Irische Literatur

Fiction

Wenn man die irisch-keltischen Epen einmal ausklammert, beginnt die Geschichte der längeren irischen Prosaliteratur im 18. Jahrhundert. Als Beispiel für die Literatur aus der anglo-irischen Oberschicht mag das wohl bekannteste Werk aus dieser Zeit gelten: JONATHAN SWIFTs Gulliver's Travels (1726). Oft als Kinderbuch betrachtet, findet sich hierin doch eine beißende Satire auf den Machthunger Englands und die Ruchlosigkeit englischer Kolonialpolitik wieder.
OLIVER GOLDSMITHs The Vicar of Wakefield hingegen erzählt vom pastoralen Leben auf dem Lande eine Geschichte aus dem Alltag der gemeinen anglo-irischen Siedler.
Im 19. Jahrhundert bilden die Geschichten des erst später zum Protestantismus konvertierten WILLIAM CARLETON (Traits and Stories of the Irish Peasantry, 1833) eine Besonderheit in der sonst stark von den Anglo-Iren dominierten Prosaliteratur. Seine Geschichten sind satirische Beobachtungen aus dem Leben der katholischen Bauern, und machten eine soziale Gruppierung zu Hauptdarstellern, die sonst in der irischen Literatur keine Beachtung fanden oder nur Randerscheinungen waren.
Die Dramen von JOHN MILLINGTON SYNGE (The Aaran Islands) war zählen zum poetischen Realismus, in denen das Hiberno-Englisch bühnenfähig gemacht wurde.
Im 19. Jahrhundert entstand auch das Genre der Herrschaftshaus Romane, Big House Novel, das sich in unterschiedlichen Variationen bis in die heutige Zeit fortsetzt (z. B. in JENNIFER JOHNSTONs The Captains and the Kings, 1972). Diese Romane erzählen vom Leben der anglo-irischen Oberschicht und dem allmählichen Verlust ihrer gesellschaftlichen und politischen Vormachtstellung durch die Emanzipierung der katholischen Bevölkerung (Catholic Emancipation). Hauptvertreter dieses Genres sind unter anderem MARIA EDGEWORTH (Castle Rackrent, 1800), GEORGE MOORE (A Drama in Muslin, 1886, dt. Ein Drama in Musselin), SOMERVILLE AND ROSS (The Real Charlotte, 1894), und im 20. Jahrhundert vor allem ELIZABETH BOWEN (The Last September, 2001, dt. Der letzte September).

BRAM STOKERs Dracula kann ebenfalls als Parabel auf den inneren Verfall einer herrschenden Gesellschaft gesehen werden. Ein ähnliches Motiv findet sich auch in OSCAR WILDEs The Picture of Dorian Gray (1890) wieder. OSCAR WILDE selber ist ein Beispiel für den aus Irland ausgewanderten Schriftsteller, der dennoch durch seinen Stil und sein erzählerisches Talent stark mit Irland verbunden ist.
Einflussreichster Schriftsteller dieser irischen Diaspora ist zweifelsohne JAMES JOYCE. Sein Roman Ulysses (1922) gilt als das prägende Werk der Moderne. Mit Ulysses hat JOYCE der europäischen Literatur durch die experimentelle Verwendung von Form und Sprache ganz neue Möglichkeiten der Kreativität eröffnet. Der Katholik JOYCE ist einer jener Schriftsteller, deren schulische und universitäre Ausbildung stark durch die katholische Kirche geprägt wurde. Katholische Bilder und Wertvorstellungen, besonders Sünde und Ausschweifung, durchziehen sein gesamtes Werk. FLANN O'BRIEN (besonders mit At-Swim-Two-Birds, 1939) und SAMUEL BECKETT gehören zu den direkten Nachfolgern JOYCEs, indem sie die formalen Experimente des Ulysses in ihren Romanen weiterentwickelten.

Zeitgenössische Literatur

Moderne irische Schriftsteller setzen sich mit den verschiedensten Entwicklungen der Gesellschaft auseinander. JOHN McGAHERNs Werk befasst sich mit den familiären Strukturen in einer von der katholischen Kirche geprägten ländlichen Gesellschaft. AIDAN MATTHEWS Romane ist stark vom Katholizismus und dem Sündenbegriff geprägt, während JAMIE O'NEILLs 2001 erschienenes Buch At-Swim Two-Boys (dt. Im Meer, zwei Jungen) nicht nur im Titel an ein Werk FLANN O'BRIENs erinnert, sondern auch offen mit dem Tabuthema der Homosexualität in der irischen Gesellschaft bricht.
Die traditionelle Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft ist Thema des Werks von EDNA O'BRIEN, und hat in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts durch seine vermeintliche Freizügigkeit für Furore gesorgt. RODDY DOYLEs Humor und Verwendung des Dubliner Akzents hingegen ist ein Beispiel des von der Hauptstadt und seinen Bewohner handelnden Romans. Weitere wichtige irische Romanciers des 20. Und 21. Jahrhunderts sind unter anderem JOHN BANVILLE, BRENDAN BEHAN, DERMOT BOLGER, SEAMUS DEANE, COLUM McCANN, BRIAN MOORE, IRIS MURDOCH und COLM TÓBÍN.

Short Fiction

Die Kurzgeschichte bildet trotz der langen Liste von Romanautoren das Hauptgenre der irischen Prosaliteratur. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsmodelle, von denen eins die Beliebtheit der Kurzgeschichte mit dem starken Einfluss der mündlichen Erzähltradition Irlands begründet. In der Kurzgeschichte werden die gleichen Themenkreise behandelt wie auch schon im Roman, und oft haben sich Schriftsteller wie MARIA EDGEWORTH, GEORGE MOORE oder auch OSCAR WILDE ebenfalls an Kurzgeschichten versucht. Ein weiterer bedeutender Autor von Kurzgeschichten im 19. Jahrhundert ist noch SHERIDAN LE FANU, dessen Horrorgeschichten in derselben Tradition wie BRAM STOKERS Dracula stehen.
Wichtige Autoren von Kurzgeschichten im 20. und 21. Jahrhundert sind u. a. SAMUEL BECKETT, ELIZABETH BOWEN, CLAIRE KEEGAN, BENEDICT KIELY, MARY LAVIN, EUGENE McCABE, JOHN McGAHERN, FRANK O'CONNOR, SÉAN O'FAOLAÌN, LIAM O'FLAHERTY und WILLIAM TREVOR.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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