Entstehung des Wormser Edikts

LUTHER und der Ablasshandel

Ab 1506 ließ der Papst in Rom eine neue Peterskirche, den heutigen Petersdom, erbauen. Der Neubau, bis Ende des 20. Jh. die größte Kirche der Katholiken, kostete immense Summen. Zur Beschaffung dieses Geldes wurde u. a. der Ablasshandel ausgeweitet:
Gläubige konnten Ablassbriefe erwerben. Nach der Lehre der katholischen Kirche wurden ihnen durch den Kauf eines solchen Briefes zeitliche Sündenstrafen erlassen, die eigentlich zur Läuterung des reuigen Sünders im irdischen Leben oder im „Fegefeuer“ abzubüßen waren.
Im 15. Jh. begann der Ablasshandel auszuufern. Ursachen dafür waren die luxuriöse Hofhaltung und die steigenden Kosten für die Kriegführung und die umfangreichen Bauvorhaben der Päpste.

Gegen diese Ausweitung des Ablasshandels wandte sich u. a. der Reformator MARTIN LUTHER im Jahre 1517 mit seinen 95 Thesen. Aber auch in weiteren Kampfschriften geißelte LUTHER die Ablasspraxis, z. B. in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“.
LUTHER setzte sich mit seinen Schriften und öffentlichen Predigten in Widerspruch zum Papst. Dieser eröffnete deshalb im Jahr nach dem Thesenanschlag in Rom einen Ketzerprozess gegen LUTHER.

Vorladung LUTHERS nach Rom

Im August 1518 erhielt LUTHER die Vorladung nach Rom, wo er binnen 60 Tagen zum Verhör erscheinen sollte. Im ungünstigsten Falle hätte ihm das den Tod auf dem Scheiterhaufen bringen können. Denn bereits 100 Jahre zuvor war der tschechische Reformator JAN HUS trotz Zusicherung freien Geleits auf dem Konzil von Konstanz wegen seines reformatorischen Wirkens auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
Aus diesem Grunde bat LUTHER zunächst seinen Landesherrn FRIEDRICH DEN WEISEN um Schutz und kam, nachdem ihm der Schutz gewährt worden war, der Vorladung des Papstes nicht nach. Daraufhin wurde LUTHER dann im Oktober 1518 in Augsburg von einem Gesandten des Papstes verhört. LUTHER weigerte sich jedoch, seine Thesen zu widerrufen.

LUTHER wird gebannt

Nach der Weigerung LUTHERS gab der Papst eine Zeit lang aus machtpolitischen Gründen Ruhe. Erst 1520 erfolgte die Wiederaufnahme des Prozesses, der vorerst mit einer Bannandrohungsbulle endete. Diese sollte LUTHER zwingen, binnen 60 Tagen einen Großteil seiner Thesen zu widerrufen.
Dies tat LUTHER jedoch abermals nicht. Stattdessen verbrannte er die päpstliche Verfügung öffentlich vor einem der Stadttore Wittenbergs. Am 3. Januar 1521 wurde deshalb vom Papst der Kirchenbann verfügt. LUTHER war damit aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche ausgeschlossen.
Nach geltendem Recht konnte er nun an die weltliche Gerichtsbarkeit überstellt werden, die ihn als überführten Ketzer hinrichten, d. h. üblicherweise auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen konnte.
Zur gleichen Zeit hatte Kaiser KARL V. zur Regelung von Angelegenheiten des Reiches den Reichstag in Worms einberufen. Er wollte auf dieser Versammlung der Fürsten des Reiches auch über das Schicksal von MARTIN LUTHER entscheiden.

Die Hauptakteure der Entscheidung sollten er, der Kaiser, der Gesandte des Papstes zum Reichstag und der sächsische Kurfürst, FRIEDRICH DER WEISE, sein. Der „Fall LUTHER“ drohte dadurch in das machtpolitische Gerangel dieser Akteure zu geraten.

Kaiser KARL V.

Der 1500 in Gent (im heutigen Belgien) geborene spätere Kaiser KARL V. wuchs in den damals spanischen Niederlanden auf. Im Jahre 1517 wurde er zunächst als KARL I. König von Spanien. Zwei Jahre später wurde er von den Kurfürsten zum deutschen Kaiser gewählt.KARL V. hatte zwei grundlegende Interessen:

  • Zum einen ging es ihm um den Erhalt der Macht und der Größe des Hauses Habsburg.
  • Zum andern sah er sich als christlicher Herrscher in der Rolle des Verteidigers der Kirche und des christlichen Glaubens.

KARL V. verfolgte darüber hinaus die Idee eines „universalen Kaisertums“. Danach verstand er sich als deutscher Kaiser auch als Beschützer der gesamten Christenheit. KARL sprach jedoch kaum deutsch, und Deutschland spielte in seiner Reichspolitik fast so etwas wie eine Nebenrolle. Daher hatte er die Verwaltung der deutschen Erblande auch seinem Bruder FERDINAND anvertraut.

Der päpstliche Gesandte HIERONYMUS ALEANDER

ALEANDER wurde 1480 in Oberitalien geboren. Nach humanistischen Studien lehrte er seit 1508 an der Pariser Universität alte Sprachen und war später sogar Rektor der Universität. Seine Karriere in der Politik begann er als Sekretär des Bischofs von Paris und des Fürstbischofs von Lüttich. 1524 erhielt ALEANDER die Priesterweihe, wurde Erzbischof von Brindisi (Süditalien) und danach 1538 sogar Kardinal. Bis zu seinem Tod wurde er vom Papst immer wieder in heiklen diplomatischen Missionen eingesetzt.

Als geschickten Diplomaten entsandte ihn der Papst auch auf den Reichstag zu Worms. Dort sollte er gegen LUTHERS Einfluss kämpfen und seine Verurteilung durchsetzen. Seine Berichte nach Rom und sein Tagebuch sind wichtige Quellen für die Rekonstruktion des Verlaufs der Verhandlungen.

Die Verhandlungen auf dem Reichstag zu Worms

Am 27. Januar 1521 wurde der Reichstag zu Worms eröffnet. Noch nie waren auf einem Reichstag so viele Fürsten und Delegationen erschienen. Nach ALEANDERS Vorstellungen sollte LUTHER ohne Verhandlungen als Ketzer verurteilt werden.

Dagegen wandten sich aber die anwesenden Fürsten. Sie verwiesen auf die große Zahl vorliegender Beschwerden gegen die Geistlichkeit und gegen die päpstliche Verwaltung in Rom, die auch verhandelt werden sollten. Deshalb sollte auch LUTHER die Chance zur Rechtfertigung erhalten.
Der Kaiser sah sich aufgrund des Drucks der Fürsten, vor allem aber von LUTHERS Landesherrn, FRIEDRICH DEM WEISEN, gezwungen, LUTHER unter Zusicherung freien Geleits zur Anhörung nach Worms zu laden.
Nach einem triumphalen Zug kam LUTHER am 16. April 1521 in Worms an. An den beiden darauffolgenden Tagen musste er sich vor dem Kaiser und zahlreichen weiteren Zuhörern rechtfertigen. Dabei verteidigte er seine religiösen Auffassungen und seine Kritik an der Kirche. So führte er dabei auch aus, dass sich in früheren Jahren sowohl der Papst als auch Konzilien schon geirrt hätten. Einen Widerruf seiner Ansichten und Lehren lehnte er erneut ab und berief sich dabei auf sein Gewissen. LUTHER beendete seine Verteidigungsrede mit dem bekannten Ausspruch:

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“

Am 19. April legte der Kaiser dann den Fürsten eine Erklärung vor, wonach der Reichstag nun gegen LUTHER als erwiesenen Ketzer vorgehen sollte. Die Fürsten weigerten sich jedoch, der Erklärung zu folgen, und versuchten in den darauffolgenden Tagen, LUTHER wenigstens zu einem Teilgeständnis zu bewegen. Aber auch dazu war dieser nicht bereit. Deshalb entließ man ihn vom Reichstag und sicherte ihm für drei Wochen freies Geleit zu.

KARL V. (Porträt von BERNAERD VAN ORLEY)

KARL V. (Porträt von BERNAERD VAN ORLEY)

Vor Ablauf der Frist wurde er auf der Rückreise nach Wittenberg mit seinem Wissen von Vertrauensleuten FRIEDRICHS DES WEISEN auf die Wartburg entführt. Hier lebte er längere Zeit als „Junker Jörg“ und übersetzte innerhalb von nur 10 Wochen das Neue Testament ins Deutsche.

Das Wormser Edikt

Nach der Abreise LUTHERS beauftragte der Kaiser den päpstlichen Gesandten mit der Abfassung des Entwurfs für ein Edikt gegen LUTHER, seine Lehre und seine Anhänger. Mit geringfügigen Änderungen versehen, wurde dieser in den darauffolgenden Tagen den Vertretern der Stände vorgelegt, die ihn billigten.
Damit war über LUTHER die Reichsacht verhängt worden. In den einleitenden Sätzen dieses Wormser Edikts wurde LUTHER als hartnäckiger Ketzer bezeichnet, der nicht mehr zur Kirche Gottes gehöre. Den Untertanen des Reiches wurde strikt verboten, LUTHER bei sich aufzunehmen, ihm Speise und Trank zu geben oder ihn gar zu verstecken. Wenn möglich sollte man ihn ergreifen und an den Kaiser ausliefern. Auch LUTHERS Anhänger und Gönner sollten gefangen genommen werden. Niemand durfte LUTHERS Schriften kaufen, verkaufen, lesen, abschreiben oder gar drucken.
Da KARL V. aber bei seinen kriegerischen Unternehmungen auf die Unterstützung einflussreicher Fürsten nicht verzichten konnte, wagte er es nicht, das Edikt FRIEDRICH DEM WEISEN zur Vollstreckung zuzusenden. Damit hatte es gerade in dem Territorium keine Gültigkeit, in dem sich LUTHER aufhielt. Diese Tatsache wie auch der Umstand, dass KARL V., bedingt durch seine Kriegszüge, fast ein Jahrzehnt lang dem Kerngebiet des Reiches fern war, trugen zur faktischen Wirkungslosigkeit des Edikts und damit zur Ausbreitung der Lehren LUTHERS bei.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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