Obwohl die UNO eine zunächst auf zwischenstaatlicher Zusammenarbeit basierende internationale Organisation ist, hatten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) seit jeher ein besonderes Verhältnis zu ihr.
Schon in ihrer Entstehungsphase während des Zweiten Weltkriegs entwickelten auch nichtstaatliche Organisationen wie die „Commission to Study the Organization of the Peace“ eigene Ideen und Vorstellungen für eine neue weltumfassende internationale Friedensorganisation. Auf der UN-Gründungskonferenz in San Francisco 1945 berieten dann beispielsweise allein 42 NGOs die Delegation der USA. Viele weitere waren als Beobachter anwesend.
Ein Resultat dieses Engagements war eine besondere Erwähnung der NGOs in der UN-Charta. Dort heißt es in Art. 71:
„Der Wirtschafts- und Sozialrat kann geeignete Abmachungen zwecks Konsultation mit nichtstaatlichen Organisationen treffen, die sich mit Angelegenheiten seiner Zuständigkeit befassen. Solche Abmachungen können mit internationalen Organisationen und, soweit angebracht, nach Konsultation des betreffenden Mitglieds der Vereinten Nationen auch mit nationalen Organisationen getroffen werden.“
Dieser Artikel ist bis heute die grundlegendste rechtliche Bestimmung für die Beziehungen der Weltorganisation zu NGOs.
Er enthält zudem einige erste Hinweise darauf, was man im Rahmen der UNO unter einer NGO versteht und in welcher Rolle man sie sieht.
Zuerst kann man festhalten, dass die Tätigkeitsfelder von NGOs vornehmlich in den Bereichen Wirtschaft und Soziales gesehen wurden. Im Laufe der Zeit differenzierte sich das dann auf Bereiche wie
aus.
Sodann fällt in Art. 71 die Bezeichnung „nichtstaatliche Organisationen“ anstelle der heute üblichen NGO auf. Auch wenn diese Benennung für die Mitte des 20. Jh. nicht untypisch war, wurde damit dennoch ihre Staatsferne besonders hervorgehoben. Entsprechend definierte der zuständige Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) NGOs zunächst als Organisationen, die nicht auf Grundlage von zwischenstaatlichen Abkommen entstanden waren.
1968 wurde diese Auslegung dann dahingehend erweitert, dass auch Gruppen berücksichtigt wurden, in denen von staatlichen Stellen bestimmte Mitglieder mitarbeiten. Allerdings sollte dadurch keinesfalls die unabhängige Meinungsbildung in der Organisation beeinträchtigt werden können. Weiterhin sollten NGOs nach dieser allgemeinen, 1996 weitgehend noch einmal bekräftigten Charakterisierung
Aus diesen Umschreibungen wie auch der ursprünglichen Benennung als „nichtstaatliche Organisationen“ und ihren vornehmlichen Tätigkeitsfeldern erschließt sich das wichtigste Motiv für die Bindung der NGOs an die UNO: durch sie sollen neben Staaten auch gesellschaftliche Kräfte in die Arbeit der Weltorganisation integriert werden und zu ihrer Entwicklung und konkreten Programmatik beitragen.
Ihre gesellschaftliche Funktion und eine dementsprechende Relevanz betont auch eine Definition von NGOs, wie sie auf einer deutschen Internetseite der UNO zu finden ist. Dort heißt es u. a.:
„Eine Nichtregierungsorganisation (NGO) ist eine nicht gewinnorientierte Organisation von Bürgern, die lokal, national oder international tätig sein kann. Auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet, versuchen NGOs, eine Vielzahl von Leistungen und humanitären Aufgaben wahrzunehmen, Bürgeranliegen bei Regierungen vorzubringen und die politische Landschaft zu beobachten.“
Weiter wird dann ihr auf konkrete Fragen bezogenes besonderes Sachwissen hervorgehoben, das auch im Rahmen einer zivilen Konfliktbearbeitung internationaler Krisen von der UNO genutzt werden sollte.
Doch welche konkreten Möglichkeiten der Beteiligung und Mitarbeit für NGOs gibt es in den Vereinten Nationen?
Besonders ausgeprägte institutionalisierte Mitwirkungsmöglichkeiten haben NGOs in der UNO heute hauptsächlich auf zwei Ebenen:
Voraussetzung dafür sind jeweils die Übereinstimmung mit Zielen und Grundsätzen der UNO sowie ein diesbezüglicher Beitrag durch einen spezifischen Arbeitsschwerpunkt einzelner NGOs.
Im oben zitierten Art. 71 der UN-Charta wird, wie wir sahen, der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) als für die nichtstaatlichen Organisationen zuständiges Organ der Weltorganisation genannt.
Diese können konkret einen so genannten Konsultativstatus beim ECOSOC erhalten. Er begründet allerdings keine offizielle UN-Mitgliedschaft (konsultativ = beratend) und kennt drei mit unterschiedlichen Beteiligungsrechten verbundene Formen:
Neben den erwähnten Rechten haben alle NGOs mit Konsultativstatus auch die Möglichkeit der Verbreitung von Stellungnahmen im Rahmen der UNO. Die auf dem Papier bestehenden oben genannten Auswahlkriterien für die Zuerkennung eines Status werden allerdings nicht immer eingehalten. So hat Greenpeace zwar den Allgemeinen Status, ist aber kaum in allen Arbeitsbereichen des ECOSOC tätig, sondern vorwiegend im Bereich Umwelt. Wichtiger sind daher in der Praxis die unterschiedlichen Mitwirkungsrechte, die mit dem jeweiligen Status verbunden sin.
Die derzeit gültige Rechtsgrundlage für die Anerkennung des Konsultativstatus ist die ECOSOC-Resolution 1996/31 aus dem Jahre 1996. Insgesamt haben gegenwärtig mehr als 3 000 NGOs einen Konsultativstatus.
Neben dieser Form der Beteiligung im ECOSOC sind heute über 1 650 NGOs mit der UNO-Hauptabteilung Presse und Information (DPI) assoziiert. Dabei werden vor allem solche NGOs berücksichtigt, die einen starken Arbeitsschwerpunkt in der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit haben. Auch bei dieser Form der Zusammenarbeit mit der UNO geht es wesentlich um die Förderung gemeinsamer Anliegen; der konkrete Schwerpunkt liegt hier auf dem der gegenseitigen Information und dem des gegenseitigen Austauschs, wovon auch weitere Interessierte, z. B. durch Veröffentlichungen im Rahmen der UNO, profitieren können sollen.
NGOs verpflichten sich, das DPI regelmäßig über ihre Arbeit zu informieren sowie ihre Ideen und Programme aktiv einzubringen und können ihr spezifisches Sachwissen zur allgemeinen Verfügung stellen. Zudem sollen sie Informationen über die UNO unter ihren Mitgliedern verbreiten.
Die konkrete Verbindung zwischen einzelnen NGOs und dem DPI wird vor allem durch einen speziellen NGO-Ausschuss des DPI gewährleistet. Dieser koordiniert die Zusammenarbeit z. B. durch:
Teilweise ähnliche, jedoch unterschiedlich starke Beziehungen pflegen auch einzelne UN-Sonder- und Unterorganisationen wie etwa
zu verschiedenen NGOs.
Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit der UN-Sonderorganisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur UNESCO mit ihnen. Nach ihrer Verfassung kann sie NGOs bitten, einzelne ihrer Aufgaben zu übernehmen. Sie nehmen daher heute wesentliche Funktionen bei der Verwirklichung der Ziele der Organisation wahr und sind aus ihrem Gesamtzusammenhang kaum mehr wegzudenken. Entsprechend können assoziierte NGOs auch an der Arbeit der Beratungsausschüsse der UNESCO-Generalversammlung (GV) teilnehmen und werden obligatorisch als Beobachter zu Plenarsitzungen der GV geladen.
Insgesamt gibt es unterschiedliche praktische Kooperationsformen der UNESCO mit NGOs in der Koordination, Beratung, Planung und Umsetzung gemeinsamer Ziele und Anliegen in Projekten, Kampagnen etc.
Neben diesen formalisierten Arten der Zusammenarbeit nehmen NGOs noch auf andere Weise Anteil an den Aktivitäten der Vereinten Nationen, so im Zusammenhang mit den oft mit großem öffentlichen Interesse bedachten Weltkonferenzen, die die UNO z. B. zu globalen Problemen wie
veranstaltet.
Einerseits agieren NGOs im Sinne ihrer Anliegen durch öffentlichkeitswirksame Aktionen oder durch die Publikation von Informationsmaterialien vielfach am Rande solcher Konferenzen. Des Weiteren wird einigen von ihnen aber auch immer häufiger eine Teilnahme an ihren Sitzungen und Beratungen zugestanden. Geschätzt wird auch dabei ihr profundes Sachwissen.
Weiterhin beteiligen sich NGOs oftmals an einzelnen Kampagnen der UNO. Auch hier werden sie immer häufiger von vornherein als wichtige Partner akzeptiert und begrüßt.
Ein Beispiel dafür ist die 1999 von der UN-Generalversammlung für die Jahre 2001–2010 ausgerufene Dekade für eine „Kultur des Friedens“. Sie zielte vornehmlich auf gesellschaftliche und individuelle Einstellungen und Werte. Frieden sollte im Alltag
gefördert und zivilgesellschaftlich verankert werden. Zur Umsetzung dieser allgemeinen Ziele sollten staatliche Akteure, lokale Behörden und NGOs Ideen, Programme und konkrete Projekte, wie Friedenswerkstätten, Seminare oder Ausstellungen „vor Ort“ initiieren. Gleichzeitig wurden ein weltweiter Austausch und eine internationale Koordination der Akteure über moderne Kommunikationsmedien (z. B. Internetplattformen) angestrebt. Die zentrale Federführung hatten dabei UNESCO und UNICEF, die auch Fördermittel für einzelne Projekte verteilen.
NGOs wurden als wesentliches Rückgrat dieser Kampagne angesprochen, und sollten das für diesen Ansatz entscheidende zivilgesellschaftliche Verbindungsglied zum Alltagsleben der Menschen vor Ort sein. Auch wenn man sich von dieser Dekade anfänglich wohl mehr versprochen hatte, als dann schließlich umgesetzt wurde, hat sie doch besonders in ärmeren Entwicklungsländern viele kleine Projekte und andere Aktivitäten angestoßen und gefördert, die es ansonsten wohl nicht gegeben hätte.
Doch welche Rolle können NGOs neben solchen konkreten Ansätzen angesichts neuer Herausforderungen und Aufgaben in einer globalisierten und enger zusammenrückenden Welt sowie angesichts immer undurchschaubarer werdender Entscheidungsstrukturen und Verantwortlichkeiten zukünftig allgemein spielen?
Diese Frage ist auch Bestandteil der Diskussion um eine Reform der UNO. Vielfach wird dabei zunächst die Bedeutung der NGOs als Vertreter der Interessen nationaler Gesellschaften und einer weltweiten transnationalen Zivilgesellschaft mehr noch als früher betont.
Das aber zieht unweigerlich Fragen hinsichtlich einer zukünftigen Stellung der NGOs innerhalb der Vereinten Nationen nach sich. Welche Position sollen sie im Verhältnis zu Staaten und ihren Regierungen einnehmen? Kann und soll ihre institutionelle Verankerung vertieft werden?
Schon seit 1997 beschäftigt sich zudem auch eine Arbeitsgruppe der UN-Generalversammlung mit der Frage der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der NGOs auf allen Ebenen der Weltorganisation.
Auf Anregung des ehemaligen UN-Generalsekretärs KOFI ANNAN machte der nach einem ehemaligen brasilianischen Präsidenten benannte Cardoso-Report 2004 Vorschläge für intensivere Beziehungen zwischen den Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft, so
Aber auch nach einem etwas modifizierten nachfolgenden Bericht KOFI ANNANS 2004 gab es bisher bei diesen Themen kaum konkrete Ergebnisse.
Es gibt es viele weitere formelle und informelle Ansätze und Überlegungen, wie die internationale Zivilgesellschaft, vertreten durch NGOs, in die Arbeit der Vereinten Nationen eingebunden werden könnte. Auch Global-Governance-Konzepte stehen für einen solchen Ansatz.
Man sollte sich aber keine Illusionen machen. Die UNO ist letztlich vor allem eine zwischenstaatliche Organisation. Substanzielle institutionelle Veränderungen hinsichtlich einer Stärkung nichtstaatlicher Organisationen sind hier nur schwer möglich.
Eine Stärkung des internationalen Gewichts der NGOs wird so wahrscheinlich eher über konkrete Schritte wie ihr Auftreten auf internationalen Konferenzen oder in Kampagnen wie der der oben genannten Dekade einer „Kultur des Friedens“ zu erzielen sein. Auch in einzelnen Unter- und Sonderorganisationen könnten sie vielleicht weitere Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten erhalten, wie sie heute schon in der UNESCO bestehen.
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