- Lexikon
- Geografie
- 7 Regionen
- 7.1 Die Erdteile und ihre Länder
- 7.1.2 Europa
- Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland
Zum Vereinigten Königreich gehören ferner 13 abhängige Territorien, die Dependent Territories, in nahezu allen Regionen der Erde. Sie sind Überbleibsel des ehemaligen britischen Kolonialreiches.
Großbritannien ist Mitglied der EU, gehört aber nicht der Eurozone an.
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland und Nachbarländer
Die Hauptinsel Großbritannien erstreckt sich über fast 1000 km von Norden nach Süden. Ihre deutlich geringere Ost-West-Ausdehnung übertrifft nur selten 500 km. Deshalb ist auch kein Landesteil mehr als 130 km von der Küste entfernt. Diese ist durch zahlreiche Buchten und Mündungstrichter der größeren Flüsse sowie im Norden durch Fjorde, die im Englischen Firth, aber wie die Seen auch Loch genannt werden, gegliedert. Der größte Landesteil England nimmt den mittleren, südlichen und östlichen Teil der Hauptinsel ein. Sein Relief ist vorwiegend eben bis hügelig.
Größere Höhen werden nur in den seenreichen Cumbrian Mountains an der Irischen See (979 m), im Penninischen Gebirge, dem Rückgrat der Insel (893 m), sowie in den Granitmassiven von Cornwall und Dartmoor (621 m) im äußersten Südwestzipfel der Insel erreicht.
Das Englische Tiefland im Süden und Südosten, ein aus jüngeren Schichten bestehendes Schichtstufenland, ist das eigentliche Kernland Englands.
Zwei große, von Südwesten nach Nordosten verlaufende Schichtstufenbögen gliedern das Tiefland. Beim längeren nördlichen handelt es sich um eine Jurakalkstufe. Der weiter südliche ist eine Kreideschichtstufe.
Ebenfalls aus Kreideschichten bestehen die südlich von London gelegenen flachen Höhenzüge. Sie treten besonders eindrucksvoll in den weißen Kliffs von Dover zutage, die die mit Kanalfähren anreisenden Besucher der Insel schon von Weitem beeindrucken. Der Landesteil Wales umfasst die breite westliche Halbinsel Großbritanniens und die Insel Anglesey.
Das eiszeitlich überformte Cambrische Gebirge trägt Mittelgebirgscharakter und wird vielfach von Hochplateaus umrahmt, die sehr oft mit steilen Klippen zum Meer hin abfallen. Eine Besonderheit des Gebirges sind die Steinkohlenflöze und die traditionellen Schiefersteinbrüche.
Bedingt durch die Insellage, hat Großbritannien ausgeprägt ozeanisches Klima mit milden Wintern und kühlen Sommern.
Unter dem Einfluss des Nordatlantischen Stroms, eines Ausläufers des Golfstroms, gliedern sich die Inseln in eine feuchtgemäßigte Westhälfte und eine trockenwarme Osthälfte. Die mittlere Julitemperatur in den westlichen Landesteilen beträgt 15 °C, in Ostengland 18 °C. Das Januarmittel liegt in beiden Regionen bei 4 °C. In Wales gibt es Regionen mit mehr als 4000 mm Niederschlag im Jahr; im trockeneren Osten sind es weniger als 600 mm (Bild 10). Die hohe Luftfeuchtigkeit ist besonders im Winter die Hauptursache der häufigen Nebelbildung. Typisch ist ein leichter Nebel, aus dem sich aber durch den Einfluss u. a. der hohen Luftverschmutzung lokal ein dichter Nebel entwickeln kann. Der Londoner Smog ist fast schon sprichwörtlich.
Klimadiagramme von Renfrew, Dundee, Plymouth und Cambridge
Die Vegetation des Landes gehört zur atlantischen Region des europäischen Laubwaldgebietes mit ausgedehnten Hoch- und Niedermooren. Unter- und oberhalb der natürlichen Waldgrenze zwischen 300 m und 600 m erstrecken sich Bergheiden, zu deren Ausbreitung der Mensch durch Waldvernichtung wesentlich beigetragen hat. Heute sind die Flächen der Heiden und Moore doppelt so groß wie die Waldflächen.
Für weite Teile der englischen Agrarlandschaft sind allerdings durch die Einhegungen in den vergangenen Jahrhunderten entstandene Heckenlandschaften sehr typisch.
Fläche: | 244 100 km² |
Einwohner: | 59,4 Mio. |
Bevölkerungsdichte: | 243 Einw./ km² |
Bevölkerungswachstum: | 0,3 %/Jahr |
Lebenserwartung: (Männer/Frauen) | 75/80 Jahre |
Staatsform: | Parlamentarische Erbmonarchie |
Hauptstadt: | London |
Sprachen: | Englisch (Amtssprache), Gälisch (in Schottland), Kymrisch (in Wales) |
Religionen: | Anglikaner (30 %), sonstige Protestanten (15 %), Katholiken (11 %) |
Klima: | feuchtgemäßigtes Seeklima mit milden Wintern, nach Norden hin zunehmend kühlen Sommern und nach Osten hin abnehmenden Niederschlägen |
Bodennutzung: | Ackerland 26 %, Weideland 39 %, Wald 10 % |
Wirtschaftssektoren: (Anteil am BIP) | Landwirtschaft 1 %, Industrie 26,6 %, Dienstleistungen 72,4 % |
Exportgüter: | Maschinen und Fahrzeuge, Metallwaren, chemische Erzeugnisse, mineralische Brennstoffe und elektronische Produkte |
Bruttoinlandsprodukt: | 1 794 878 Mio. US-$ (2003) |
Bruttosozialprodukt: | 28 320 US-$/Einw. (2003) |
Den größten Bevölkerungsteil bilden mit mehr als 80 % die Engländer, gefolgt von den Schotten mit knapp 10 %, den britischen Iren mit 4,2 % sowie den Walisern mit rd. 2 %. Der Anteil der seit Ende des Zweiten Weltkriegs aus den Ländern des Commonwealth Eingewanderten an der Gesamtbevölkerung beträgt fast 6 %. Die mit Abstand größte dieser ethnischen Minderheiten sind die mehr als 850000 Inder. Die meisten Angehörigen der ethnischen Minderheiten leben in den großen urbanen Verdichtungsräumen, insbesondere in London. Deshalb kommt es hier auch immer wieder zu rassistisch geprägten Auseinandersetzungen.
Die Bevölkerung ist außerordentlich ungleich verteilt.
Eine weitgehend verstädterte Zone mit sehr hoher Bevölkerungsdichte verläuft vom Raum London in nordwestlicher Richtung über Birmingham bis in den Raum Manchester/Liverpool an der Irischen See.
Im Land gibt es außerdem eine starke Binnenwanderung. So ist seit 1960 die Bevölkerung im Umland von London außerordentlich gewachsen. Ähnlich starke Wanderungsgewinne verzeichneten auch die Südküste bzw. Südwestengland. Hier liegen die bevorzugten Wohnstandorte vor allem älterer, wohlhabender Bevölkerungsgruppen.
Wales, Cornwall und die größten Teile Schottlands und Nordirlands sind dagegen sehr dünn besiedelt. Die größten Städte sind neben der Hauptstadt London die Millionenstadt Birmingham, Leeds, Glasgow, Sheffield, Bradford, Liverpool, Edinburgh, Manchester und Bristol.
Die anglikanische Kirche ist die Staatskirche in England. Katholiken leben vor allem in Nordirland und Schottland.
In Großbritannien und Nordirland besteht allgemeine Schulpflicht vom 5. bis zum 16. Lebensjahr. An die Primarschulen, die bis zum 11. Lebensjahr reichen, schließen sich die Sekundarschulen an. Es sind meist Gesamtschulen (Comprehensive Schools), die den überwiegenden Teil der Sekundarschüler erfassen und seit 1976 Regelschulen sind. Neben den staatlichen Schulen gibt es eine Reihe von Privatschulen, die Public Schools. Vor allem Eton, Harrow, Rugby, Winchester und Rodean haben großen Anteil an der Ausbildung von Führungskräften, ebenso wie die renommierten Universitäten von Oxford, Cambridge und Saint Andrews.
Großbritannien ist das älteste Industrieland. Die Industrialisierung setzte bereits im frühen 18. Jahrhundert ein. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Land zur führenden Industrienation der Welt. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Wirtschaft aber von mehreren Krisen heimgesucht, die Anfang der 90er Jahre ihren Höhepunkt erreichten. Seitdem wächst die Wirtschaft wieder (Bild 15).
Der Bergbau, insbesondere die Eisenerz- und Kohleförderung, hatte traditionell eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, die aber seit Jahren aus Rentabilitätsgründen und infolge der Erschöpfung der Vorkommen zurückgeht. Deshalb sind die alten schwerindustriellen Zentren in Mittelengland und Südwales heute Krisenregionen.
Da der Steinkohlenbergbau stark rückläufig ist, mussten in den letzten Jahrzehnten viele große, aber weltwirtschaftlich gesehen, unrentable Zechen schließen.
Von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist allerdings die 1975 in der Nordsee aufgenommene Förderung von Erdöl und Erdgas, mit der der Eigenbedarf des Landes gedeckt werden kann. Zusammen mit Norwegen ist Großbritannien die führende europäische Erdölnation.
In größerem Umfang werden in Großbritannien heute noch Bleierz, Steinsalz, Kaolin, Flussspat und Gips abgebaut. In der Industrie erlebten in den letzten Jahren die Metallverarbeitung, die chemische und petrochemische Industrie einen erheblichen Aufschwung. Zentren der Metallverarbeitung sind der Großraum London und die Regionen Leeds, Manchester und Sheffield in Mittelengland. Die chemische Industrie konzentriert sich dagegen an der Nordseeküste Englands und Schottlands.
Von überragender Bedeutung sind die Hightechbranchen der Industrie, mit denen Großbritannien weltweite Geltung erreicht hat. Zu ihnen gehören die Luft- und Raumfahrtindustrie und die Elektro- und Elektronikindustrie. Standorte dieser Wachstumsindustrien liegen heute in Nordengland, Nordwestengland und im Raum London. In Schottland haben sich in jüngster Zeit viele Betriebe aus dem Computer- und Softwarebereich angesiedelt, überwiegend Filialen großer amerikanischer Firmen.
Vereinigtes Königreich – Wirtschaft
Aufgrund der hohen Produktivität und des günstigen Klimas ist die britische Landwirtschaft in der Lage, rund 75 % des gesamten Nahrungsbedarfs des Landes selbst zu produzieren. Die voll technisierte Landwirtschaft gehört zu den leistungsfähigsten weltweit.
Zentren des Getreideanbaus sind die östlichen Teile Mittelenglands und Schottlands, Zuckerrüben werden vorwiegend in Ostengland und Lincolnshire angebaut.
In einem weiten Umkreis um London und um die anderen städtischen Zentren wird intensiver Gartenbau betrieben.
In den südenglischen Grafschaften überwiegen der Obst- und Gemüseanbau.
Drei Fünftel der Landwirtschaftsbetriebe befassen sich mit der Viehhaltung und der Milchwirtschaft. Gehalten werden vor allem Rinder und Schafe. Die Farmen sind zum größten Teil im feuchteren Westen angesiedelt.
Die 1985 erstmals aufgetretene Rinderseuche BSE gefährdet jedoch die Zukunft der Viehzüchter. Ihre Lage wurde durch den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche Anfang 2001 noch zusätzlich verschärft. So mussten in den letzten Jahren fast 6 Mio. Tiere, meistens Rinder, notgeschlachtet werden.
Die Fischereiwirtschaft ist vor allem an der Südwest- und an der Ostküste zwischen Humber und dem Morey Firth konzentriert. Aber auch an der Westküste gibt es Fischereihäfen. Die Fangmengen von Fisch der ehemals führenden Fischereination Großbritannien sind rückläufig.
Das britische Straßen- und Schienennetz ist äußerst dicht. Die Oberflächengestalt des Landes setzte einer verkehrsmäßigen Erschließung kaum Hindernisse. Im Königreich und in fast allen seinen ehemaligen Kolonien besteht Linksverkehr.
Der Londoner Flughafen Heathrow hat das höchste Passagieraufkommen aller europäischen Flughäfen. Ein weiterer bedeutender Knotenpunkt, vor allem des interkontinentalen Luftverkehrs mit Amerika, ist Gatwick.
Vom ausgedehnten Kanalnetz werden nur noch etwa 400 km gewerblich genutzt.
Die Handelsflotte der ehemals größten Weltseemacht ist immer noch bedeutend. In England und Wales gibt es rund 300 Seehäfen, u. a. die bedeutenden Häfen in London, Southampton, in Dover (für den Passagierverkehr über den Kanal), in Liverpool und Manchester sowie in Schottland Glasgow.
Zum europäischen Festland bestehen zahlreiche Fährverbindungen und seit 1994 der Eurotunnel.
London ist ein Hauptanziehungspunkt des internationalen Tourismus. Weitere ausgesprochene Fremdenverkehrsziele sind die alten Universitätsstädte Oxford und Cambridge, die Süd- und Südwestküste Englands, die schottische Seenregion sowie das Hochland.
Die Kanalinseln, englisch Channel Islands, französisch Îles Normandes bilden eine Gruppe von Inseln, Eilanden und Felsen vor der Küste Nordfrankreichs im Ärmelkanal. Zu Frankreich gehören nur die Roches Douvres und die Îles Chausey. Alle anderen Inseln unterstehen seit 1204 der britischen Krone und haben durch ein Ständeparlament vertretene Selbstverwaltung. Die größten Inseln sind Jersey und Guernsey.
Das vom Golfstrom beeinflusste milde Klima erlaubt auf den Inseln den Anbau von Gemüse-, Obst- und Blumen. Die einheimischen Rinderrassen liefern hohe Milcherträge. Eine wichtige Rolle spielt der Fremdenverkehr, der von den schönen Sandstränden und der guten Küche profitiert.
In den letzten 30 Jahren haben sich Jersey und Guernsey zu einem bedeutenden internationalen Finanzzentrum mit rund 100 Bankniederlassungen und mehr als 37000 Briefkastenfirmen entwickelt. Die Gründe dafür sind die Steuersätze, etwa bei der Einkommens- und Quellensteuer, die extrem niedrig sind und die Bildung großer Vermögen begünstigen.
Von Großbritannien ging im 18. und 19. Jahrhundert die industrielle Revolution aus. Als Vorreiter beim Übergang von der Manufaktur zur industriellen Produktion und als Herrscher über das Britische Empire, ein koloniales Weltreich, erlangte Großbritannien eine Führungsrolle in der Weltwirtschaft und -politik.
Günstige Voraussetzungen waren eine hohe Bevölkerungszahl, gute Verkehrsbedingungen, ausreichende Rohstoffe u. a. aus den Kolonien und ein leistungsfähiger Geldmarkt. Dazu kamen bahnbrechende Erfindungen auf dem technischen Gebiet:
1712 wurde die erste Dampfpumpmaschine zur Entwässerung in einer Steinkohlengrube eingesetzt.
1769 ließ sich JAMES WATT seine Dampfmaschine patentieren.
Die Umwälzung zur industriellen Massenproduktion erfolgte zuerst in der Textilbranche nach der Erfindung der Spinnmaschine und des mechanischen Webstuhls.
Die zweite Phase der industriellen Revolution vollzog sich dann in der Eisen- und Stahlproduktion. Die Eisenbahn gab dem ganzen Zeitalter und der Landschaft ein neues Gesicht.
Mit dem Fortschritt in der Produktion ging in Großbritannien die Verelendung großer Teile der Industriearbeiterschicht einher. Das Elend und die Ausbeutung vor allem der Frauen und Kinder, die in den Fabriken und Bergwerken tätig waren, war sprichwörtlich. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erkämpften sich in Gewerkschaften organisierte Arbeiter allerdings eine Verbesserung ihrer Lage.
Im 20. Jahrhundert, vor allem im Gefolge der beiden Weltkriege, entstanden auf der Welt neue Wirtschaftszentren, und das Britische Empire zerfiel Stück um Stück. Großbritannien musste deshalb seine wirtschaftliche Führungsrolle an neue Wirtschaftsmächte in Amerika und Asien abtreten.
Das war in den 80er und 90er Jahren mit wirtschaftlicher Rezession, Inflation und einem grundlegenden Strukturwandel in der Industrie verbunden.
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