Weimarer Klassik

Klassik

Klassik ist die Bezeichnung für kanonbildende geistesgeschichtliche Epochen der Menschheitsgeschichte. Sie werden als vorbildhaft und anstrebenswert, als Blütezeit einer Nationalliteratur bzw. -kunst anerkannt.

Klassische Epochen

Erste klassische Epochen der Menschheitsgeschichte waren die

  • griechische Antike und
  • römische Antike.
  • Auch die italienische Renaissance bezog sich auf die Antike.

In diesem Sinne begreift man

  • die Zeit DANTE ALIGHIERIs, GIOVANNI BOCCACCIOs und TORQUATO TASSOs als italienische Klassik,
  • das Wirken PEDRO CALDERÓN DE LA BARCAs und MIGUEL DE CERVANTES SAAVEDRAs im Siglo de Oro (1500–1680) als spanische Klassik und
  • das Elisabethanische Zeitalter (WILLIAM SHAKESPEARE) in Großbritannien als englische Klassik.
  • Französische Klassik: in Frankreich ist die Klassik während der Regierungszeit LUDWIGs XIV. (1634–1715) besonders ausgeprägt (PIERRE CORNEILLE, 1606–1684, JEAN RACINE, 1639–1699).
  • Die russische Klassik ist eng mit dem Wirken ALEXANDER PUSCHKINs (1799–1837) verbunden.

Deutsche Klassik

In Deutschland begreift man als Klassik jene Zeit nach dem Sturm und Drang, die eng mit dem Wirken JOHANN WOLFGANG GOETHEs und FRIEDRICH SCHILLERs verbunden ist. Die deutsche Klassik wird nach dem Wirkungsort dieser beiden Klassiker Weimarer Klassik genannt.

Politisch umgreift die deutsche Klassik die Zeit

  • kurz vor,
  • während und
  • kurz nach

der französischen Revolution (1789–1795) sowie die geschichtliche Person NAPOLEON BONAPARTEs.

Geisteshaltung der deutschen Klassik

Die Geisteshaltung der deutschen Klassik schloss die politische Gedankenwelt (ein politisches Engagement) jedoch aus.
Parallel zur Weimarer Klassik (1786–1805) entstand in Deutschland auch die Romantik.

Die oben geschilderte Einteilung der Klassik wird international kaum so gesehen. In England gelten GOETHE und SCHILLER beispielsweise als Autoren der Romantik. Und auch GOETHE selbst sah sich weniger als klassischer Autor. In „Literarischer Sansculottismus“ schreibt er:

„Wenn er in der Geschichte seiner Nation große Begebenheiten und ihre Folgen in einer glücklichen und bedeutenden Einheit vorfindet; wenn er in den Gesinnungen seiner Landsleute Größe, in ihren Empfindungen Tiefe und ihren Handlungen Stärke und Konsequenz nicht vermisst; ... wenn er seine Nation auf einem hohen Grade der Kultur findet, so dass ihm seine eigene Bildung leicht wird; wenn er viele Materialien gesammelt, vollkommene oder unvollkommene Versuche seiner Vorgänger vor sich sieht und so viel äußere und innere Umstände zusammentreffen, dass er kein schweres Lehrgeld zu zahlen braucht, dass er in den besten Jahren seines Lebens ein großes Werk übersehen, zu ordnen und in einem Sinne auszuführen fähig ist.“
(vgl. PDF "Johann Wolfgang Goethe - Literarischer Sansculottismus")

Weimarer Klassik

Weimarer Klassik ist eng mit dem gemeinsamen Schaffen JOHANN WOLFGANG GOETHEs und FRIEDRICH SCHILLERs in Weimar verbunden.
Sie beginnt mit GOETHEs Italienreise (1786–1788) und SCHILLERs Übersiedlung nach Weimar im Jahre 1787. Die Weimarer Klassik endet mit SCHILLERs Tod (1805).

Musenhof

Um 1770 genoss der „Musenhof“ der Herzogin ANNA AMALIA (1739–1807) in Weimar als Begegnungsstätte zwischen Bürgertum und Adel bereits ein hohes Ansehen. CHRISTOPH MARTIN WIELAND war ab 1772 als Erzieher des 15-jährigen Prinzen KARL AUGUST (1757–1828) in der Stadt. Das Ideal einer Fürstenerziehung fand seinen Niederschlag im aufgeklärten Herzog. Der hatte keine Berührungsängste mit dem Bürgertum, als er den einstigen Stürmer und Dränger JOHANN WOLFGANG (VON) GOETHE (1749–1832) im Jahr 1776 als Geheimen Legationsrat im „Geheimen Conceil“ Regierungsverantwortung übertrug. KARL LUDWIG VON KNEBEL, JOHANN CHRISTIAN BERTUCH und JOHANN KARL AUGUST MUSÄUS wirkten bereits in der Residenzstadt des Landes Sachsen-Weimar. Auf GOETHEs Veranlassung kam JOHANN GOTTFRIED HERDER 1776 nach Weimar.

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GOETHEs Regierungsverpflichtungen wuchsen ständig: 1779 wurde er Geheimer Rat, 1782 Leiter der Finanzkammer, außerdem hatte er die Oberaufsicht über den Ilmenauer Bergbau. Auch literarisch war er sehr schöpferisch: Aus seiner Beschäftigung mit dem Bergbau heraus entstand 1790 der „Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“. Das Drama „Stella“ (1776) erwuchs aus der Reflexion seiner Beziehung zu ANNA ELISABETH (LILI) SCHÖNEMANN (1758–1817). Die Prosafassung von „Iphigenie auf Tauris“ (1779) nähert sich dem antiken Humanitätsideal bereits an.

Egmont

In „Egmont“ (1788; siehe PDF "Johann Wolfgang Goethe - Egmont") griff GOETHE um zweiten Mal (nach „Götz von Berlichingen“) ein historisches Sujet auf: den Befreiungskrieg in den Niederlanden Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. GOETHE wich in seinem Drama von den tatsächlichen Ereignissen in den Niederlanden ab. Aus dem alten, verheirateten Grafen EGMONT VON GAURE (1522–1568) machte er einen jugendlichen und ungebundenen Helden, der historisch sehr bedacht handelnde EGMONT erscheint bei GOETHE als ungestümer Hitzkopf.

Der Schauplatz des Dramas ist Brüssel. Unter der Herrschaft der Regentin Margarete von Parma haben Unterdrückung, Steuern und Religionskämpfe in den Niederlanden zu einer instabilen Situation geführt. Graf Egmont, unter der Bevölkerung sehr beliebt, versucht gemeinsam mit Wilhelm von Oranien die Sorgen des Volkes zu erläutern, sie kehren jedoch ohne Erfolg zurück. Um für Ruhe zu sorgen, wird Herzog Alba mit seiner Armee nach Brüssel gesandt. Oranien ahnt einen Hinterhalt, er warnt Egmont vergeblich, sich in die Hände des Herzogs zu begeben. Egmont vertraut auf seine Stellung bei Hofe und seine bisher erwiesene Treue und nimmt Albas Einladung zu einer Ratssitzung an. Alba hat nun wirklich die Order, alle niederländischen Führer hinzurichten, und setzt diese Vorgabe auch skrupellos durch. Egmont redet sich selbst im Gespräch mit Alba durch Ehrlichkeit und Offenheit um Kopf und Kragen, wird gefangengesetzt, verurteilt und hingerichtet.

„Torquato Tasso“ (1789) behandelt die Künstlerexistenz im sozialen Gefüge der menschlichen Gesellschaft. Um seinen Verpflichtungen zu entfliehen, unternahm GOETHE eine Reise nach Italien (1786–1793). Der Eindruck antiker Formenwelt prägte sich tief in ihn ein.

Der Weimarische Rat SCHILLER

1784 war FRIEDRICH (VON) SCHILLER (1802 wurde SCHILLER geadelt) von Herzog KARL AUGUST von Sachsen-Weimar zum „Weimarischen Rat“ bestimmt worden. 1787 kam er in der Residenzstadt an, auch um sich an den „drei Weimarischen Riesen“ WIELAND, GOETHE und HERDER messen zu lassen. Er widmete sich zunächst seinen geschichtlichen Studien, eines reinen Broterwerbs, um seinen Bekanntheitsgrad zu vergrößern. Seine Werke „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung“ (1788) und „Geschichte des dreißigjährigen Krieges vom Prager Fenstersturz bis zum Westfälischen Frieden“ (1790–1792) waren das Ergebnis dieser Arbeit. 1789 ernannte man SCHILLER auf Initiative GOETHEs hin zum außerordentlichen Professor der Geschichte und Philosophie in Jena. Seine Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ wurde außerordentlich erfolgreich aufgenommen.1794 begründete SCHILLER seine literarische Zeitschrift „Die Horen“, an der auch GOETHE mitarbeitete. Durch die Zusammenarbeit wurde ihre Freundschaft begründet.

Das Treffen GOETHEs und SCHILLERs in Jena

Am 21. Juli 1794 trafen sich GOETHE und SCHILLER in Jena. Zwischen beiden fand sich

„eine unerwartete Übereinstimmung, die um so interessanter war, weil sie wirklich aus der größten Verschiedenheit der Gesichtspunkte hervorging. Ein jeder konnte dem anderen etwas geben, was ihm fehlte, und etwas dafür empfangen“,
(siehe PDF "Briefe von Friedrich Schiller an Gottfried Körner")

schrieb SCHILLER am 1. September 1794 an seinen Freund KÖRNER.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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