Niccolò Machiavelli

NICCOLÒ MACHIAVELLI (auch MACCHIAVELLI, 1469–1527) ist einer der bekanntesten politischen Theoretiker. Auf seine Schriften, insbesondere den 1513 in Anlehnung an die mittelalterlichen Fürstenspiegel verfassten „Fürsten“ („Il Principe“), geht der Begriff des Machiavellismus zurück. Darunter wird der rücksichtslose Machtmissbrauch des oder der Regierenden verstanden, um mit gegebenenfalls grausamen Methoden die Herrschaft und somit die Macht zu sichern. An MACHIAVELLIs moralfreier Theorie politischer Herrschaft entzündete sich heftige Kritik. Die katholische Kirche setzte seine Werke auf den Index, und FRIEDRICH DER GROSSE versuchte mit seinem „Anti-Machiavel“, die Menschlichkeit zu verteidigen, die er durch MACHIAVELLI gefährdet sah.

MACHIAVELLIs Leben in Florenz

MACHIAVELLI entstammte bescheidenden Verhältnissen. Sein Vater BERNARDO war Jurist und lebte sehr sparsam. NICCOLÒ erhielt zwar Lateinunterricht, doch zur Finanzierung eines Studiums fehlte der Familie das Geld. Während seiner Jugend wurde Florenz von den MEDICI regiert und entwickelte sich unter LORENZO MEDICI dem „Prächtigen“ zur Hochburg der Künste und des Renaissance-Humanismus. So befanden sich hier viele bedeutende Renaissancekünstler wie MICHELANGELO, LEONARDO DA VINCI oder SANDRO BOTTICELLI. Doch ab 1492 änderte sich mit der Machtübernahme von PIERO DE MEDICI die politische Situation Florenz' grundlegend. Auf der Suche nach neuen Bündnispartnern verschärften sich die Konflikte mit den anderen italienischen Stadtstaaten, woraufhin die MEDICI 1494 aus Florenz vertrieben wurden. Der Dominikanermönch SAVONAROLA versuchte ab 1496, in Florenz einen auf Armut und Demut basierenden Gottesstaat zu etablieren und forderte damit den Papst und die katholische Kirche heraus. Papst ALEXANDER VI. – Vater von CESARE BORGIA – ließ SAVONAROLA am 23. Mai 1498 hinrichten.

Fünf Tage später begann die politische Karriere MACHIAVELLIs. Er wurde zum Sekretär der zweiten Kanzlei von Florenz ernannt, ein Amt, das er vierzehn Jahre lang bekleidete. Seine Behörde war für die Innen- und Verteidigungspolitik der Stadt zuständig. Zu MACHIAVELLIs Aufgaben gehörten:

  • die Organisation des Heereswesens sowie
  • die Teilnahme an diplomatischen Missionen.

Als Diplomat traf er auch mit CESARE BORGIA zusammen, der als Herzog von Valentinois die Romagna erobert hatte. In ihm erblickte MACHIAVELLI das Ideal eines zielstrebigen und entscheidungsfähigen Politikers, weswegen sich MACHIAVELLI ihn zum Vorbild für seine staatspolitische Schrift „Der Fürst“ nahm.

1512 unterlag die von MACHIAVELLI aufgestellte Florentiner Bürgermiliz spanischen Truppen, mit denen die MEDICI nach Florenz zurückkehrten. MACHIAVELLI wurde seines Amtes enthoben und für kurze Zeit als Verschwörer verhaftet. Nach seiner Freilassung zog er sich auf sein Landgut bei Florenz zurück und arbeitete dort als Schriftsteller. Versuche, in den Staatsdienst zurückzukehren, blieben zunächst erfolglos. Ab 1519 betraute ihn die Medici-Regierung mit untergeordneten Aufgaben, 1526 erhielt er ein Amt in der Festungsbaukommission. Nach der erneuten Vertreibung der Medici 1527 bewarb sich MACHIAVELLI erfolglos um eine Position in der Leitung der neukonstituierten Republik. Wenige Tage danach starb er.

Die politische Theorie MACHIAVELLIs

MACHIAVELLIs umfangreiches literarisches Schaffen umfasst:

  • die staatstheoretischen Schriften: „Il Principe“ (Der Fürst; 1513 geschrieben, 1532 gedruckt) und „Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio“ (Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Livius; zugleich mit „Il Principe“ begonnen, einige Jahre später beendet, 1531 gedruckt);
  • eine „Arte della guerra“ (Kriegskunst; 1519/20 geschrieben, 1522 gedruckt);
  • „Istorie Fiorentine“ (Geschichte der Stadt Florenz; 1520–1525 geschrieben, 1531/32 gedruckt);
  • amtliche Berichte und Denkschriften, den Entwurf einer Verfassung für Florenz, den historischen Roman „Castruccio Castracani“, Komödien, Novellen, Gedichte und zahlreiche Briefe.

Berühmt ist MACHIAVELLI vor allem dank seiner beiden staatstheoretischen Schriften geworden. In ihnen erteilt er den christlich begründeten Gesellschaftsordnungen eine radikale Absage und tilgt moralisch-religiöse Ideale aus dem politischen Handeln. Doch plädiert er nicht bedingungslos für Rücksichtslosigkeit und Gewalt. Zwar empfiehlt er sie als notwendiges Instrumentarium des Machtgewinns und Machterhalts, aber weder rechtfertigt er die Ziele, die nach solchen Mitteln verlangen, noch leugnet er deren Schlechtigkeit.

MACHIAVELLI fasst die Politik als einen Mechanismus auf, der nach eigenen Gesetzen funktioniert. Handelte ein Politiker nach moralischen Prinzipien, würde er scheitern. Im Hintergrund steht das von MACHIAVELLI gezeichnete pessimistische Menschenbild. Die Menschen verfolgen von Natur aus nur ihre eigenen Interessen, suchen rücksichtslos ihren Vorteil und sind ebenso undankbar wie rachsüchtig. Um Erfolg zu haben, rät MACHIAVELLI dem Fürsten, auf der Grundlage dieses Menschenbildes zu regieren. Die Kunst des Herrschens besteht im entschlossenen Ergreifen günstiger Gelegenheiten und einer geschickten Wahl der Mittel, um die Macht auszubauen, ohne den Hass des Volkes auf sich zu ziehen.

Sowenig wie ethischen Argumenten gibt MACHIAVELLIs Theorie des politischen Geschehens theologischen Erwägungen Raum. Religion erscheint bei ihm in erster Linie als Faktor der inneren Stabilität eines Staates. Die Geschichte ist nicht zielgerichtet, keine Heilsgeschichte, sondern ein Kreislauf von Aufstieg und Verfall der Staaten. Welche politischen Mittel erfolgversprechend sind, hängt von den besonderen Umständen ab. Während MACHIAVELLI in den „Discorsi“ eine aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen zusammengefügte Staatsform empfiehlt, beschwört er im letzten Kapitel des „Principe“ die Hoffnung, ein einzelner Fürst werde Italien einen und befreien.

Entgegen der weit verbreiteten Lesart von MACHIAVELLIs Staatslehre als einer Theorie skrupelloser, instrumenteller Machtausübung verläuft eine andere Traditionslinie – die des „republikanischen Machiavellismus“. Diese Lesart stützt sich auf MACHIAVELLIs Discorsi, in denen das republikanische Rom zum Vorbild genommen wird. Scharf kritisiert MACHIAVELLI darin die von der christlichen Religion vertretenen Werte und deren Auswirkung auf die Erziehung und das Handeln der Bürger. Entsagung, Demut, Geringschätzung der Welt zugunsten des jenseitigen Seelenheils behindern eine republikanische Gesellschaftsordnung.

„Es ist also eine Folge unserer Erziehung und der so falschen Auslegung unserer Religion, dass es in der Welt nicht mehr so viele Republiken gibt wie in der Antike und dass die Völker infolgedessen nicht mehr von solcher Liebe zur Freiheit beseelt sind wie ehemals.“

Doch angesichts des Zerfalls der religiös bestimmten Welt- und Werteordnung in der Renaissance entwirft MACHIAVELLI ein neues Menschenbild – den uomo virtuoso, der, auf seine Kraft und Fähigkeit vertrauend, die ihm in der Welt gebotenen Gelegenheiten ergreift. Politische Herrschaft bildet sich aus der Dynamik und den Konflikten innerhalb der Gesellschaft heraus. Soziale Konflikte sind im Sinne von konstituierender Macht die Grundlage für die Schaffung stabiler Herrschaftsverhältnisse. Auf diese Weise antwortet MACHIAVELLI auf das Problem, wie – ohne Berufung auf einen göttlichen Ursprung – aus den konfliktreichen Interessengegensätzen eine neue gesellschaftliche Ordnung gebildet werden kann.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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