- Lexikon
- Physik Abitur
- 7 Atom- und Kernphysik
- 7.1 Physik der Atomhülle
- 7.1.2 Atommodelle
- Ernest Rutherford
ERNEST RUTHERFORD lebte in der Zeit der raschen Entwicklung der Atomphysik und kann als einer der Pioniere dieses damals neuen Teilgebietes der Physik angesehen werden.
ERNEST RUTHERFORD wurde am 30. August 1871 in Neuseeland als viertes Kind schottischer Einwanderer geboren. Sein Vater war ein tatkräftiger Siedler, er erbaute eine der ersten Flachsmühlen in Neuseeland und begründete einen Holzhandel. Seine Mutter war die erste Lehrerin auf Neuseeland. RUTHERFORD war ein ausgezeichneter Schüler, der mehrfach Stipendien erhielt. Seine Interessen waren sehr vielseitig. Nach einem Studium der Physik in Christchurch (Neuseeland) von 1890 bis 1894 kam er 1895 als Forschungsstudent an das berühmte Cavendish-Laboratorium in Cambridge (England) zu dem bekannten Physiker JOSEPH JOHN THOMSON (1856–1940).
THOMSON und RUTHERFORD untersuchten in den folgenden Jahren die Ionisation von Gasen durch die von H. BECQUEREL (1852–1908) entdeckten radioaktiven Strahlen. Diese Forschungen setzte RUTHERFORD nach seiner Berufung als Professor für Physik an die Universität Montreal (Kanada) im Jahre 1898 systematisch fort.
Bald unterschied er nach ihrem unterschiedlichen Durchdringungsvermögen zwei Arten von Strahlen und nannte sie Alpha- und Beta-Strahlen. Aus weiteren Untersuchungen radioaktiver Elemente und Halbwertzeitmessungen folgerten 1903 RUTHERFORD und der Engländer F. SODDY (1877–1956), dass beim Aussenden radioaktiver Strahlung chemische Elemente ihre Identität ändern, also Kernumwandlungen auftreten. So schrieben die beiden Wissenschaftler in einer Veröffentlichung von 1902:
Wir sind so zu der Auffassung gelangt, daß die Radioaktivität einerseits ein Atomphänomen ist, andererseits aber auch eine Begleiterscheinung einer chemischen Umwandlung, in der neue Stoffarten entstehen. Diese beiden Annahmen zwingen uns zu dem Schluß, daß die Radioaktivität eine Begleiterscheinung einer inneratomaren chemischen Umwandlung ist.
Wir haben nicht den geringsten Grund anzunehmen, daß das Uran oder Thorium nicht ebenso homogen ist - homogen im alltäglichen Sinne des Wortes - wie irgend ein anderes chemisches Element, zumindest solange vom Wirken uns bekannter Kräfte die Rede ist.
Der Gedanke, daß das chemische Atom in gewissen Fällen spontan zerfällt, wobei Energie freigesetzt wird, ist an sich mit nichts im Widerspruch, was wir vom Atom wissen. Es gehören nämlich die Ursachen, die zum Zerfall führen, vorläufig nicht zu jenen, die wir beeinflussen können, wogegen die allgemein zur Kenntnis genommene Stabilität des chemischen Atoms nur auf solchen Kenntnissen beruht, die wir bezüglich der uns zur Verfügung stehenden Kräfte erworben haben....
Wir können vorläufig nichts über den Mechanismus der Umwandlung aussagen, aber - was auch immer schließlich der endgültig eingenommene Standpunkt sein wird - es scheint die Hoffnung berechtigt zu sein, daß die Radioaktivität uns das Mittel liefert, Kenntnisse über die sich innerhalb des Atoms abspielenden Prozesse zu erlangen.
Das war ein Umsturz im Weltbild der Physik. Galten doch Atome seit ihrer Entdeckung 100 Jahre zuvor als die kleinsten, unveränderlichen Bausteine der Stoffe. Erste Zerfallsreihen wurden aufgestellt.
1900 heiratete er eine Mitstudentin aus Neuseeland, die ihm lebenslang auch so eine Art Privatsekretärin war.
In den folgenden Jahren untersuchte RUTHERFORD die Alphastrahlung genauer. Nachdem er festgestellt hatte, dass es sich um Teilchen handelte, maß durch Ablenkungsversuche deren spezifische Ladung. Mittels spektroskopischer Untersuchungen fand er schließlich, dass Alphateilchen aus Helium bestehen. In einem allerersten Atommodell nahm er nun an, dass alle Atome aus Heliumatomen und Elektronen bestehen. Für diese Untersuchungen zur radioaktiven Strahlung erhielt RUTHERFORD 1908 den Nobelpreis für Chemie.
Ernest Rutherford (1871 bis 1937)
1907 kehrte Rutherford nach England als Professor an die Universität Manchester zurück. Die Alphateilchen ließen ihn nicht mehr los. Durch seine Schüler H. GEIGER (1882–1945) und E. MARSDEN (1889–1970) ließ er dünne Metallfolien mit Alphateilchen beschießen. Das Ergebnis war verblüffend. Man hatte erwartet, dass fast alle Teilchen an der viele Atome dicken Folie zurückprallen. Das war aber nur für ganz wenige Teilchen so. Die meisten wurden nur wenig abgelenkt. Rutherford zog aus diesem Ergebnis den Schluss, dass der größte Teil der Masse eines Atoms in einem kleinen Raumbereich konzentriert ist, dem Atomkern. Dieser ist positiv geladen und wird von Elektronen umkreist. Damit hatte RUTHERFORD 1911 das Planetenmodell des Atoms geschaffen, das ein Jahr später von seinem Schüler NIELS BOHR (1885–1962) zum berühmten bohrschen Atommodell weiterentwickelt wurde.
1919 wurde RUTHERFORD Nachfolger von J. J. THOMSON als Leiter des Cavendish-Laboratoriums in Cambridge. In diesem Jahr gelang ihm seine dritte berühmte Entdeckung. Bei der Bestrahlung von Stickstoff mit Alphateilchen erhielt er Sauerstoff und hatte damit die erste künstliche Kernumwandlung beobachtet. In heutiger Schreibweise vollzog sich dabei folgende Kernumwandlung:
Der Traum der mittelalterlichen Alchemisten, Elemente ineinander umzuwandeln, war in Erfüllung gegangen, die moderne Kernphysik war geboren.
RUTHERFORD stellte außerdem fest, dass der ausgesendete Wasserstoffkern eine höhere Energie hat, als das eingestrahlte Alphateilchen. Bei dieser Umwandlung wird also Energie frei. Diese Entdeckung verband er mit der Voraussage eines ungeladenen Elementarteilchens, des Neutrons. Es wurde von seinem Schüler
J. CHADWICK (1891–1974) im Jahre 1932 entdeckt.
Auch außerhalb der Kernphysik hat sich RUTHERFORD Verdienste erworben. Im Ersten Weltkrieg war er Mitarbeiter der Admiralitätsbehörde für Forschung. In dieser Zeit stellte er seine kernphysikalischen Untersuchungen zurück und erforschte mit seinen Mitarbeitern die Unterwasserakustik, um die Ortung von U-Booten zu ermöglichen.
1930 wurde RUTHERFORD Vorsitzender des staatlichen Ausschusses für wissenschaftliche und industrielle Forschung. In dieser Funktion und als Präsident der Royal Society (seit 1925) hat er immer wieder auf die große Bedeutung wissenschaftlicher Forschung für die Gesellschaft hingewiesen. 1931 wurde er in den höchsten englischen Adelsstand erhoben und durfte sich LORD RUTHERFORD OF NELSON nennen.
Wissenschaftlich bis zuletzt aktiv, erlag RUTHERFORD am 19. Oktober 1937 den Folgen einer Operation. Der russische Physiker P. KAPIZA, der mehrere Jahre bei RUTHERFORD gearbeitet hatte, schrieb in seinem Nachruf:
„In der Wissenschaftsgeschichte ist es schwierig, einen anderen Fall zu finden, daß ein einzelner Wissenschaftler einen solch großen Einfluß auf die Entwicklung der Wissenschaft hatte....Ich bin sicher, daß in allen Ländern Wissenschaftler nicht nur deshalb Rutherfords Tod beklagen, weil er der größte Experimentalphysiker seit Faraday war, sondern auch, weil sie einen Lehrer und Freund verloren haben.“
Rutherfordsches Atommodell
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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