NIELS BOHR lebte in der Zeit, in der die klassische Physik vollendet wurde und sich die Quantenphysik und die Atomphysik zu entwickeln begannen. Es war eine Zeit erheblicher Umbrüche in der Wissenschaft, aber auch in der Gesellschaft.
NIELS BOHR wurde am 7. Oktober 1885 in Kopenhagen als Sohn eines Professors für Physiologie geboren. Sein Vater war naturwissenschaftlich sehr vielseitig interessiert, wissenschaftliche Gespräche gehörten in der Familie zum Alltag. Der zwei Jahre jüngere HARALD BOHR wurde ein bekannter Mathematiker.
NIELS BOHR war ein sehr guter Schüler: Ab 1903 studierte er in Kopenhagen Physik und zeichnete sich auch als Student durch ausgezeichnete Leistungen aus. So erhielt er z. B. 1906 eine Goldmedaille der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften für eine experimentelle Arbeit über die Oberflächenspannung des Wassers. Dies blieb seine einzige größere experimentelle Arbeit. Später arbeitete er nur noch theoretisch.
BOHR war immer sehr vielseitig interessiert. Schon als Student hörte er neben Vorlesungen in Physik und Mathematik auch solche über Logik, Erkenntnistheorie und Philosophie. Dieses Interesse schlug sich später in vielen seiner Arbeiten nieder. In seiner Jugend war er ein begeisterter Fußballspieler. Sein Bruder war sogar Mitglied der dänischen Olympiamannschaft von 1908. 1922 soll eine dänische Zeitung berichtet haben, dem "berühmten Fußballspieler" N. BOHR sei der Nobelpreis für Physik verliehen worden.
1911 promovierte BOHR mit einer Arbeit über die Theorie der freien Elektronen in Metallen. In dieser Arbeit zeigte er, dass die magnetischen Eigenschaften mit der klassischen Physik nicht ausreichend beschrieben werden konnten. Anschließend ging er zu einem längeren Studienaufenthalt nach England, zunächst zu J. J. THOMSON nach Cambridge an das berühmte Cavendish-Laboratorium, dann nach Manchester zu ERNEST RUTHERFORD (1871-1937). Mit ihm war BOHR bis zu RUTHERFORDs Tod freundschaftlich verbunden.
BOHR studierte die Vorstellungen RUTHERFORDs vom Atombau, insbesondere auch das rutherfordsche Atommodell. Danach war ein Atom eine Art kleines Planetensystem, in dem negativ geladene Elektronen um den positiv geladenen Atomkern kreisen. BOHR war der Meinung, dass zur Beschreibung und Erklärung atomarer Vorgänge die klassische Physik nicht ausreicht, dass die Quantenphysik dazu benötigt wird.
Im Herbst 1912 wurde BOHR Assistent an der Universität Kopenhagen.
BOHR beschäftigte sich intensiv weiter mit dem Problem des Atombaues und sandte im März 1913 den ersten Teil seiner weltberühmten Arbeit "Über den Aufbau der Atome und Moleküle" an RUTHERFORD. Noch im gleichen Jahr erschien die Arbeit in der führenden Zeitschrift "Philosophical Magazine" und erregte großes Aufsehen in der Fachwelt, weil sie mit den Denkgewohnheiten der klassischen Physik brach. BOHR stellte in dieser Arbeit ein Atommodell vor, das wir heute als bohrsches Atommodell kennen und in dem er Vorstellungen der klassischen Physik mit denen der Quantenphysik verband.
Mithilfe dieses Modells konnte man die Eigenschaften verschiedener Elemente voraussagen und erklären, warum Atome nur Licht bestimmter Frequenz aussenden.
1916 erhielt BOHR eine Professur an der Universität Kopenhagen, 1920 richtete man für ihn einen Lehrstuhl für theoretische Physik ein und 1921 erhielt er ein eigenes Institut für Theoretische Physik. Dieses wurde zum "Mekka der Atomforscher aller Länder". Es galt in der ganzen Welt als hohe Auszeichnung und als Nachweis von Qualität, wenn jemand einige Zeit an diesem Institut gearbeitet hatte. Viele führende Wissenschaftler hielten sich dort auf. 1922 wurden die Leistungen von NIELS BOHR durch die Verleihung des Nobelpreises anerkannt.
Neben Problemen des Atombaus beschäftigten BOHR auch immer erkenntnistheoretische Fragen. So entwickelte er 1918 das Korrespondenzprinzip. Es besagt, dass die Quantentheorie mit der klassischen Theorie in Übereinstimmung gebracht werden kann, mit ihr "korrespondiert". Die Quantenmechanik muss für den Grenzfall großer Massen oder großer Bahnabmessungen in die klassische Mechanik übergehen.
1927 entwickelte BOHR ein weiteres Prinzip, das er als Komplementaritätsprinzip bezeichnete. Es ermöglicht eine widerspruchsfreie Deutung quantenmechanischer Erscheinungen. BOHR selbst formulierte:
"Die Begriffe Teilchen und Welle ergänzen sich, indem sie sich widersprechen; sie sind komplementäre Bilder des Geschehens."
In den dreißiger Jahren widmete sich BOHR verstärkt Fragen der Atomphysik. So entwickelte er z. B. 1939 zusammen mit dem US-amerikanischen Physiker WHEELER eine Theorie der gerade entdeckten Kernspaltung.
Nach der Besetzung Dänemarks durch die deutsche Wehrmacht im Jahre 1940 blieb BOHR zunächst in Kopenhagen. Erst 1943 floh er unmittelbar nach einer Information über eine bevorstehende Verhaftung in einer abenteuerlichen Nachtfahrt in einem Fischerboot zunächst nach Schweden. Später kam er über England in die USA und arbeitete dort als Berater beim Bau der Atombombe mit.
Der Einsatz dieser Bombe 1945 in Hiroshima und Nagasaki hat ihn tief erschüttert. Nach seiner Rückkehr nach Kopenhagen 1945 kämpfte BOHR leidenschaftlich gegen den Bau von Atomwaffen.
Neben einer großen Zahl von Fachveröffentlichungen hat BOHR auch zahlreiche Arbeiten zu erkenntnistheoretischen und philosophischen Problemen der Physik verfasst. Bereits 1931 erschien die erste Sammlung derartiger Publikationen in deutscher Sprache mit dem Titel "Atomtheorie und Naturbeschreibung".
BOHR war glücklich verheiratet. Er hatte sechs Söhne, einer wurde ebenfalls ein anerkannter Kernphysiker und wurde ebenfalls mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.
Hochgeehrt durch Auszeichnungen und Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften der Welt, starb BOHR am 18. November 1962 in Kopenhagen.
Stand: 2010
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