Geschichte der Analysis

Schon aus der Antike sind Verfahren zur Bestimmung des Inhalts krummlinig begrenzter Flächen überliefert. So gelang es dem griechischen Gelehrten ARCHIMEDES von Syrakus (etwa 287 bis 212 v.Chr.), Parabelsegmente zu berechnen. Er entwickelte dazu die sogenannte Exhaustionsmethode, indem er die unbekannte Fläche durch eine Folge berechenbarer Flächen „ausschöpfte“.

Dann sollte es allerdings nahezu zwei Jahrtausende dauern, bis ARCHIMEDES auf diesem Gebiet Nachfolger fand. Ausgehend vom Bedürfnis, den Rauminhalt von Hohlkörpern (speziell den von Fässern) zu bestimmen, gab JOHANNES KEPLER (1571 bis 1630) in seiner 1615 erschienenen „Nova stereometria doliorum vinariorum“ (Neue Stereometrie der Weinfässer) praktische Methoden zur Volumenberechnung von Rotationskörpern an.

Das Neue bestand darin, dass er dabei sogenannte infinitesimale Methoden (den Begriff des „unendlich Kleinen“) einbezog. Aus Kugeln, Zylindern, Kegeln und Kegelstümpfen setzte KEPLER neue Körper zusammen, so etwa das Fass aus Kreiszylinder und zwei Kreiskegelstümpfen.

Die keplerschen Methoden wurden vom italienischen Gelehrten FRANCESCO BONAVENTURA CAVALIERI (1598 bis 1647) weiterentwickelt, der speziell den Begriff der Indivisiblen (indivisibiles lat. svw. unteilbar) als eine Art Differenzial zur durchgängigen Methode machte. In seinem 1635 veröffentlichten Hauptwerk „Geometria indivisibilibus continuorum nava quadam ratione promata“ berechnete er Flächeninhalte und Volumina nach dieser Methode. Des Weiteren findet sich in jenem Buch die heute als cavalierisches Prinzip (bzw. Satz des CAVALIERI) bezeichnete Aussage.

EVANGELISTA TORRICELLI (1608 bis 1647) berechnete ebenfalls Inhalte mithilfe der Exhaustionsmethode. Er kam zu dem seinerzeit überraschenden Ergebnis, dass ein ins Unendliche reichender Körper ein endliches Volumen haben kann.

Wegen π a n 1 x 2 d x = π 1 a stimmen die Volumina des entsprechenden Rotationshyperboloids und des entsprechenden Zylinders überein.

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Im Gegensatz zur Integralrechnung waren durch die Antike für die Differenzialrechnung keine Vorleistungen erbracht worden. Ein entsprechendes Denken bildete sich erst mit der Entstehung der klassischen Mechanik heraus.

Hier ist insbesondere das sogenannte Tangentenproblem zu nennen, mit dem sich im 17. Jahrhundert vor allem französische Mathematiker beschäftigten. PIERRE FERMAT (1643 bis 1727) benutzte Elemente der Differenzialrechnung, indem er Maxima und Minima (also größtmögliche und kleinstmögliche Werte) funktionaler Zusammenhänge ermittelte. Beispielsweise zeigte er, dass unter allen Rechtecken mit gegebenem Umfang das Quadrat den größten Flächeninhalt hat, und er ermittelte rechnerisch die Lage von Tangenten an Kurven.

Mitte des 17. Jahrhunderts lagen somit entscheidende Grundlagen sowohl für die Integralrechnung als auch die Differenzialrechnung vor. Allerdings schienen beide Gebiete etwas grundsätzlich Verschiedenes zu behandeln. Als Erster erkannte ISAAC BARROW (1630 bis 1677), ein Lehrer NEWTONS, den Zusammenhang von Flächeninhaltsbestimmung und Tangentenproblem, insbesondere dass sich Integrieren und Differenzieren gegenseitig aufheben.

ISAAC NEWTON (1643 bis 1727) war es dann, der ausgehend von mechanischen Problemen mit der sogenannten Fluxionsrechnung eine Form der Differenzial- und Integralrechnung entwickelte, bei der er die Zeit t als Argument aller Veränderlichen auffasste, mit denen physikalische Veränderungen beschrieben werden.

Derartige von t abhängige Größen (z.B. den Weg s) bezeichnete er als Fluenten, deren Geschwindigkeit als Fluxion, wobei er die Schreibweise x . für die Fluxion von x wählte. Der Übergang von x zu x . entspricht dem Differenzieren, das umgekehrte Vorgehen dem Bestimmen einer Stammfunktion, also dem Integrieren.

Mit der Fluxionsrechnung hatte sich NEWTON ein hervorragendes mathematisches Werkzeug für die Behandlung physikalischer Probleme geschaffen, u.a. war es ihm damit möglich, das Gravitationsgesetz sowie die keplerschen Gesetze der Planetenbewegung herzuleiten. Allerdings war die newtonsche Symbolik noch unvollkommen.

Heute gilt als erwiesen, dass GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ (1646 bis 1716) selbstständig und unabhängig von NEWTON etwa im Jahre 1675 seine Infinitesimalrechnung entwickelte, die er aber zu dieser Zeit weder publizieren noch inhaltlich weiter ausbauen konnte. Bereits Anfang der 70er Jahre hatte auch er begonnen, sich intensiv mit der Mathematik der Indivisiblen zu beschäftigen.

In seinem „Calculus“ führte LEIBNIZ bis heute verwendete Schreibweisen, wie etwa d y d x für die Ableitung bzw. das Δ für den Differenzenquotienten, ein. Auch findet man hier mit dv = 0 bzw. ddv = 0 die notwendigen Bedingungen für das Vorliegen von Extremwerten bzw. Wendepunkten. In seiner 1686 erfolgten Grundlegung der Integralrechnung (der Begriff selbst wurde erst 1698 durch JOHANN BERNOULLI geprägt) verwendet LEIBNIZ die Schreibweise y d y für „Summe aller y“.

Während man in England im 18. Jahrhundert noch die newtonsche Fluxionsrechnung verwendete, setzte sich auf dem europäischen Festland zunehmend die leibnizsche Differenzialrechnung aufgrund der damit erzielten Erfolge rasch durch.

Insbesondere durch das Wirken der Brüder JAKOB BERNOULLI (1655 bis 1705) und JOHANN BERNOULLI (1667 bis 1748) sowie von LEONHARD EULER 1707 bis 1783), JOSEPH LOUIS LAGRANGE (1736 bis 1813) und PIERRE SIMON LAPLACE (1749 bis 1829) wurde die Differenzial- und Integralrechnung ausgebaut. Nach dem Vorbild der Pariser École Polytechnique wurde sie fester Bestandteil jeglicher Ingenieursausbildung.

Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer erweiterten Auffassung der Integralrechnung. AUGUSTIN LOUIS CAUCHY (1789 bis 1857) und BERNHARD RIEMANN (1826 bis 1866) definierten das Integral als Grenzwert einer Summe. Damit war ein Aufbau der Integralrechnung ohne Differenzialrechnung möglich.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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