Rechenregeln für bedingte Wahrscheinlichkeiten

Vor Lars Spielmann liegen auf dem Tisch drei Tetraeder (ein rotes, ein blaues und ein gelbes), die jeweils mit den Ziffern 1 bis 4 beschriftet sind. Während das rote Tetraeder ein LAPLACE-Tetraeder ist, sind die beiden anderen gezinkt.
Die Tetraeder werden durch folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung charakterisiert:

 1234
rot0,250,250,250,25
blau0,100,200,300,40
gelb0,300,400,100,20

Berechnen der bedingten Wahrscheinlichkeit, wenn P die Gleichverteilung ist

Lars Spielmann möchte die Wahrscheinlichkeit p wissen, mit der er beim einmaligen Werfen des roten LAPLACE-Tetraeders die 3 wirft, wenn bekannt ist, dass er eine Primzahl wirft.

Es werden die folgenden Ereignisse A und B betrachtet:
A = { A u g e n z a h l i s t e i n e 3 } = { 3 } B = { A u g e n z a h l i s t p r i m } = { 2 ; 3 }

Die gesuchte bedingte Wahrscheinlichkeit p = P B ( A ) kann man mittels der Definition für bedingte Wahrscheinlichkeiten berechnen:
p = P B ( A ) = P ( A B ) P ( B ) = P ( { 3 } ) P ( { 2 ; 3 } ) = 0,25 0,50 = 0,5

Da aber P die Gleichverteilung ist, ergibt sich bei der Anteilsinterpretation von P B ( A ) das folgende einfache Anzahlverhältnis:
P B ( A ) = P ( A B ) P ( B ) = P ( { 3 } ) P ( { 2 ; 3 } ) = | { 3 } | | Ω | | { 2 ; 3 } | | Ω | = | { 3 } | | { 2 ; 3 } | = 1 2 = 0,5

Wir stellen für diesen Fall fest:

  • Ist P die Gleichverteilung, so gilt P ( A ) = | A | | Ω | und P B ( A ) = | A B | | B | .

Berechnen der bedingten Wahrscheinlichkeit, wenn P keine Gleichverteilung sein muss

Lars Spielmann möchte nun die Wahrscheinlichkeit p wissen, mit der er beim einmaligen Werfen des blauen gezinkten Tetraeders die 3 wirft, wenn bekannt ist, dass er eine Primzahl wirft.

Dazu geht er wiederum von der Definition für bedingte Wahrscheinlichkeiten aus und erhält:
p = P B ( A ) = P ( A B ) P ( B ) = P ( { 2 ; 3 } { 3 } ) P ( { 2 ; 3 } ) = P ( { 3 } ) P ( { 2 ; 3 } ) = 0,30 0,20 + 0,30 = 0,60

Eine andere Möglichkeit, die gesuchte Wahrscheinlichkeit zu berechnen, ist das Baumdiagramm.

Bild

Diesem ist über die erste Pfadregel zu entnehmen:
P ( A B ) = 0,5 p P ( { 2 ; 3 } { 3 } ) = 0,5 p P ( { 3 } ) = 0,5 p 0,30 = 0,5 p p = 0,30 0,50 = 0,60

Auch mithilfe einer Vierfeldertafel lässt sich p bestimmen.

Bild

Man erhält:
p = P B ( A ) = P ( A B ) P ( B ) = 0,30 0,50 = 0,60  

Wir stellen also fest, die bedingte Wahrscheinlichkeit P B ( A ) kann mittels Definition, mittels Baumdiagramm oder mittels Vierfeldertafel berechnet werden.

Berechnen der Wahrscheinlichkeit P ( A B )

Lars Spielmann wirft nun zweimal eines der gezinkten Tetraeder, und zwar beginnt er mit dem blauen. Erzielt er dabei eine ungerade Augenzahl, so wirft er das gelbe Tetraeder. Ansonsten wirft er das blaue Tetraeder ein zweites Mal. Mit welcher Wahrscheinlichkeit erreicht er beim zweiten Wurf die zweite 1?

Es werden die folgenden Ereignisse A und B betrachtet:
B = { m i t d e m b l a u e n T e t r a e d e r b e i m e r s t e n W u r f e i n e 1 } A = { m i t d e m g e l b e n T e t r a e d e r b e i m z w e i t e n W u r f e i n e 1 }

Die gesuchte Wahrscheinlichkeit p = P B ( A ) kann mithilfe eines zweistufigen Baumdiagramms ermittelt werden.
Dabei empfiehlt es sich, die in der folgenden Abbildung gezeigte Form zu verwenden, weil sie besonders angepasst und einfach strukturiert ist.

Bild

Nach der ersten Pfadregel ergibt sich:
p = P ( A B ) = P ( B ) P B ( A ) = 0,10 0,30 = 0,030

Zu dem gleichen Produktansatz für p gelangt man, wenn die Definitionsgleichung
P B ( A ) = P ( A B ) P ( B )
nach P ( A B ) umgestellt wird. Es ergibt sich folgender Satz:

  • Allgemeiner Produkt- oder Multiplikationssatz:
    Sind A, B zwei Ereignisse eines Zufallsexperiments mit P ( B ) > 0 , so gilt P ( A B ) = P ( B ) P B ( A ) .

Dieser Multiplikationssatz entspricht der ersten Pfadregel im zweistufigen Baumdiagramm und ist eine Produktform der definierenden Gleichung bedingter Wahrscheinlichkeiten.

Totale Wahrscheinlichkeit P ( A )

Lars Spielmann wirft erneut zweimal eines der gezinkten Tetraeder, und zwar beginnt er wiederum mit dem blauen. Erzielt er dabei eine ungerade Augenzahl, so wirft er das gelbe Tetraeder. Ansonsten wirft er das blaue Tetraeder ein zweites Mal. Mit welcher Wahrscheinlichkeit erreicht Lars beim zweiten Wurf eine Augenzahl kleiner als 3?

Es werden die folgenden Ereignisse A und B betrachtet:
B = { b e i m e r s t e n W u r f e i n e u n g e r a d e A u g e n z a h l } A = { b e i m z w e i t e n W u r f e i n e 1 o d e r e i n e 2 }

Bild

Nach der zweiten Pfadregel ergibt sich:
p = P ( A ) = P ( B ) P B ( A ) + P ( B ¯ ) P B ¯ ( A ) = 0,40 0,70 + 0,60 0,30 = 0,46

Zu demselben Ansatz gelangt man auch über die Vierfeldertafel und die Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit, wenn dabei Ω in die zwei Ereignisse B und B ¯ zerlegt wird.

Zerlegt man Ω nicht nur in zwei, sondern in n Ereignisse B 1 , B 2 , ..., B n , so erhält man analog über das entsprechende Baumdiagramm und die zweite Pfadregel den Ansatz, um die „totale“ Wahrscheinlichkeit P ( A ) allgemein zu berechnen.

  • Satz der totalen Wahrscheinlichkeit:
    Bilden die Ereignisse B 1 , B 2 , ..., B n eine Zerlegung von Ω (d.h., gilt B 1 B 2 ... B n = Ω und B i B j = f ü r i j ) und besitzen alle B i eine Wahrscheinlichkeit P ( B i ) > 0 für i { 1 ; 2 ; ... ; n } , so gilt:
    P ( A ) = i = 1 n P ( B i ) P B i ( A )

Der Satz der totalen Wahrscheinlichkeit entspricht der zweiten Pfadregel im Baumdiagramm.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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