ALICE SOPHIE SCHWARZER wurde am 03. Dezember 1942 „als uneheliches Kind“ der ERIKA SCHWARZER „aus sozial deklassiertem Bürgertum“ (Homepage) in Wuppertal-Elberfeld geboren und wuchs bei den Großeltern auf. Und zwar
„mit einem sehr fürsorglichen Großvater und einer sehr politischen Großmutter“.
Der Opa, ERNST SCHWARZER, übernahm die Vormundschaft für das Neugeborene und kümmerte sich auch sonst sehr liebevoll um den Nachwuchs. Die Familie, die einen kleinen Tabakwarenladen betrieb, wird von ALICE SCHWARZER später geschildert als eine, die „die Nazis gehasst hat“ und „eine hohe Sensibilität für jede Art von Unrecht hatte: gegen Menschen, Tiere oder Natur“. Als die Bombenangriffe auf Wuppertal zunahmen, siedelte die Familie kurzzeitig ins fränkische Oberlauringen. Ihren Besuch der achtjährigen Volksschule in Wuppertal beschreibt sie selbst als „chaotische Schulzeit“ .
Mit 16 Jahren begann ALICE 1957 eine kaufmännische Lehre und übte diesen Beruf bis 1963 in Wuppertal, Düsseldorf und München aus, d. h. sie arbeitete als Sekretärin. 1964/65 ging sie nach Paris und finanzierte sich ihr Sprachstudium an der „Alliance Française“ u. a. als Au-pair-Mädchen und Haushaltshilfe.
Nach Deutschland zurückgekehrt mit dem Ziel, Journalistin zu werden, fiel sie bei der Aufnahmeprüfung zur Journalistenschule erst einmal durch. Mit einem Volontariat bei den Düsseldorfer Nachrichten 1966/68 und der Arbeit als Redakteurin begann sie dennoch ihre journalistische Laufbahn.
Beim Satiremagazin „Pardon“ in Frankfurt am Main arbeitete sie seit 1969 als Reporterin, kehrte aber nach Paris zurück, engagierte sich in der Pariser Frauenbewegung „mouvement de libération de femme (MLF)“ und als freie Korrespondentin für den „Spiegel“ und die ARD. Zugleich studierte sie Psychologie und Soziologie an der Universität Vincennes von Paris. Sie machte Bekanntschaft mit dem Philosophen JEAN-PAUL SARTRE und der Feministin und Schriftstellerin SIMONE DE BEAUVOIR. Mit DE BEAUVOIR führte SCHWARZER ein Interview, das im selben Jahr erschien. Die Nestorin der Frauenbewegung äußerte darin über die sozio-kulturelle Zukunft der gleichberechtigten Frau, in dem sie äußerte, dass die Frauen nacvh dem Erreichen ihrer Gleichberechtigung eben nicht besondere weibliche Werte entwickeln würden. Frauen sollten sich die von Männern geschaffenen Werte aneignen, es seien universelle Werte. Die Gespräche mit BEAUVOIR von 1972–1982 erschienen 1999 gesammelt unter dem Titel: „Simone de Beauvoir. Rebellin und Wegbereiterin“.
Mangelnde Geschlechterdemokratie warf SCHWARZER bereits in Paris den Herrschenden vor, indem sie behauptete, dass das Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern sich durch Klassen und Rassen ziehe. Die Ungleichheit der Machtverhältnisse müsse abgeschafft werden.
Sie schrieb Flugblätter und rief zu Demonstrationen auf. ALICE SCHWARZER wurde zur leidenschaftlichen Feministin und war Initiatorin der französischen Frauengruppe „Selbstbezichtigung der 374“, an der sich auch SIMONE DE BEAUVOIR beteiligte, und äußerte am 6. Juni 1971 im Stern: „Ich habe abgetrieben und fordere das Recht für jede Frau dazu.“
Die „Frauenaktion 70“ (Slogan „Mein Bauch gehört mir“), die Münchener „Roten Frauen“ und der Berliner „Sozialistische Frauenbund“ starteten in Deutschland eine Kampagne nach dem Vorbild der „Selbstbezichtigung der 374“. Ein Ergebnis dieser Aktion war das erste Buch mit Frauenprotokollen gegen den Abtreibungsparagrafen: „Frauen gegen den § 218“.
1974 kehrte ALICE SCHWARZER nach Deutschland zurück und arbeitete als freie Autorin in Berlin. 1974/75 erhielt sie einen Lehrauftrag an der soziologischen Fakultät der Universität Münster.
m September 1975 erschien das dritte Buch der SCHWARZER: „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“.
Im Herbst 1976 gründete ALICE SCHWARZER ihre Frauenzeitschrift „EMMA“ in Köln. Die erste Ausgabe erschien am 26. Januar 1977 . In der Ausgabe 9/1977 fragte MARGARETE MITSCHERLICH: „Sind Frauen masochistisch?“ und antwortete gleich selbst, dass der Masochismus eben keine spezifisch weibliche Eigenschaft sei, sondern inzwischen „die ‚typisch masochistischen' Verhaltensweisen der Frauen als psychische Verarbeitungen von pathologischen sozialen Verhältnissen erkannt“ würden.
Auch das Kopftuch der afghanischen Lehrerin FERESHTA LUDIN sorgte für einen Artikel in der „EMMA“. Nachdem der Frau das Unterrichten mit Kopftuch an deutschen Schulen verboten wurde, erklärte die Zeitschrift das „Stück Stoff“ zum „Symbol für die Entrechtung der Frauen“, denn es habe „spätestens seit 1979 seine Unschuld verloren. Damals, als die Revolutionswächter begannen, ein ‚verrutschtes' Kopftuch mit Nägeln in den Kopf der Frau einzuschlagen.“ („EMMA“ 3/1997)
Ab 1987 begann die „EMMA“ eine Anti-Porno-Kampagne. Frauen sollten nicht erniedrigt werden durch pronografische Darstellungen.
Im Jahr 2003 warf ALICE SCHWARZER u. a. die Fragen auf: „Warum Krieg?“ und „Der Vatikan - ein Fall für den Verfassungsschutz?“ In letzterem Artikel wendete sich die Autorin gegen „die erneute Verdammung von Homosexualität und Homo-Ehe“ durch den Vatikan. SCHWARZER zitiert RATZINGERs Verdikt von der Heiligkeit der Ehe und dass die homosexuellen Handlungen gegen das natürliche Sittengesetz verstießen.
Der Kampf ALICE SCHWARZERs ist ein Kampf gegen die Dummheit, gegen die Intoleranz. Er ist nicht vordergründig lediglich ein Kampf für die Rechte der Frau, sondern umfassender ein Kampf für die Gleichheit aller. Deshalb unterstützte sie auch das Motto „Akzeptanz statt Toleranz“ des Christopher Street Days in Berlin. SCHWARZER erhielt den „Zivilcouragepreise 2003“ für ihr Lebenswerk.
Auch der derzeitige Jugendwahn und Schönheitskult werden in den Editorials der SCHWARZER nicht verschont: „Wie beim Kampf gegen Emanzipation der Körper wieder zum Schlachtfeld wird“, heißt es in einer der Ausgaben des Jahres 2003.
Die genannten Beispiele zeigen deutlich die Strategie der „EMMA“: Kompromisslos und schonungslos wird die gesellschaftliche Rolle der Frau betrachtet, wird darum gekämpft, die Situation der Frauen und Minderheiten im Land und in der Welt zu verbessern, Demokratie nicht nur als ein Wortspiel zu verstehen, sondern wörtlich zu nehmen, ganz so, wie es die Erfinderin der Zeitschrift, ALICE SCHWARZER, seit den Siebzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts tut. SCHWARZER war von 1977 bis 1993 damit beschäftigt, der „EMMA“ ihr Gesicht zu geben. Gegenwärtig tritt sie immer häufiger als Buchautorin auf.
1984 gründete ALICE SCHWARZER „FrauenMediaTurm. Das feministische Archiv und Dokumentationszentrum“ zu aktuellen und historischen Frauenfragen in Köln und ist bis heute dessen Vorstandvorsitzende. Das Archiv ist eines der ersten „feministischen Archive“. Es gehört zum Dachverband deutschsprachiger Frauen/ Lesbenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen. Anschubfinanzierung für das Projekt leistete JAN PHILIPP REEMTSMA. SCHWARZER ist Mitgründerin seines „Hamburger Instituts für Sozialforschung“ (1983).
Seit 1984 ist ALICE SCHWARZER Mitglied des PEN-Clubs, einer internationalen Schriftstellerorganisation. Sie ist Gründungsmitglied des „Kölner Presse-Clubs“(1987).
1991 zeichnete die Stadt Wuppertal sie als „Vorkämpferin der deutschen Frauenbewegung“ mit dem „Von-der-Heydt-Preis“ aus. Von Januar 1992 bis Februar 1993 war SCHWARZER Moderatorin der wöchentlichen Talkshow „Zeil um Zehn“ im Hessischen Fernsehen.
Seit 1993 schreibt ALICE SCHWARZER Essays und Biografien, u. a. sorgte ihr Buch über den Mord und Selbstmord von PETRA KELLY und GERT BASTIAN (1993) für Aufsehen. Mit dem Buch über das Leben von MARION GRÄFIN DÖNHOFF (1996) setzte sie dieser großen Demokratin und Herausgeberin der „ZEIT“ ein Denkmal.
1996 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen. Der „Deutsche Staatsbürgerinnen-Verband“ wählte sie zur „Frau des Jahres 1997“.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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