit ca. 1900 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Region ist, so ist der Beschäftigungseffekt aufgrund der neuen Produktionskonzepte doch relativ gering. Man rechnete mit weiteren tausenden Beschäftigten in unmittelbarer Nähe des Werkes sowie mit ca. 5000 Arbeitsplätzen in klein- und mittelständischen Unternehmen des Handels und Handwerks, die mittelbar in Verbindung mit Opel stehen.
Dazu kommt, dass das Eisenacher Werk ein reines Montagewerk mit einer geringen Fertigungstiefe ist. Die Endmontage ist genau genommen nur eine „verlängerte Werkbank“ mit allen strukturellen Nachteilen dieser Produktionsart.
Da im Werk weder Forschung noch Entwicklung vorhanden sind, fehlen außerdem die eigentlichen zukunfts- und wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätze. Die im Werk tätigen Fachkräfte üben in der Regel eine Beschäftigung mittlerer Qualifikation aus.
Insgesamt betrachtet hat die Investition von Opel entscheidend dazu beigetragen, dass der Industriestandort Eisenach erhalten blieb und sich kräftig weiterentwickelt hat. Allerdings erreichte der Grad der regionalen Integration bei der Ansiedlung neuer örtlicher Zulieferfirmen bisher nicht das erhoffte Ausmaß, und auch die hohe Arbeitslosenquote konnte nicht wesentlich gesenkt werden. Daher sind die Bedingungen für die umfassende industrielle Regeneration der Region Eisenach gegenwärtig nur in Ansätzen gegeben.
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