- Lexikon
- Deutsch Abitur
- 4 Literaturgeschichte
- 4.7 Literatur des 18. Jahrhunderts
- 4.7.5 Romantik
- Christian Dietrich Grabbe
CHRISTIAN DIETRICH GRABBE wurde am 11. Dezember 1801 im kleinen Fürstentum Lippe-Detmold als einziger Sohn des Detmolder Zuchtmeisters, des Zuchthausaufsehers, geboren. Seine Mutter war Analphabetin, sein Vater hatte sich aus einfachsten Verhältnissen auf die unterste Stufe des feudalen Beamtenapparates hinaufgearbeitet.
Kindheit und Jugend: Der Junge wuchs auf dem Gefängnishof auf, das war eine entscheidende und schwierige Prägung. Das Amt seines Vaters hing ihm zeitlebens wie eine Schande an und diente ihm zur Bildung seiner eigenen Legende. Ohnehin war er ein Außenseiter, linkisch und äußerlich unansehnlich. Auch sein Charakter war äußerst unausgeglichen. Er war sehr menschenscheu und depressiv, andererseits reagierte er oft mit Anmaßung und Selbstüberschätzung. In der Schule galt er als kluger, begabter Junge, war wissbegierig und lesehungrig. Er besuchte die Bürgerschule und ab 1812 das Gymnasium. Bereits auf dem Gymnasium begann er sich schriftstellerisch zu betätigen. Sein erstes Drama schickte er mit 16 Jahren an den Leipziger Verleger GÖSCHEN, der es allerdings ablehnte. Auch seine Leidenschaft für SHAKESPEARE, seine literarische Leitfigur, war zu diesem Zeitpunkt bereits erwacht. 1820 ging er an die Leipziger Universität. Er schrieb sich nicht für Theologie ein, wie sein Vater es wünschte, sondern für Rechtswissenschaft. Zunächst ein eifriger Student, ließ er bald keine Gelegenheit aus, das Theater zu besuchen. Die Leipziger Studentenzeit empfand er als Demütigung im Kreise der sozial bessergestellten Kommilitonen. 1822 ging er nach Berlin und immatrikulierte sich an der dortigen Universität. In der offenen Atmosphäre der aufstrebenden preußischen Hauptstadt widmete er sich allerdings kaum noch dem Studium. Vielmehr stieß er zu einem Kreis von Studenten und Dichtern, dem neben den späteren Unterhaltungsautoren FRIEDRICH VON UECHTRITZ und KARL KÖCHY auch HEINRICH HEINE angehörte. Er bekam Kontakt zur geistigen Welt Berlins, lernte unter anderem den Herausgeber der Zeitschrift „Der Gesellschafter“ FRIEDRICH WILHELM GUBITZ sowie RAHEL und KARL AUGUST VARNHAGEN VAN ENSE und ihren literarischen Salon kennen. Im studentischen Freundeskreis las man zusammen wichtige literarische Werke, vor allem die der Romantiker, trug sich gegenseitig die eigenen dichterischen Erzeugnisse vor und pflegte ausschweifende Geselligkeit. Die Alkoholexzesse seiner Leipziger Zeit setzten sich fort. Von GRABBE ist aus dieser Zeit das Bild des hungernden und saufenden Genies überliefert, des Bohemiens, der sich über die bürgerlichen Lebensnormen hinwegsetzt.
Er arbeitete seit 1819 an dem Drama „Herzog Theodor von Gothland“ und seit 1822 an der Satire „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ und vertiefte sich in die Werke des englischen Romantikers GEORGE GORDON NOEL LORD BYRON, dessen Weltschmerzgefühl ihm nahe war. Der sensible GRABBE hielt dem Druck des Alltäglichen, der gesellschaftlichen Verhältnisse und des eigenen zerrissenen Inneren nur schwer stand und reagierte darauf mit maßloser, die Zeitgenossen oft vor den Kopf stoßender Selbststilisierung.
In ihm hatte sich eine Empörung und Enttäuschung angestaut, der er in seinem ersten vollendeten Drama „Herzog Theodor von Gothland“ Gestalt gab. Er vollendete es im Herbst 1822. In dieses verstörende, eruptive, geniale Frühwerk sind die schmerzlichen Erfahrungen der sozialen Degradierung ebenso eingeflossen wie die Wahrnehmung der bedrückenden politischen Verhältnisse der METTERNICH-Restauration. Es orientierte sich an den kraftvollen Dramen des Sturm und Drang und an denen der Romantik und enthielt dabei die verzweifelte Absage an alle humanistischen Ideale der Klassik, den Menschen durch Kunst moralisch zu läutern und ästhetisch zu erziehen. Sein tragischer Held Herzog Theodor strebt nicht wie im klassischen Drama nach Selbstverwirklichung, moralischer Vollendung seiner Individualität und einem Platz in der Gesellschaft, sondern richtet seine zerstörerische, amoralische Haltung gegen seine Mitmenschen und letztlich gegen sich selbst. Die erfundene Handlung und ihr Schauplatz entsprangen GRABBEs Affinität zu nordischer Geschichte und Natur. Geschildert ist der Untergang des schwedischen Adelsgeschlechtes der Gothlands, der durch Zwietracht, Intrige und Mord, personifiziert in dem bösen Mohren Berdoa, ins Werk gesetzt wird. GRABBE lässt dem Menschengeschlecht nicht den Schimmer einer Hoffnung:
Der Mensch
Trägt Adler in dem Haupte
Und steckt mit seinen Füßen in dem Kote!
Wer war so toll, daß er ihn schuf?
Wer würfelte aus Eselsohren und
Aus Löwenzähnen ihn zusammen? Was
Ist toller als das Leben? Was
Ist toller als die Welt?
Allmächtger Wahnsinn ists,
Der sie erschaffen hat!
(Christian Dietrich Grabbe: Herzog Theodor von Gothland. In: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 81, vgl. PDF "Christian Dietrich Grabbe - Herzog Theodor von Gothland")
Er schickte das Drama an LUDWIG TIECK in Dresden, der damals neben GOETHE als wichtigster Repräsentant der deutschen Dichtung galt. TIECK hat das dichterische Talent des jungen Genies in seinen Ambivalenzen und Zwiespältigkeiten durchaus erkannt. Das Stück hat ihn fasziniert und abgestoßen zugleich, es war einzigartig und hatte mit der zeitgenössischen seichten Unterhaltungsdramatik eines KOTZEBUE oder IFFLAND nichts gemein. Allerdings hielt Tieck dem jungen Dichter „unpoetischen Materialismus“ vor. TIECKs Reaktion spiegelt das Urteil der literarisch interessierten Zeitgenossen wider, die erkannten, dass mit GRABBE ein neuer unnachahmlicher Ton und ein großes Talent in die deutsche Dramatik gekommen war, das jedoch höchsten seelischen Gefährdungen ausgesetzt war. HEINE hat GRABBE einmal einen „betrunkenen Shakespeare“ genannt. Damit war mehr gemeint als dessen selbstzerstörerische Neigung zum Alkohol. Vielmehr beschreibt es sein Verhältnis zur Wirklichkeit und seine Auffassung von Dichtung, die jede Idealisierung ablehnte und Realität so hässlich und illusionslos abbilden wollte, wie sie sich ihm darbot.
In GRABBE nahm der Wunsch, nie mehr nach Lippe-Detmold zurückzukehren, immer deutlicher Gestalt an. TIECKs Reaktion bestärkte ihn in seinem Glauben an seine Berufung als Theaterdichter. Er hoffte durch die Vermittlung TIECKs oder einflussreicher Kommilitonen eine Anstellung an einem deutschen Theater zu bekommen, er bewarb sich mehrfach vergeblich als Schauspieler. Einige Wochen verbrachte er in Dresden und genoss TIECKs großzügige Gastfreundschaft, doch eine engere Beziehung konnte sich zwischen beiden Dichtern nicht herstellen. GRABBEs Eltern mahnten ihren Sohn immer dringlicher, das Studium zu beenden und nach Detmold zurückzukehren, das wenige Ersparte der einfachen Leute war aufgebraucht und mehr konnten sie nicht erübrigen. GRABBE sträubte sich innerlich gegen die Rückkehr in die westfälische Provinz fernab des literarischen Lebens und zögerte die Heimkehr hinaus, indem er in Hannover, Braunschweig und Leipzig Station machte, wo er für Wochen im Alkohol versank, ehe er dann voller Scham als ein Gescheiterter in die Heimatstadt zurückkehrte. Sein Stücke wurden weder gedruckt noch von einer Bühne aufgeführt, das verband ihn mit so eindrucksvollen wie verkannten Genies wie KLEIST und LENZ.
Nach Monaten völliger Isolation und Verzweiflung beantragte er, sein Examen ablegen zu dürfen. Er bestand es und ließ sich als Advokat nieder, bald übertrug man ihm das Amt eines Auditeurs der lippischen Armee, eines Richters für die zivilrechtlichen Angelegenheiten des Militärs. Er versah sein Amt gewissenhaft und streng, hatte sein Auskommen gefunden und hätte sich im Beamtenleben einrichten können, wenn nicht seine Neigung zur Literatur ihn weiter beherrscht hätte. Er befasste sich in dieser Zeit ausgiebig mit dem Studium historischer Quellen und geschichtlicher Werke, derer er in der öffentlichen Detmolder Bibliothek habhaft werden konnte. In den Dokumenten ist er für diese Zeit als eifrigster Nutzer der Bibliothek vermerkt. Sein literarischer Ehrgeiz flammte jäh wieder auf, als ihn unverhofft die Aufforderung des einstigen Studienkollegen und nunmehrigen Verlegers GEORG FERDINAND KETTEMBEIL erreichte, seine frühen Stücke für den Druck vorzubereiten. Im Oktober 1827 erschienen die Jugenddramen „Dramatische Dichtungen nebst einer Abhandlung über die Shakespearo-Manie“. Enthalten ist in dem Band auch die Satire „Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung“, in der GRABBE an die von der Romantik kreierte Lustspielform, namentlich an TIECKs „Der gestiefelte Kater“ (1797) u.a. anknüpfte. Die drei Handlungsstränge um die Baronin Liddy, den vor dem Hausputz aus der Hölle ausgerissenen Teufel und den Freiherrn von Mordax sind geschickt komponiert und stecken voll derbem Witz und Aberwitz.
GRABBEs Angriffe richten sich vor allem gegen die Hervorbringer seichter Literatur und die Genügsamkeit des Lesepublikums. Dabei ist das Stück jedoch mehr als eine Satire auf die literarischen Verhältnisse, GRABBEs vernichtender Spott zielte nicht zuletzt auf die stagnierenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Geist, der Sinn, das Große und Schöne haben sich vollkommen aus dieser Welt verflüchtigt, was bleibt, ist ein absurdes Possenspiel. Die Vertreter des absurden Theaters im 20. Jahrhundert wie ALFRED JARRY und EUGÉN IONESCU haben deshalb ausdrücklich in GRABBE einen Vorläufer gesehen.
Der Band mit Jugenddramen enthielt zudem das Zwischenspiel „Nanette und Maria“ und ein Drama „Marius und Sulla“, das sich einem historisch-realistischen Stoff zuwandte, und damit in GRABBEs Entwicklung als Dramatiker einen neuen Schritt bedeutete. Das Handlungsgerüst bildet der Machtkampf zwischen den römischen Feldherren Marius und Sulla. GRABBE bemühte sich nach eigener Aussage um die Individualisierung der Volksszenen nach dem Beispiel SHAKESPEAREs. Er zeigt das Volk als eine von dumpfen Instinkten gesteuerte Masse, Gestaltungskraft spricht er allein den „großen Männern“, den beiden Feldherren zu. GRABBE lässt auch hier keinen Glauben an Vernunft und Humanität zu, sondern bringt wahre Gewaltorgien auf die Bühne. Das Stück ist Fragment geblieben, die letzten Szenen hat GRABBE nur als Handlungsskizzen entworfen, wobei er allerdings den friedvollen Abgang Sullas vorsah, um der Errichtung einer friedlichen Zivilisation die Möglichkeit einzuräumen.
Seinen Aufsatz über die „Shakespearo-Manie“ (siehe PDF "Christian Dietrich Grabbe - Über die Shakespearo-Manie") hat er kurz vor der Publikation des Bandes mit Jugenddramen verfasst. Er richtete sich gegen die zur Mode gewordene kritiklose Bewunderung des elisabethanischen Autors. GRABBE sah den Grund dafür vor allem in der Unterentwickeltheit des deutschen Dramas und forderte einen originalen deutschen Nationalautor, statt schlechter SHAKESPEARE-Epigonen. Seine Attacke richtete sich vor allem gegen die SHAKESPEARE-Rezeption der Romantiker und die Trivialdramatik. Abgesehen hatte er es vor allem auf die Herausgeber der deutschen SHAKESPEARE-Übersetzung SCHLEGEL und TIECK, wobei der Angriff auf Letzteren als besonders bösartig und verfehlt anzusehen ist. Die Herausgabe seiner Jugenddramen bedeutete eine ungeheure Bestätigung für ihn, der so lange vergeblich nach Anerkennung gehungert hatte. Seine Neigung zur Selbstüberschätzung verführte ihn, sich mit den großen Dramatikern seiner Zeit distanzlos in eine Reihe zu stellen. Er begleitete das Erscheinen seiner Dramen mit Selbstrezensionen, die von peinlicher Eitelkeit zeugen. In seinen Artikeln für die örtlichen Zeitschriften attackierte er das Detmolder Theater und die Darsteller, die auch in seinem Stück „Don Juan und Faust“ spielten und machte sich natürlich Feinde in der Stadt und speziell am Theater.
1928 vollendete GRABBE die Tragödie „Don Juan und Faust“ (siehe PDF "Christian Dietrich Grabbe - Don Juan und Faust"), die er bereits 1823 begonnen hatte. Es ist das einzige Stück, das zu Lebzeiten GRABBEs am Detmolder Stadttheater aufgeführt wurde. Die Musik dazu komponierte ALBERT LORTZING. GRABBE verknüpft den Faust-Stoff mit dem Don Juan-Stoff, indem beide in Liebe zu Donna Anna entbrennen lässt. Faust und Don Juan sind die Verkörperung zweier extremer Lebensprinzipien: der auf Erkenntnis gerichteten Maßlosigkeit und Gelehrsamkeit und der Genuss suchenden, übersteigerten Sinnlichkeit. GRABBE setzte in diesem Stück weniger als in früheren Stücken auf Effekte, die das Publikum schockieren sollten.
Nach „Don Juan und Faust“ nahm GRABBE den Plan eines Hohenstaufen-Zyklus in Angriff, von dem er zwei Stücke verwirklichte („Kaiser Friedrich Barbarossa“, „Kaiser Heinrich der Sechste“, 1829). Die Romantik hatte das Interesse an mittelalterlichen Stoffen vorgeprägt, ein mehrbändiges historisches Werk von FRIEDRICH VON RAUMER über das Kaisergeschlecht hatte das Material geliefert und das Interesse vieler Dichter an diesem Stoff geweckt. GRABBEs Interesse verlagerte sich von den anarchischen, das Publikum aufstörenden Dramen zu einem disziplinierten, auf historische Ereignisse fokussierten Dramenstil. GRABBE wollte nunmehr, dass seine Stücke „Nationalstolz und Poesie“ in sich vereinen.
Nicht mehr SHAKESPEARE, sondern SCHILLER und seine historischen Dramen nahm er sich jetzt zum Vorbild, die geschichtliche Prozesse zum Gegenstand dramatischer Gestaltung und nicht mehr in erster Linie die überragende, einsame Einzelpersönlichkeit. Allerdings teilte er nicht SCHILLERs Geschichtsidealismus, sondern sah geschichtliche Prozesse als Folge von Begebenheiten, die Zufall und Schlachtenglück willkürlich fügten.
Die Auseinandersetzung mit SCHILLER führte GRABBE unweigerlich zur Kritik an GOETHE. Ein Dokument dieser Auseinandersetzung ist seine Literaturkritik „Welch ein Gallimathias von höfischer Kriecherei, Unwahrheit und poetischem Schwulst“ (siehe PDF "Christian Dietrich Grabbe - Welch ein Gallimathias von höfischer Kriecherei, Unwahrheit und poetischem Schwulst").
Im 1831 geschriebenen Stück „Napoleon oder Die hundert Tage“ (siehe PDF "Christian Dietrich Grabbe - Napoleon oder Die hundert Tage") ist es demzufolge nicht die Gestalt NAPOLEONs, die die dramatische Handlung bestimmt und vorantreibt, sondern es geht um die politische Situation nach der Rückkehr NAPOLEONs von der Verbannung auf der Insel Elba bis zu seiner endgültigen Niederlage in der Schlacht bei Waterloo 1815. GRABBE gestaltet die Formierung der Massenbewegung, der NAPOLEON sich entgegenstellt, und sein Scheitern an dem Widerstand, den ihm die preußischen und englischen Truppen entgegensetzen. GRABBE zeigt geschichtliche Ereignisse, in deren Abfolge weder Sinn noch Entwicklung auszumachen sind, manipulierbare Massen und die darin eingebettete, letztlich wirkungslose individuelle Aktion. Auch dieses Stück zeugt von ungeheurer sprachlicher Energie, die die Widersprüchlichkeit und Grausamkeit der Welt, vor allem in den Schlachtszenen, eingefangen hat. Mit NAPOLEON wollte GRABBE das „Moderne“ im „Glanz der Poesie“ erscheinen lassen. 1834 schrieb GRABBE die Tragödie „Hannibal“ und vollendete 1836 kurz vor seinem Tod sein letztes Drama „Die Hermannsschlacht“.
Letzte Lebensjahre: In seinen letzten Lebensjahren hatte er sich zusehends zwischen seinem Amt und der Literatur, die er liebte und zu der er sich berufen fühlte, aufgerieben. Auch persönliches Glück war ihm nicht beschieden. Anfang der Dreißigerjahre hatte er vergeblich um die junge Tochter des Detmolder Branntweinbrenners geworben. Er heiratete schließlich 1833 LOUISE CLOSTERMEIER, die Tochter seines väterlichen Freundes, des herzoglichen Archivars. Die Ehe zwischen dem trunksüchtigen, zu Aggressionen neigenden, anarchischen Dichter und der zehn Jahre älteren, herrschsüchtigen, geistig starren Frau war von Anfang an eine Katastrophe. Sie trug zur gänzlichen Zerrüttung von GRABBEs labiler Psyche bei. Die Trunksucht verschlimmerte sich wie seine Streitlust gegen die Mitmenschen; Phasen dumpfen Vorsichhinbrütens wechselten mit gewaltig ausbrechenden Redeschwällen. Er begann seine Amtsgeschäfte zu vernachlässigen und bat um Beurlaubung. Man sah ihn wohl auch nicht mehr imstande seinen Dienst zu versehen und gab seinem Antrag statt. Er verließ Detmold, ohne von seiner Frau Abschied zu nehmen, und begab sich 1834 nach Frankfurt zu seinem Studienkollegen KETTEMBEIL. Doch der Nähe des Zusammenseins hielt die Beziehung nicht stand. Sie zerstritten sich über der Tragödie „Hannibal“. GRABBE suchte nun den Schriftsteller KARL IMMERMANN auf, der in Düsseldorf das Theater leitete und ihm Unterkunft und Verdienst besorgte. Auch dieses Verhältnis trübte sich durch GRABBEs Alkoholsucht und seine Unflätigkeiten. Die Schulden zwangen GRABBE 1836 im Mai zur Rückkehr nach Detmold. Er wagte sich erst im Juni, unter Polizeischutz, in sein Haus zurück, wo seine Frau lebte. Sie reichte im August die Scheidung ein.
GRABBE starb am 12. September 1836, er war nicht einmal 35 Jahre alt geworden. Seinem Sarg folgte kein Geistlicher, den hatte er noch von seinem Sterbebett davongejagt.
„Er konnte gar nicht anders sein, als er war, und dafür, dass er so war, hat er genug gelitten.“
schrieb KARL IMMERMANN in seinem Nachruf.
Die künstlerischen avantgardistischen Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sahen in GRABBE einen Ahnherrn. Nicht nur das absurde Theater hat auf ihn zurückgegriffen, seine genauen Recherchen zu ökonomischen und historischen Hintergründen, die in die Gestaltung von Massenszenen einflossen, sowie seine realistische Darstellungsweise waren beispielhaft für die Naturalisten. Seine Neigung zu Groteske und Direktheit, auch sein zynischer Sarkasmus und Nihilismus, haben bei den Expressionisten fortgewirkt. Seine Methode der lockeren Szenenmontage hat auf BRECHTs Techniken des epischen Theaters Einfluss genommen. Mit Fug und Recht kann man sagen, dass GRABBE ähnlich wie BÜCHNER dem modernen Theater den Weg bereitet hat, indem er die damaligen Bühnenkonventionen weit hinter sich ließ.
Der Grabbe-Preis wird von der Stadt Detmold und der Grabbe-Gesellschaft als Hommage an den Dichter gestiftet. Der Preis ist mit 5 000 EURO ausgestattet. Bisherige Preisträger waren: Johann Jakob Wurster für „Fitzfinger, ab geht er“ (keine Jahersangabe), Ralf N. Höhfeld (1997) für „Erschossen nach dem ersten Satz“ und Igor Kroitzsch (1994) für „Das Drama“.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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