Eine Definition des Begriffs Nichtregierungsorganisation (meistens nach der englischen Übersetzung „Non Governmental Organization“ auch als NGO abgekürzt) scheint auf den ersten Blick sehr einfach zu sein. Nimmt man ihn wörtlich, dann können damit alle jene Gruppen gemeint sein, die in keiner Beziehung zu irgendeiner Regierung stehen. Häufig denkt man dann zunächst an Vereinigungen wie Greenpeace, amnesty international oder manchmal auch das Internationale Rote Kreuz.
Auf den zweiten Blick sieht man aber, dass sich hinter dem Begriff ein sehr schillerndes und vielfältiges Phänomen verbirgt, für das es bis heute keine einheitliche Definition gibt.
Eine sehr weite Auslegung dessen, was mit einer NGO gemeint ist, existiert etwa im Rahmen der UNO. Bei ihrem Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) haben auch Organisationen und Zusammenschlüsse wie
einen Konsultativstatus als nichtstaatliche Organisation.
Eine derart allgemeine Begriffsdefinition bleibt aber letztlich unbefriedigend. Denn aus ihr erschließt sich zunächst kaum die nationale wie internationale Relevanz von NGOs, die in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Das wiederum hängt vor allem mit der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung von NGOs zusammen. Viele international tätige NGOs verstehen sich dementsprechend häufig auch als Akteure einer internationalen Zivilgesellschaft, zu der auch Gewerkschaften, Unternehmen, Religionsgemeinschaften oder Forschungsinstitute gezählt werden.
Das führt zu einer weiterführenden Definition von NGOs, die sich auf mehr als ihre bloße Regierungsunabhängigkeit stützt.
Danach arbeiten NGOs im gesellschaftlichen Bereich und engagieren sich
Vornehmlich am wirtschaftlichen Profit orientierte internationale Vereinigungen wie etwa multinationale Konzerne sollte man also nicht zu den NGOs zählen. (Sie werden in der Wissenschaft manchmal auch BINGO, Business International NGO genannt.)
Des Weiteren werden für die Charakterisierung von NGOs oft noch folgende Kriterien angegeben:
Mit den beiden letzten Punkten grenzt man sie auch gegen Neue Soziale Bewegungen wie die Friedens- oder Umweltbewegung ab, aus denen viele jüngere NGOs zwar hervorgingen und mit denen sie bis heute manchmal enge Kontakte pflegen, über deren eher lockeren Bewegungscharakter sie aber organisatorisch hinausgehen.
Meistens orientieren NGOs auf einen Themenkomplex hin. Typische Politikfelder von NGOs und darin tätige Organisationen sind z. B.:
Viele NGOs arbeiten heute international. Sie haben, wie etwa amnesty international, Sektionen oder Gruppen in mehreren Ländern und verfolgen grenzüberschreitende Ziele. Auch ihre Finanzierung und das Personal zentraler internationaler Einrichtungen sollten aus mindestens drei Ländern kommen. Häufig werden sie auch INGO (International Non Governmental Organisations) genannt. Man sollte aber aufpassen, denn diese Unterscheidung wird nicht immer vollzogen. So wird heute häufig NGO gesagt, wenn man eigentlich INGO meint. (So soll es auch hier gehalten werden.)
Die Arbeitsweise von NGOs erklärt sich nun wesentlich
Allgemein bewegen sie sich dabei zwischen öffentlichem Straßenprotest und Lobbyarbeit bei politischen Entscheidungsträgern. Im Einzelnen kann man vor allem zwischen folgenden Formen ihres Engagements unterscheiden:
Typische öffentlichkeitswirksame Handlungsweisen von NGOs sind z. B.:
Zur Wirkung von NGOs zählt aber nicht nur ihre teilweise hohe politische und gesellschaftliche Anerkennung. Oftmals sensibilisieren sie die Öffentlichkeit auch erst für bis dahin kaum bekannte Probleme. Auf das Schicksal von Asylsuchenden z. B., die an Flughäfen häufig lange Zeit unter sehr fragwürdigen, für Normalbürger kaum einsehbaren Bedingungen leben müssen, wurde durch Aktionen im Umfeld dieser Flughäfen, bei denen man auch eine Störung ihres Betriebes in Kauf nahm, aufmerksam gemacht.
Ähnliche Wirkungen erzielen NGOs oftmals auch auf internationaler Ebene und hinsichtlich grenzüberschreitender Probleme und Missstände. Wer erinnert sich nicht an spektakuläre Aktionen der weltweit tätigen Umweltschutzgruppe Greenpeace, z. B. an die Besetzung der alten Ölbohrinseln Brent Spar, die der multinationale Ölkonzern Shell mit erheblichen Folgen für die Umwelt 1995 im Meer versenken wollte. Durch die Aktion und durch die dadurch möglich gewordene Mobilisierung einer breiten internationalen Öffentlichkeit, die auch zu Geschäftseinbußen bei Shell führte, konnte die Versenkung der Plattform verhindert werden. NGOs haben häufig also sehr durchschlagende Erfolge.
Das wirft nicht selten Fragen über die demokratische Legitimation von NGOs auf. Denn obwohl sie nicht aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sind oder sich auf das Mandat einer demokratisch legitimierten Institution berufen können, haben ihre Aktionen manchmal erhebliche politische oder gesellschaftliche Auswirkungen. Sollte man ihnen also vor dem Hintergrund ihrer fehlenden Legitimation überhaupt nachgeben?
Die Gegenfrage muss dann allerdings auch gestellt werden: Bedarf es einer solch formellen Legitimation überhaupt? Denn gerade, weil sie nicht aus demokratischen Wahlen hervorgingen, haben sie ja auch keine mit demokratisch gewählten Organen vergleichbaren Rechte und Entscheidungsbefugnisse. Ihre Rolle ist eben vor allem die der öffentlichen Vertretung einiger besonderer oder auch von Gemeinwohlinteressen. Wenn sie dabei auch andere Inhalte repräsentieren, so ist diese Funktion der NGOs mit denen von Wirtschaftsverbänden vergleichbar, bei deren Lobbyarbeit auch keine Fragen hinsichtlich ihrer demokratischen Legitimation gestellt werden.
Man könnte es daher auch so sehen: Wenn es NGOs nicht gelingt, eine breite demokratische Öffentlichkeit zu überzeugen, gehen Aktionen und Kampagnen ins Leere und bewirken kaum etwas.
Die hier angeschnittene Problematik lenkt den Blick aber noch auf eine andere, vor allem im Zusammenhang mit Prozessen der Globalisierung auftauchende Problematik. Denn immer häufiger werden wichtige Entscheidungen im eher undurchschaubaren und demokratisch nicht rückgekoppelten Geflecht der internationalen Beziehungen und entsprechend weniger im demokratisch legitimierten, national begrenzten Rahmen getroffen. Politische Prozesse entfernen sich immer mehr aus dem Gesichtsfeld der Bürger. Insgesamt wird dadurch die demokratische Kontrolle wichtiger Entscheidungsprozesse manchmal sehr fraglich, was nicht nur Globalisierungskritiker bemängeln, sondern vielfach auch zu neuen Überlegungen hinsichtlich der Regelung internationaler Abläufe führt.
Im Kontext dieser Problematik stehen daher auch Konzepte einer Global Governance. Diese kann man sich hilfsweise als ein internationales Regieren ohne Weltregierung vorstellen. Allgemein geht es um den Ansatz einer Ordnungspolitik (= governance) durch die Entwicklung von informellen Regelungssystemen im Geflecht der internationalen Beziehungen und der hier stattfindenden Prozesse und Entscheidungen. Dabei wird unterschiedlichen Akteuren eine unterschiedliche Rolle zugeschrieben.
Neben Staaten, internationalen und supranationalen Organisationen bzw. Institutionen oder mächtigen wirtschaftlichen Akteuren haben auch NGOs in diesem Modell eine wichtige Funktion: sie werden als ein zivilgesellschaftliches Gegengewicht zu ökonomischen und politischen Machtträgern einerseits und manchmal schwerfälligen oder machtlosen nationalstaatlichen Institutionen andererseits gesehen.
Denn durch ihre Arbeit als Ankläger bei sozial, ökonomisch oder ökologisch problematischen internationalen Entwicklungen können NGOs zumindest auf einige Missstände aufmerksam und spezifische gesellschaftliche Interessen geltend machen. Das kann dann, so die Idee, als ein vermittelter, wenn auch begrenzter gesellschaftlicher Einfluss auf wichtige Entscheidungen und Prozesse gewertet werden. Man kann es sich gleichsam als eine nicht formalisierte Variante demokratischer checks and balances auf internationaler Ebene vorstellen, die womöglich gar zur Legitimation von Entscheidungen beitragen könnte.
Eine institutionalisierte Einflussnahme von NGOs, wie sie manchmal im Rahmen einer Reform der UNO diskutiert wird, erscheint aber auch für die Zukunft eher unwahrscheinlich. Das mag nicht nur am Widerstand von staatlichen oder wirtschaftlichen Machtträgern liegen. Man sollte in diesem Zusammenhang auch bedenken, dass die heutige Wirkung der NGOs ja gerade aus ihrem unabhängigen, informellen und gesellschaftlichem Charakter entspringt.
Auch wenn man also ihre Bedeutung und ihren Einfluss nicht überhöhen sollte, machen NGOs schon heute vielfach Entscheidungen und politische Prozesse öffentlich und transparenter und sorgen so für eine – wenn auch begrenzte – Möglichkeit von Einfluss und Partizipation.
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