CLARA JOSEPHINE ZETKIN wurde am 05. Juli 1857 in Wiederau (heute Königshain-Wiederau, Landkreis Mittweida) geboren. Ihr Vater GOTTFRIED EISSNER war Dorfschullehrer, ihre Mutter JOSEPHINE, geborene VITALE, die Tochter eines napoleonischen Offiziers, der die Armee verlassen hatte, um Lehrer zu werden. Das erzgebirgische Dorf Wiederau, in dem die Eltern CLARAs lebten, ernährte seine Bewohner hauptsächlich durch Heimarbeit, speziell durch die Weberei. Die Familie EISSNER zog bald nach CLARAs Geburt nach Leipzig um. Dort besuchte die Tochter die Grundschule, später das Gymnasium. Frauen war der Zugang zu höherer Bildung zu jener Zeit verwehrt. Noch 1872 hieß es:
„Es fehlt dem weiblichen Geschlecht nach göttlicher Anordnung die Pflege zur Befähigung und Ausübung der Wissenschaften und vor Allem der Naturwissenschaften und der Medicin.“ (THEODOR BISCHOFF)
Bereits 1833 waren Frauen in den USA, 1863 in Frankreich,1869 in England und 1878 in Holland zum Hochschulstudium zugelassen worden. Aber in Deutschland hatte die Forderung nach Zulassung von Frauen zum Studium an deutschen Universitäten noch am 11. März 1891 „ungeheure Heiterkeit“ im Reichstag ausgelöst. In der Schweiz konnten Frauen bereits seit 1840 Vorlesungen an der Züricher Universität hören. Als das Frauenstudium 1864 in der Schweiz zugelassen wurde und Frauen erstmals universitäre Abschlüsse vorweisen konnten, mussten sie in Deutschland immer noch um die Anerkennung ihrer Hochschulstudien kämpfen.
CLARA, wenn sie studieren wollte, konnte also entweder das Land verlassen oder in Deutschland Lehrerin werden an so genannten Lehrerinnenseminaren. Sie wählte Letzteres. Mit 15 Jahren trat sie in das Steybersche Lehrerinnenseminar von AUGUSTE SCHMIDT in Leipzig ein, wo sie 1878 die staatliche Prüfung mit Auszeichnung bestand. AUGUSTE SCHMIDT war gemeinsam mit LUISE OTTO-PETERS und HENRIETTE GOLDSCHMIDT Begründerin des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ (1865) in Leipzig.
„Eine Versündigung nicht nur am Weibe, sondern an der Menschheit, am Prinzip der Schöpfung ist es: das Weib in Knechtschaft zu stoßen und darin zu erhalten, es auf den engen Kreis der Häuslichkeit beschränken zu wollen ...“ (LUISE OTTO-PETERS)
Bereits hier kam CLARA mit sozialistischem Gedankengut in Berührung, als sie Diskussionsabende des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins besuchte. In einem Kreis russischer Emigranten lernte sie als 20-Jährige den aus Odessa stammenden Schriftsetzer und Revolutionär OSSIP ZETKIN kennen. 1878 trat CLARA der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) bei. Das führte zum Bruch mit ihrer Familie.
Von 1878 bis 1882 arbeitete CLARA ZETKIN als Hauslehrerin und Erzieherin in Sachsen und Österreich. Allerdings fiel sie schon damals durch ihre kompromisslose Haltung auf. Ihre sozialistischen und feministischen Ideen, die sich sowohl an Vorstellungen von LUISE OTTO-PETERS und AUGUSTE SCHMIDT, aber auch an Gedanken BEBELs orientierten, waren viel radikaler als die der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung. OTTO-PETERS hatte noch geäußert:
„Die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht.“ (OTTO-PETERS, 1843)
Bei ZETKIN klang es radikaler:
„Diejenigen, welche auf ihr Banner die Befreiung alles dessen, was Menschenantlitz trägt, geschrieben haben, dürfen nicht eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes durch wirtschaftliche Abhängigkeit zu politischer und sozialer Sklaverei verurteilen. Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, solange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht. Die unerläßliche Bedingung für diese ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die Arbeit. Will man die Frauen zu freien menschlichen Wesen, zu gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft machen wie die Männer, nun, so braucht man die Frauenarbeit weder abzuschaffen noch zu beschränken, außer in gewissen, ganz vereinzelten Ausnahmefällen.“ (aus der Rede auf dem Internationalen Arbeitkongress zu Paris 1889)
Nach der Verkündung der Sozialistengesetze, die Reichskanzler BISMARCK ersonnen hatte, ging CLARA ZETKIN mit ihrem Lebensgefährten, der 1880 kurzzeitig verhaftet worden war, ins Exil. Sie wandte sich zuerst nach Zürich, dann nach Paris, wo sie mit OSSIP ZETKIN zusammenlebte und dessen Namen annahm. Ob sie ihren Lebensgefährten tatsächlich heiratete, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Manche Quellen behaupten, das Paar hätte ohne Trauschein zusammengelebt, damit CLARA ihre deutsche (resp. sächsische) Staatsbürgerschaft nicht verlöre. Andere wiederum äußern, dem Paar hätten zur Heirat die Papiere gefehlt. Für eine Nicht-Ehe spricht auch der Eintrag des Stuttgarter Kriminalsekretärs ROELL vom 04. Januar 1892 in einem Bericht an die Königliche Stadtdirektion:
„Am 24. Januar 1891 ist in hiesige Stadt angezogen: Eißner, Clara Josephine mit zwei unehelichen Kindern.“
Ihre Söhne MAXIM und KOSTJA wurden 1883 und 1885 in Paris geboren. 1889 sollte OSSIP auf dem Gründungskongress der II. Internationale sprechen, war jedoch bereits halbseitig gelähmt und litt an Lungentuberkulose, sodass CLARA einsprang und über die Organisierung der proletarischen Frauenbewegung sprach. Ihre programmatische Rede wurde unter dem Titel „Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart“ 1889 veröffentlicht. Neben AUGUST BEBELs Werk „Die Frau und der Sozialismus“ (1879), das ZETKIN kurz nach seinem Erscheinen gelesen hatte, wurde ihr Buch bestimmend für die sozialistische Theorie der Frauenemanzipation.
Nachdem OSSIP 1889 an Lungentuberkulose gestorben war, kehrte ZETKIN 1890, nachdem das Sozialistengesetz gerade aufgehoben worden war, nach Deutschland zurück. Sie ließ sich in Stuttgart nieder. Hier lernte sie den achtzehn Jahre jüngeren Maler und Dichter FRIEDRICH ZUNDEL kennen, den sie 1897 heiratete. Von 1904 bis 1925 lebte das Ehepaar in Stuttgart- Sillenbuch. ZETKIN war jedoch seit ihrer Ankunft in der Stadt nicht wohl gelitten. Deshalb suchte man nach einem Grund zur Ausweisung. Den schien oben zitierter Kriminalsekretär ROELL am 4. Januar 1892 gefunden zu haben:
„Beide (Kinder) sind in Paris geboren .... Beide Kinder besuchen die Hayersche Elementarschule Rotebühlstraße 33 und sollen dieselben den Namen Zetkin führen, wozu die Eißner nicht berechtigt sein dürfte. Ich bringe hiemit die Eißner wegen unrichtiger Namensführung ihrer Kinder zur Anzeige. Dieselbe wohnt Rotebühlstraße 147, 4. Stock.“
Allerdings hatte die Polizei offensichtlich keine Handhabe gegen die ZETKIN, man musste feststellen:
„Das gegen die Eißner eingeleitete Strafverfahren ist mangelnden Tatbestandes halber einzustellen.“
Seit 1898, als sie die deutsche Staatsbürgerschaft erlangte, war ROSA LUXEMBURG in der deutschen Sozialdemokratie aktiv. Neben KARL LIEBKNECHT wurde sie zur prominentesten Persönlichkeit des revolutionären Flügels der Partei. Etwa um die Jahrhundertwende begegneten die beiden Frauen einander (sie lernten sich auf dem Parteitag in Stuttgart kennen), und es entstand eine tief empfundene Freundschaft. Auch die Verhaftungen LUXEMBURGs, vor allem nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges, vertiefte ihre Freundschaft eher. Auch die Liebesbeziehung zwischen KOSTJA, dem erst 22-jährigen Sohn ZETKINs, und ROSA LUXEMBURG trübte die Beziehung der Frauen zueinander nicht.
Von 1892 bis 1917 arbeitete ZETKIN als Redakteurin des programmatisch-theoretischen Organs der Frauen in der SPD „Die Gleichheit“ bei dem Verleger J. H. W. DIETZ in Stuttgart, bis sie aus dem Leitungsgremium ausscheiden musste, weil ihre Ansichten den Sozialdemokraten „zu links“ waren.
1902 lernte ZETKIN in München den russischen Revolutionär WLADIMIR ILJITSCH ULJANOW, genannt LENIN, und dessen Frau NADESHDA KRUPSKAJA kennen.
Auf der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1907 in Stuttgart wurde CLARA ZETKIN Vorsitzende des Internationalen Frauensekretariats.
Der Internationale Frauentag wurde von CLARA ZETKIN 1910 auf der Zweiten Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen in Kopenhagen initiiert. Sie sagte über ihn:
„Sein Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht, als Recht der Persönlichkeit, losgelöst von jedem sozialen Besitztitel. […] Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der Besitzenden und ihrer willfährigen Dienerschaft, der Regierung ist.“
Am 19. März 1911 kam es zum ersten Internationalen Kampftag der Frau. Er wurde in weiten Teilen Europas (Dänemark, Österreich, Schweden, der Schweiz, Deutschland) sowie in den USA begangen. Forderungen waren:
Auf Beschluss der Zweiten Kommunistischen Frauenkonferenz 1921 wurde der 8. März als Internationaler Frauentag festgelegt.
ZETKINs konsequent antimilitaristische Haltung wurde auf dem Internationalen Sozialistenkongreß in Basel 1912 in ihrer Rede „Wir erheben uns gegen den imperialistischen Krieg!“ deutlich, wo sie ausführte:
„Der Krieg ist nichts als die Erweiterung und Ausdehnung des Massenmordes, dessen sich der Kapitalismus auch im sogenannten Frieden zu jeder Stunde am Proletariat schuldig macht. [...] Die furchtbare Schändlichkeit des Massenmordes der Völker untereinander ist die verbrecherischste, die verrückteste Form der Massenausbeutung des Volkes der Enterbten durch den Kapitalismus.“
ZETKIN war 1915 Mitbegründerin des Spartakusbundes und 1917 der USPD. Seit 1919 war sie Mitglied der neu gegründeten KPD und von 1920 bis 1933 auch KPD-Abgeordnete im Reichstag.
Im November 1920 traf sie auf ihrer ersten Reise nach Sowjetrussland in Gesprächen erneut mit LENIN zusammen, den sie sehr bewunderte. Mit KRUPSKAJA traf sich ZETKIN auch nach dem Tode LENINs. Sie unterhielten sich u. a. über die Rolle STALINs, zu dessen Ideologie und Methoden ZETKIN Distanz hielt. LEO TROTZKI beschreibt KRUPSKAJAs Haltung zu STALIN in seinen Erinnerungen „Mein Leben“:
„N. K. Krupskaja hat im Jahre 1927 einmal gesagt, daß Lenin wahrscheinlich längst in einem Stalinschen Gefängnis säße, wenn er noch leben würde.“
Sie hatte 1921 bis 1925 die Leitung der Zeitschrift „Die Kommunistische Fraueninternationale“ inne. Außerdem war sie Vorsitzende der „Internationalen Arbeiterhilfe“ in Deutschland und der „Roten Hilfe Deutschlands“ und 1925 bis 1933 auch Präsidentin der „Internationalen Roten Hilfe“. 1922 wurde sie Mitglied des „Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale“ (EKKI) und seines Präsidiums (bis 1933). Seit Mitte der 20er-Jahre lebte ZETKIN deshalb überwiegend in Moskau und hielt sich, da sie inzwischen an Malaria erkrankt war, oft in sowjetischen Sanatorien auf. Über die Kommunistische Internationale schrieb sie ihrem Schweizer Freund JULES HUMBERT-DROZ:
„Ich werde mich völlig allein und deplaziert in dieser Organisation fühlen, die sich aus einem lebendigen politischen Organismus in einen toten Mechanismus verwandelt hat, der auf der einen Seite Befehle in russischer Sprache einschluckt und sie auf der anderen Seite in verschiedenen Sprachen ausspuckt, in einen Mechanismus, der die gewaltige welthistorische Bedeutung und den Inhalt der russischen Revolution in Regeln für einen Pickwick-Klub verwandelt hat.“
Ihr Misstrauen und ihre Enttäuschung waren nicht unbegründet. Der berühmt-berüchtigt gewordene Vorwurf STALINs an GEORGI DIMITROFF, den Vorsitzenden der Komintern, lautete bekanntlich:
„Ihr alle in der Komintern arbeitet dem Feind in die Hände!“
Trotzdem blieb ZETKIN als Parteiarbeiterin der seit 1928 stalinisierten KPD treu. 1929 zog sie nach Birkenwerder bei Berlin. Ihr Aufruf zu einer antifaschistischen Einheitsfront gegen die Nationalsozialisten in ihrer Antrittsrede am 30. August 1932 als Alterspräsidentin des Deutschen Reichstages verhallte bei allen Parteien ungehört.
1932 emigrierte CLARA ZETKIN in die UdSSR, wo sie 1933 mit 76 Jahren starb. Zu ihrer Beisetzung in einem Ehrengrab an der Kremlmauer in Moskau sollen rund 600 000 Menschen gekommen sein.
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