Entstanden ist die Berliner Love Parade 1989, als der DJ DR. MOTTE (MATTHIAS ROEINGH, * 1960) aus Jux bei den Behörden eine politische Demonstration unter der Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ anmeldete, die ihm aufgrund des in der Verfassung der BRD verankerten politischen Demonstrationsrechts auch gewährt wurde. Am 1. Juli 1989 zog er mit einem Grüppchen von Musikenthusiasten aus seinem Freundeskreis zur Musik aus drei VW-Transportern über den Kurfürstendamm in der Westberliner City. Dem bizarren Aufzug schlossen sich spontan eine Reihe Jugendlicher an, so dass die „Demonstration für die Liebe“ schließlich 150 tanzende Teilnehmer umfaßte.
Straßenumzüge, Straßenparties und Straßenkarnevals haben eine lange Tradition in der Geschichte der populären Musik, so dass das Unternehmen so einzigartig nicht war, wie es den Zeitgenossen damals schien. Zu den bedeutendsten solcher Veranstaltungen in Europa gehören die schon seit den frühen 1970er Jahren im Londoner Stadtteil Brixton von den farbigen Immigranten Communities organisierten Straßenkarnevals. Neu allerdings war die Anmeldung einer solchen Veranstaltung als politische Demonstration, was der Love Parade von Anfang den ambivalenten Charakter einer Spaßveranstaltung gab, die zwischen Ironie und politischer Programmatik angesiedelt war und damit das Selbstverständnis einer ganzen Generation Heranwachsender durchaus treffend zum Ausdruck brachte.
Der Erfolg der ersten Liebes-Demo motivierte ihren Erfinder zur Wiederholung. Bis 1995 fand die Love Parade mit sich jährlich etwa verdoppelnder Teilnehmerzahl auf dem Kurfürstendamm in der Westberliner City statt, wobei der Kern der Teilnehmer aus Veranstaltern, Klubs und Labels aus der Techno-Szene bestand, die den Umzug mit ihren lautsprecherbestückten LKWs ebenso ungeniert für Werbezwecke nutzten, wie das demonstrativ auf Nonsense angelegte jeweilige Motto der Veranstaltung von den Kommentatoren in den Medien mit zunehmenden Erfolg auf seinen vermeintlichen politischen Sinn hinterfragt wurde. So wurde der Slogan „Friede, Freude, Eierkuchen“ als generationsspezifischer Ausdruck für „Abrüstung, Völkerverständigung und eine gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln“ gedeutet. Das Motto von 1990, „The Future ist Our's“, galt als Bekenntnis zur Wiedervereinigung usw.
Der eigentliche politische Sinn der Love Parade bestand dann auch darin, der Gesellschaft ihren Opportunismus vorzuführen, die sich auch prompt darin überbot – vom Spitzenpolitiker aller politischen Lager bis hin zu den Kulturanalytikern des bürgerlichen Feuilletons – der Love Parade die politische Weihe zu geben und damit die Jugendverbundenheit der etablierten Politik zu demonstrieren. Die politische Strategie der Love-Parade-Veranstalter lag damit auf der gleichen Linie wie die in der Techno-Szene überaus erfolgreich praktizierte Inanspruchnahme von Großunternehmen etwa aus der Zigarettenindustrie als Sponsoren – hauptsächlich von Musikproduktionen und Klub-Events bis hin zur Love Parade selbst – für eine Kultur, deren Produkte darin als „uncool“ abgelehnt wurden. Kein anderes gesellschaftliches Ereignis hatte seither und auch danach nicht wieder eine derartige Medienöffentlichkeit wie die Love Parade, die in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre über die dritten Programme der ARD live in alle Winkel der Republik übertragen wurde.
Je erfolgreicher die Love Parade war, die 1995 immerhin schon auf 500.000 Teilnehmer kam, um so stärker rückte dabei der kulturell-kommerzielle Aspekt in den Vordergrund. Auf der Love Parade feierte eine Kultur sich selbst, und das um so frenetischer, je größer das Medienecho war und dem Ganzen gesellschaftpolitische Relevanz zusprach. War anfänglich der Aspekt, einer Musikszene eine kollektive Identität zu geben und diese auszudrücken, durchaus ein zentraler Bezugspunkt, so geriet mit wachsenden Teilnehmerzahlen der kommerzielle Aspekt nahezu zwangsläufig in den Mittelpunkt, und das trotz der immer prominenteren politischen Teilnehmer, die am Schluss selbst den Präsidenten des Deutschen Bundestages einschloss.
Im Anschluss an den Umzug ging es für den Rest des Wochenendes dann in den Berliner Klubs mit Hunderten von Techno-Veranstaltungen und einer Phalanx von aus der ganzen Welt angereisten DJs eigentlich zur Sache. Allein das generierte Geldströme von sehr beachtlicher Größenordnung.
1995 sprengte die Love Parade mit ihren wachsenden Teilnehmerzahlen die traditionelle Strecke über den Kurfürstendamm und wurde 1996 in den Berliner Tiergarten zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor verlagert.
Ab 1995 agierte die eigens gegründete Love Parade Medien-, Produktions-, Verwertungs- und Veranstaltungsgesellschaft mbH als Veranstalter, zu deren Mitbegründern die Planetcom Werbe- und Veranstaltungs GmbH von RALF REGITZ (ehemaliger Geschäftsführer der Berliner Techno-Disko „E-Werk“) gehört. Beide Firmen sind allerdings personell weitgehend identisch und werden durch den ebenfalls aus dem gleichen personellen Umfeld gebildeten „Verein der Freude und Förderer der Love Parade“ wiederum mit Ralf Regitz an der Spitze ergänzt. Die Love Parade Medien-, Produktions-, Verwertungs- und Veranstaltungsgesellschaft mbH vermarktet bis heute die Rechte an dem rechtlich geschützten Namen „Love Parade“, die Planetcom Werbe- und Veranstaltungs GmbH organisierte die Love Parade und der Verein kümmerte sich um die Sponsoren, zu denen mit Coca Cola, der ARD-Vorabendserie Marienhof, mit RTL 2, Langnese, der Reynolds Tobacco GmbH (Camel), mit Ford, Clairol, TD1, MTV und VIVA TV eine Reihe illustre Namen aus Industrie und Wirtschaft gehörten.
Mit der Einbindung der Love Parade in ein ganzes Geflecht von Firmen begann ein professionelles Event-Marketing, das sich zunehmender Kritik seitens der kulturellen Aktivisten der Szene aussetzte und 2001 schließlich den Entzug des Status einer politischen Veranstaltung zur Folge hatte. Bis dahin erreichte die Love Parade mit bis zu 1,5 Millionen Teilnehmern (1999) aus aller Welt allerdings astronomische Größenordnungen.
Die mit solchen Teilnehmerzahlen verbundenen Kosten (Müllbeseitigung, Einsatzkosten der Sicherheitskräfte, medizinische Betreuung etc.), für die bei einer politischen Demonstration die öffentliche Hand aufzukommen hat, und die andererseits in die Millionen gehenden Umsätze der Veranstalter – allein die Planetcom GmbH rechnete für 2002 2,6 Millionen Euro Gewinn beim Finanzamt ab –, führte zu wachsender Kritik an der Inanspruchnahme des politischen Demonstrationsrechts für ein kommerzielles Kultur-Event dieser Größenordnung.
Schon ab 1997 kam es mit der ursprünglich als „Hate Parade“ bezeichneten, wegen der mit dieser Bezeichnung verbundenen Mißverständnisse seit 1998 als „Fuck Parade“ (Fuck the Love Parade) firmierenden Veranstaltung zu einer Gegendemonstration, die sich nicht zuletzt mit der aus dem Techno-Spektrum ausgewählten Musik (Speedcore, Gabba, House) verstärkt um eine kultur- und jugendpolitische Ausrichtung bemühte, mit bis zu fünftausend Teilnehmern allerdings nicht einmal annähernd das Ausmaß der Love Parade erreichte.
Seit 2001 gelten beide Veranstaltungen nicht mehr als politische Demonstrationen. Für die Love Parade sollte das der Anfang vom Ende werden, auch wenn sich die Veranstalter jedes Jahr von Neuem um eine Realisierung der Veranstaltung bemühen. 2003 fand die bislang letzte Love Parade statt, mit deutlich weniger Teilnehmern als zuvor und begleitet von heftigen Streitereien um das lukrative Catering-Geschäft am Rande des Umzugs.
Jahr | Motto |
1989 | Friede, Freude, Eierkuchen |
1990 | The Future Is Ours |
1991 | My House Is Your House And Your House Is Mine |
1992 | The Spirit Makes You Move |
1993 | The Worldwide Party People Weekend |
1994 | Love 2 Love |
1995 | Peace on Earth |
1996 | We Are One Family |
1997 | Let the Sunshine In Your Heart |
1998 | One World One Future |
1999 | Music Is The Key |
2000 | One World One Loveparade |
2001 | Join the Love Republic |
2002 | Access Peace |
2003 | Love Rules |
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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