Schon der römische Geschichtsschreiber TACITUS (um 58 bis um 120) erwähnt in „Annales ab excessu divi Augusti“ („Annalen ab dem Tod des vergöttlichten Augustus“) die Sprache, wie sie der germanische Feldherr ARMINIUS sprach. Zu Zeiten KARLS DES GROSSEN wurden zahlreiche volkssprachliche Dokumente gesammelt und aufgeschrieben, die allerdings später zu großen Teilen verloren gingen. Wiederentdeckt wurden viele Dokumente erst im 18./19. Jahrhundert, so unter anderem die „Merseburger Zaubersprüche“und das „Hildebrandslied“. Der „Codex Manesse“ (auch Manessische Liederhandschrift, Manessische Handschrift), eine Sammlung mittelhochdeutscher Minnelieder, Leichs und Sangsprüche, entstand erst um 1300 in Zürich. Seine Herstellung hat noch nichts mit wissenschaftlichem Interesse an der Erforschung deutscher Sprache zu tun, aber der Codex dokumentiert das Interesse an der Literatur, wie sie damals verbreitet wurde. Und an den Überlieferungen ist auch rekonstruierbar, wie die Sprache damals geklungen haben könnte.
Die Bildungssprache, d.h. die Sprache, welche auf Universitäten gepflegt wurde, war allerdings bis ins 17. Jahrhundert fast ausschließlich das Lateinische.
Seit der Zeit des Humanismus äußerten sich auch Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen zunehmend in deutscher Sprache, u.a. schrieb MARTIN LUTHER (1483–1546, Bild 1) seinen „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530, PDF 1) auf Deutsch. Auch sein Wittenberger Freund, der Universitätslehrer PHILIPP MELANCHTHON (eigentlich PHILIPP SCHWARTZERDT, 1497–1560) und der Schweizer Reformator ULRICH ZWINGLI (auch HULDREYCH ZWINGLI, 1484–1531) schrieben nun in Deutsch. Wie LUTHER beschäftigte sich auch ZWINGLI mit den Übersetzungsproblemen aus dem Griechischen bzw. Lateinischen ins Deutsche. Gemeinsam mit dem Reformator LEO JUD (1482–1542 ) übersetzte er die Bibel, die seitdem als Zürcher Bibel bekannt ist.
In wissenschaftlichen Disputen verwendeten die Humanisten jedoch weiterhin Latein.
In der Zeit des Barock entstanden zahlreiche Sprachgesellschaften, die vom Interesse der damaligen Zeit künden, sich mit der deutschen Sprache beschäftigen zu wollen.
Der Philosoph und Jurist MARTIN OPITZ (1597–1639) beschäftigte sich in seinem „Buch von der Deutschen Poeterey“ (1624, PDF 2) u.a. mit dem Versbau. Es ist die bedeutendste Regelpoetik jener Zeit. OPITZ hinterließ allerdings auch zahlreiche dichterische Werke, deren philologischer Wert sehr schnell offenbar wird, will man sich mit der Entwicklung der deutschen Sprache von ihren Anfängen bis heute beschäftigen.
Sein Verszyklus „Trostgedichte in Widerwertigkeit deß Kriegs“ (PDF 3) entstand kurz nach dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, ging allerdings erst 1633 in Druck. Ähnlich frühe literarische Zeugnisse aus dem Dreißigjährigen Krieg gibt es kaum.
DANIEL GEORG MORHOF (1639–1691) war in Rostock u.a. Lehrstuhlinhaber für Poesie. Sein Werk „Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie“ (1682) entstand während seiner Professur in Kiel. Das Werk hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Germanistik als eigenständige Wissenschaft.
JOHANN JOACHIM ESCHENBURG (1743–1820) trat 1777 seine ordentliche Professur der schönen Literatur und der Philosophie in Braunschweig an. Seine bedeutendste Publikation war der „Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften“ (Auszug als PDF 4).
Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die „schöne Literatur“ zum Gegenstand von Literaturgeschichten gemacht. So veröffentlichten:
Aber als selbstständige Wissenschaftsdisziplin existiert die Germanistik erst seit dem 19. Jahrhundert.
Großen Anteil an der Etablierung der Germanistik als Wissenschaft haben u.a. die Brüder JACOB (1785–1863) und WILHELM (1786–1859) GRIMM sowie der Altphilologe und Mediävist KARL LACHMANN (1793–1851). Letzterer gab u.a. historisch-kritische Ausgaben von HARTMANN VON AUE, WOLFRAM VON ESCHENBACH und WALTHER VON DER VOGELWEIDE heraus. LACHMANN vereinheitlichte die Schreibweisen der variantenreich vorliegenden Urtexte des Mittelhochdeutschen in einer Form, wie sie heute noch weit verbreitet sind. Einige Publikationen KARL LACHMANNS sind:
Die Germanistik ist also noch eine junge Wissenschaft. Doch baut sie, wie wir gesehen haben, auf philologische Traditionen auf, die weit in die Antike zurückreichen. Die Germanistik ist Teil der sogenannten Geisteswissenschaften. WILHELM DILTHEY (1833–1911) bezeichnete diese als
„Wissenschaften des handelnden Menschen“
(Dilthey, Wilhelm: Gesammelte Schriften. Herausgegeben von Bernhard Groethuysen u. a., Leipzig u. a.: B. G. Teubner u. a., 1914 ff.).
Als Gegenstand umreißt er:
„Das Ganze der Wissenschaften, welche die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit zu ihrem Gegenstande haben, wird [...] unter dem Namen der Geisteswissenschaften zusammengefaßt“ (ebenda, S. 4).
Alle diejenigen Wissenschaften, die sich mit Kultur, Geschichte, Politik, Medien, sozialen Fragen u.a. befassen, werden unter diesem Begriff zusammengefasst. Als wichtigste Methode der Geisteswissenschaften definierte DILTHEY die Methode des Verstehens. Er unterstrich, dass
„diese Wissenschaften im Erleben und Verstehen begründet sind“
(Dilthey, Wilhelm: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Einleitung von Manfred Riedel, Frankfurt a. Main: Suhrkamp, 1970, S. 140).
In diesem Sinne sind die Geisteswissenschaften von ihm auch als „Erfahrungswissenschaften“ bezeichnet worden.
Stand: 2010
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