Tragödie

Die Tragödie ist neben der Komödie die wichtigste Gattung des Dramas. Sie entwirft einen schicksalhaften, unvermeidbaren und unlösbaren Konflikt, der zum Untergang des Helden führt. Dabei stehen meist existenzielle Fragen des Menschen nach Schuld und Sühne, Mensch und Gott, Individuum und Gesellschaft im Mittelpunkt.

Antike und Mittelalter

Die Anfänge der griechischen Tragödie entstanden im Rahmen des Dionysoskults: Aus dem Chorlied („Bocksgesang“) während der Frühjahrsfeiern zu Ehren von Dionysos, dem Gott des Weines, Rausches und der Ekstase, entwickelte sich im Laufe der Zeit ein Wechselgesang zwischen Chorführer und Chor. Schließlich führten die Tragödiendichter AISCHYLOS und SOPHOKLES weitere Schauspieler ein.

ARISTOTELES definierte die Tragödie in seiner Poetik als Nachahmung einer in sich geschlossenen Handlung, die in künstlerischer Sprache gestaltet ist und von handelnden Personen dargestellt wird. Ziel sei die Reinigung (Katharsis) des Zuschauers durch Jammer und Schaudern. Diese Affekte würden hervorgerufen, wenn in der Tragödie das Glück eines edlen Charakters durch einen Fehler in Unglück umschlage. Die Tragik der Handlung darf jedoch nicht dem Zufall entspringen.

Die bedeutenden Tragödiendichter der griechischen Literatur waren AISCHYLOS (z. B. Die Perser, 472 v. Chr., Orestie, 458 v.Chr.), SOPHOKLES (z.B. Antigone, 442 v.Chr., König Ödipus, 425) und EURIPIDES (z.B. Medea, 431 v.Chr.).

Die Frage nach den Verhältnis des Menschen zu den Göttern bestimmt die Dramen der klassischen Antike. Der antike Held ist der Willkür der Götter ausgesetzt. Widersetzt er sich den göttlichen Mächten, so überschreitet er die ihm gesetzten Grenzen (Hybris) und wird von den Göttern bestraft. Der Mensch besitzt aber die Größe, dieses vom Schicksal und den Göttern verhängte Los auf sich zu nehmen. Die römischen Tragödien orientierten sich im Wesentlichen an den griechischen Vorbildern. Im Mittelalter war Tragik nicht vorstellbar, da Untergang und Tod nur den Übergang in ein besseres Jenseits bedeuteten.

Renaissance und Barock

Erst als während des frühen 15. und 16. Jahrhunderts die Renaissance eine verstärkte Zuwendung zu weltlichen Werten hervorrief, wurde das tragische Erleben wieder möglich. So bildeten sich verschiedene Dramen heraus - darunter das elisabethanische Drama, das Schuldrama, das Jesuitendrama oder das schlesische Kunstdrama. In der Tragödie des Barock geht der Held zwar an seiner irdischen Schuld zugrunde, überwindet jedoch das Diesseits und wird im Märtyrertod frei für den Glauben.

Im elisabethanischen Drama (Elizabethan Drama) vollzog sich die Entwicklung von der typisierenden zur individualisierenden Figurengestaltung: Die Bühnenhelden CHRISTOPHER MARLOWES, einem der bedeutendsten englischen Dramatiker vor SHAKESPEARE, scheitern meist an der Maßlosigkeit ihrer Ansprüche. Bei SHAKESPEARE findet sich das Tragische schließlich im widersprüchlichen Charakter des Helden, so bei Hamlet (1603), wobei dessen Tragödien von den politischen Verhältnissen des elisabethanischen Zeitalters geprägt sind.

Während in der griechischen Tragödie der Mensch als Typus auftritt, schildert SHAKESPEARE das Individuum, das in eine tragische Situation gerät. Seine großen Tragödien Hamlet (1603), Othello (1604), King Lear (1605) und Macbeth (1606) bringen überzeitlich relevante Gestalten und Geschehnisse auf die Bühne. Sie dramatisieren das Wirken des Bösen in der Welt und siedeln den Konflikt im einzelnen Menschen selbst an. Thematisiert werden etwa das politische Verbrechen aus Ehrgeiz und Verblendung, die unüberlegte Machtabgabe und der Generationenkonflikt, die private Rache, das Intrigenspiel und die Täuschung der Liebenden. Beim Versuch, die zerbrochene Ordnung zu kitten, ist der Held auf sich allein gestellt.

Die Entwicklung seit der Aufklärung

Mit der Tragödientheorie von GOTTHOLD EPHRAIM LESSING, der sich in seinen 1767-1769 entstandenen Theaterschriften mit ARISTOTELES auseinander setzte, begann die schrittweise Loslösung der Tragödie vom antiken Vorbild. LESSING durchbrach in seinen bürgerlichen Trauerspielen den strengen Regelkanon, der sich im Laufe der Entwicklung der Tragödie aus der Interpretation von ARISTOTELES' Poetik ergeben hatte. So wurde der Weg frei für vielfältige formale, stoffliche und auch weltanschauliche Neuansätze (z.B. in den Tragödien des Sturm und Drang). Besonders bedeutend war die Geschichtstragödie des deutschen Idealismus, in der der Konflikt von Individuum und Gesellschaft, Freiheit und Notwenigkeit, Mensch und Gott vorherrschte (z.B. SCHILLERS Wallenstein, 1800).

Die Tragödie vom 20. Jahrhundert bis heute

Im 20. Jahrhundert grenzte sich das Drama noch weiter von der aristotelischen Tragödientheorie ab: In der modernen Literatur scheint die Tragödie nicht mehr möglich, da die in ihr vorausgesetzten Werte, aus denen der tragische Konflikt entspringt, keine allgemein verbindliche Geltung mehr beanspruchen können. Andererseits präsentiert auch das moderne Drama tragische Gestalten, so die Mutter Courage bei BERTOLT BRECHT (1941) oder Willy Loman in ARTHUR MILLERS Stück Death of a Salesman (1949). An die Stelle der Tragödie traten zunehmend andere Formen wie zum Beispiel das absurde Theater (SAMUEL BECKETT) oder die Tragikomödie, in der sich komische und tragische Elemente abwechseln.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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