- Lexikon
- Geschichte
- 8 Das Zeitalter bürgerlicher Revolutionen
- 8.5 Die industrielle Revolution
- 8.5.2 Soziale Probleme der industriellen Entwicklung
- Entstehung des Proletariats als soziale Klasse
Mit der rasche Industrialisierung im Verlauf der industriellen Revolution gingen tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen vor sich.
Ganze Bevölkerungsschichten wurden aus ihren jahrhundertealten sozialen Bindungen und Lebensumfeldern herausgerissen. Häufig wurden sie, wie die Entwicklungen in Großbritannien Ende des 18. Jh. und in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jh. zeigten, sozial entwurzelt und in Not und Elend gestürzt.
Aus dieser Situation heraus entstand die soziale Frage. Sie resultierte aus der gewaltigen Diskrepanz zwischen
Bei den von ihr betroffenen Bevölkerungsschichten gipfelte sie in der drängenden Frage, wie man den Missständen am wirkungsvollsten und am schnellsten begegnen und sie überwinden könnte.
Diese Suche nach Lösungen löste bei den Betroffenen folglich vielfältige Überlegungen und politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten zur Überwindung der sozialen Frage aus.
Die soziale Frage entwickelte sich mit besonderer Schärfe zwangsläufig für den Teil der Bevölkerung, der von der aufstrebenden Industrie in Massen in die Produktionsbetriebe „gesogen“ wurde, also für die Industriearbeiterschaft.
Die beginnende Industrialisierung hatte durch den Rückgang des Handwerks Hundertausende von Handwerksgesellen arbeitslos gemacht. Sie strömten in die Industriebetriebe und stürmisch wachsenden Industriestädte. Verstärkt wurde dieser Zustrom noch durch die Landflucht von besitzlosen Landarbeitern und verarmten Kleinbauern.
Beide Bevölkerungsgruppen zusammen bildeten in den Städten die neue soziale Klasse des Industrieproletariats.
Die Angehörigen dieser neuen Klasse des Proletariats waren zwar, beispielsweise im Unterschied zu den leibeigenen Bauern, rechtlich frei. Sie verfügten aber über keine eigenen Produktionsmittel, z. B.
mit denen sie ihren Lebensunterhalt verdienen konnten.
Aus diesem Grunde waren sie gezwungen, sich zur Sicherung ihrer und der Existenz ihrer Familie als Lohnarbeiter in den Betrieben zu verdingen.
Damit war zugleich das für den Kapitalismus typische Verhältnis der Abhängigkeit zwischen seinen beiden Hauptklassen entstanden:
Die Abhängigkeit
Das wachsende Arbeitskräfteangebot in den Städten drückte die ohnehin schon niedrigen Löhne und führte vielfach zur Nutzung billiger Kinder- und Frauenarbeit. Häufig konnte deshalb nur die Tätigkeit mehrerer Familienmitglieder die Existenz der Familie sichern. Dazu kamen überlange Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden. In den Betrieben gab es eine hohe Unfallhäufigkeit, da die Sicherungsmaßnahmen äußerst unzureichend waren.
Aber nicht nur die Arbeits-, sondern auch die Wohnverhältnisse waren elend. Häufig war in den aus dem Boden schießenden kasernenähnlichen Wohnvierteln der Lohnarbeiter in den Städten kein menschenwürdiges Leben möglich.
Dazu kam die ständige Existenzbedrohung:
bedrohten unweigerlich die Existenz ganzer Familien.
Die Folgen der fast unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, die besonders in der Frühphase der Industrialisierung auftraten, waren
in den meisten Arbeiterfamilien.
Versuche, diese unhaltbaren Zustände zu erleichtern, kamen zuerst von einzelnen Persönlichkeiten und kirchlichen Organisationen.
Auch einzelne Unternehmer versuchten, die Lebensbedingungen ihrer Arbeiterschaft zu verbessern. Dahinter stand meist der Wunsch, mit einer Stammbelegschaft, die dem Betrieb die Treue hält, die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen.
Vor diesem Hintergrund entstanden
Mit solchen Maßnahmen konnten zweifellos die unwürdigen Arbeits- und Lebensverhältnisse des Proletariats verbessert, aber nicht verändert werden.
Die Veränderung der Zustände wurde erst zum Ziel der in der Arbeiterschaft selbst seit Mitte des 19. Jahrhunderts erwachenden Kräfte. Die in dieser Zeit entstehenden Handwerkerbünde und Arbeitervereine wurden zu den Keimzellen der Arbeiterbewegung.
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