- Lexikon
- Deutsch Abitur
- 4 Literaturgeschichte
- 4.7 Literatur des 18. Jahrhunderts
- 4.7.1 Aufklärung
- Die Vernunft und das Wahre, Gute und Schöne: die Hochaufklärung
JOHANN CHRISTOPH GOTTSCHEDs Ideal einer reinen Verstandesdichtung musste seine Gegner finden. Seine Schüler GOTTLIEB WILHELM RABENER (1714–1771), CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT, JOHANN ELIAS SCHLEGEL u. a. gründeten 1744 in Bremen „Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes“, in denen sie sich deutlich von den Theorien ihres Lehrers distanzierten. Die Autoren strebten empfindsame und gefühlvolle Unterhaltung mit lehrhafter Tendenz an. Diese Tendenz der Aufklärung wird deshalb auchEmpfindsamkeit genannt.
GELLERT war Vertreter der comédie larmoyante, des „lehrhaft-rührenden Lustspiels“, das GOTTSCHEDs sächsische Typenkomödie von der Bühne verdrängen sollte. Er probte das aus Frankreich kommende Rührstück u. a. in „Die zärtlichen Schwestern“ (1747) aus und untermauerte seine Theatertheorie 1751 in „Pro comoedia commovente“, einer Programmschrift über das rührende Lustspiel.
Auch aus Halle erfolgten Angriffe gegen den „Literaturpapst“ GOTTSCHED durch FRIEDRICH GEORG MEIER (1718–1777) in dessen Schrift „Beurtheilung der Gottschedschen Dichtkunst“ (1747). Massiv setzten die schweizerischen Aufklärer JOHANN JACOB BODMER und JOHANN JAKOB BREITINGER in ihren Poetiken „Critische Abhandlung von dem Wunderbaren in der Poesie“ bzw. „Critische Dichtkunst“ (beide 1740) Gegenakzente zu GOTTSCHED. BODMER und BREITINGER, die das Emotionale und die Fantasie in der Dichtung forderten, orientierten sich stark an den literarischen und philosophischen Tendenzen in England (Empirismus), während GOTTSCHED sich an die französische Aufklärung (Rationalismus) angelehnt hatte.
Ähnliche Angriffe erfuhr GOTTSCHED durch GOTTHOLD EPHRAIM LESSING (1729–1781). Dessen „Briefe, die neueste Literatur betreffend“ (1759–1765) und die „Hamburgische Dramaturgie“ wurden zur eigentlichen theoretischen Grundlegung des deutschen Dramas.
In seinem 17. Literaturbrief griff LESSING GOTTSCHED persönlich an und warf ihm vor, mit seiner Theaterreform eher Verschlimmerungen als Verbesserungen bewirkt zu haben. GOTTSCHED habe verabsäumt zu untersuchen, ob das französische Theater für das deutsche als Vorbild tauge. Hingegen wird SHAKESPEARE und das englische Theater, weit entfernt von rationalistischen Tendenzen, zum Vorbild für ein deutsches Nationaltheater erhoben. SHAKESPEAREs Theater sei natürlich und ursprünglich, auch sei das zeitgenössische englische Theater geeigneter, weil
„das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte“.
Mit der Hervorhebung der Bedeutung des englischen Theaters und insbesondere SHAKESPEAREs leitete LESSING eine lang anhaltende, vor allem für den Sturm und Drang und die Romantik bedeutende Shakespeare-Rezeption ein. Die bedeutendsten Übersetzungen shakespearescher Werke stammen von
LESSING strebte die Wandlung des Theaters vom Hoftheater zum Nationaltheater an. Er nahm deshalb begeistert eine Stellung als Dramaturg am Hamburger Nationaltheater an, kehrte aber der Hansestadt bald enttäuscht den Rücken. Jedoch wurden seine Vorstellungen Jahrzehnte später verwirklicht und bürgerliche Stadttheater gegründet.
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LESSING entwickelte in theoretischen Schriften und am praktischen Beispiel sein bürgerliches Trauerspiel. Diese dramatische Form ist eine während der Aufklärung im 18. Jahrhundert entstandene dramatische Gattung.
LESSING gelang mit „Miß Sara Sampson“ (1755), in nur vier Wochen niedergeschrieben, und „Emilia Galotti“ (1771, siehe PDF "Gotthold Ephraim Lessing - Emilia Galotti"), das bürgerliche Trauerspiel in Deutschland zu etablieren. Zugleich löste er den traditionellen Alexandriner durch den Blankvers ab. Das Drama wirkte so prosaischer.
„Emilia Galotti“ spielt in Italien. LESSING greift darin ein oft bearbeitetes Motiv von Titus Livius (59–17 v. Chr.) auf. In „Ab urbe condita“ (Vom Ursprung der Stadt) wird die Legende von der Römerin Virginia erzählt, die von ihrem Vater getötet wird, weil dies der einzige Weg ist, sie vor der Willkür des Decemvirn Appius Claudius zu bewahren.
Emilia soll den Grafen Appiani heiraten, jedoch Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla, verliebt sich in sie. Marchese Marinelli, sein Kammerherr, soll nun alles tun, die Hochzeit zu verhindern. Bald darauf wird das Brautpaar von Verbrechern überfallen und Appiani ermordet. Emilia wird mit ihrer Mutter auf das Schloss des Prinzen „in Sicherheit“ gebracht, bald trifft auch der Vater Odoardo dort ein. Gräfin Orsina, die ehemalige Geliebte des Prinzen, klärt Odoardo über die Hintergründe der Bluttat auf. Emilia fürchtet, den Verführungskünsten des Prinzen nicht standhalten zu können, und um die Ehre seiner Tochter zu retten, gibt der Vater ihrem Drängen nach und ersticht sie.
Das Drama war damals so beliebt, dass es Nachahmer fand: JOHANN JAKOB BODMER schrieb 1778 „Odoardo Galotti, Vater der Emilia. Ein Pendant zur Emilia. In einem Aufzuge: und Epilogus zur Emilia Galotti. Von einem längst bekannten Verfasser“ (siehe PDF "Johann Jacob Bodmer - Odoardo Galotti").
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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