Der Name „Fledermaus“ ist zoologisch gesehen eigentlich nicht korrekt, denn mit den Mäusen sind die Fledermäuse nicht näher verwandt. Mit viel Fantasie könnten ihr dichtes, mausartiges Fell und ihr Kopf an eine Maus erinnern. „Fleder“ bedeutet so viel wie flattern, eine passende Umschreibung ihrer flatternden Flugbewegungen.
Statistisch gesehen ist jedes 4. Säugetier eine Fledermaus, und trotzdem weiß man insgesamt sehr wenig über diese Ordnung. Neben den Nagern gehört diese Ordnung (Chiroptera) zu den artenreichsten (fast 1 000 Arten) innerhalb der Säugetiere. Die Fledertiere sind die einzigen Säugetiere, die fliegen können. Bei uns wurden diese Tiere in der Vergangenheit meist als unheimliche, mit den bösen Mächten in Verbindung stehende Tiere angesehen, in China dagegen werden sie oft als Symbole des Glücks dargestellt.
Durch ihren Flatterflug und die Ausbildung eines hoch spezialisierten Orientierungssystems mit Ultraschall sind die Fledertiere hervorragend an ihren Lebensraum angepasst. Ihre Flügel bestehen aus einer Flughaut, die von den
vier sehr langen Fingern inklusive der verlängerten Vorderextremität gestützt wird. Die Flughaut ist von unzähligen feinen Blutgefäßen, Nerven und Muskelfasern durchzogen und dient demnach auch der Temperaturregulation. Bei kalter Witterung wickelt sich das Fledertier in seine Flughaut ein, bei großer Hitze dient die Flughaut als unerlässlicher fächernder Wärmeabstrahler. Der erste Finger ist meist verkürzt und mit Kralle versehen, ein Festheftungsmechanismus, der bei einigen Arten noch durch zusätzliche Saugnäpfe an Daumen und Fuß verstärkt wird. So können sie sich am Boden, v. a. aber vierfüßig kletternd an Bäumen und Wänden fortbewegen.
Die Krallen, die auch an den fünf Zehen der Hinterextremität ausgebildet werden, ermöglichen es den Tieren, kopfabwärts an Ästen oder Vorsprüngen zu hängen. Die Fledermäuse verfügen über ein sehr bewegliches Schulterskelett, das für die Wendigkeit beim Fliegen unerläßlich ist. Fledermäuse können enorm schnell beschleunigen und abbremsen und sind in der Lage, fast senkrecht aufzusteigen. Es sind Fluggeschwindigkeiten bis zu
27 m/sec gemessen worden. Die Flügelform ist an den bevorzugten Lebensraum angepasst. Arten, die wendige Jäger im Geäst sind, haben eher breite, runde Flügel, während Arten, die im freien Raum jagen, eher spitze Flügel besitzen. Die insektenfressenden Fledermäuse jagen ihre Nahrung fast ausschließlich im Flug und nur sehr selten am Boden, die Flughundverwandten dagegen nehmen ihre Früchte und Säfte an den entsprechenden Stellen zu sich und müssen dazu natürlich landen.
Alle Fledertiere sind mehr oder weniger nachtaktiv und gehen in der Dämmerung oder bereits eingebrochenen Dunkelheit auf Nahrungssuche. Wenn Fledermäuse sich tagsüber ausruhen, hängen sie meist in Gesellschaft zahlreicher Artgenossen kopfunter an Baumästen ihrer Schlafbäume, in Baumhöhlen, in Felsnischen oder auf Dachböden bzw. hinter Fensterläden. Aus dieser Position können sie leichter starten, denn ein Aufsteigen vom Boden aus ist für sie aus flugmechanischen Gründen problematisch.
Fledermäuse haben ein sehr großes Herz, eine leistungsbedingte Anpassung ans Fliegen. Die Herzfrequenz beim Fliegen beträgt 1 110 Schläge/min, in Ruhe 450 Schläge/min und beim Winterschlaf sogar nur 4 Schläge/min. Auch die Atemfrequenz ist beim Fliegen außergewöhnlich hoch: 600 Atemzüge/min.
Fledermäuse jagen nachts bzw. in der Dämmerung. Die Augen der Nachtjäger sind nur gering entwickelt, die der frühen Dämmerungsflieger sind besonders groß. Fledermäuse und Flughunde können ausgezeichnet hören. Sie nehmen ihre Beute und die Beschaffenheit ihres Umfelds an den Echos von Lauten wahr, die sie selbst mit dem Kehlkopf erzeugen, mit den Ohren wahrnehmen und im Zwischen- und Endhirn sowie im Mittelhirndach verarbeiten und letztendlich verstehen. Treffen die ausgestoßenen Laute auf ein Hindernis (z. B. Beutetier), werden sie zurückgeworfen. Der Ruf versetzt die Luft in Schwingungen und diese entstehenden Schallwellen breiten sich nach allen Seiten hin aus. Diese Echo-Schallwellen werden dann von den großen Ohrmuscheln der Fledermäuse aufgefangen. Mit ihrem Orientierungsapparat sind die Fledermäuse also in der Lage, ein „Hörbild“ ihrer Umwelt zu erzeugen. Da sich Schallwellen mit einer bekannten Geschwindigkeit ausbreiten, ist die Fledermaus darüber hinaus in der Lage, Entfernungen exakt zu bestimmen. Sie kann aus dem Zeitunterschied vom Aussenden des Signals bis zum Ankommen des Echos die Entfernung zum Hindernis erfassen, somit Beutetiere orten und Hindernissen ausweichen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Echolotsystem. Die besonders leistungsfähigen Hufeisennasen können sogar Hindernisse wie einen 0,05 mm dünnen Draht mithilfe ihrer Echoortung erkennen. Sie können also feinste Strukturen der Oberfläche wahrnehmen, auch wenn die Beutetiere nur noch
50 cm entfernt sind. Aus der Zeit, die der Schall braucht, um zurückzukommen, errechnet die Fledermaus die Entfernung ihrer Beute, aus der Veränderung der Tonhöhe die Fluggeschwindigkeit und aus den Verzerrungen des Echos die Struktur der Oberfläche. Somit kann sie ihr Beutetier eindeutig von anderen Hindernissen unterscheiden. Selbst Schwingungsunterschiede von 100 Mikrosekunden (0,0001 Sekunden) werden von ihr registriert.
Die Hufeisennasen können beispielsweise in einer Nacht 400 000 Ortungslaute aussenden. Die Hufeisennasen haben ihren Namen unter anderem aufgrund der kompliziert gestalteten Nasenaufsätze. Die Ultraschalllaute werden bei dieser Familie durch die Nase ausgestoßen. Die Nasenaufsätze fungieren dabei als Richtstrahler, und die schwenkbaren Ohrmuscheln dienen als Richtempfänger. Bei den Hufeisennasen liegt die Frequenz der ausgestoßenen Ultraschallrufe zwischen 80 und 100 kHz. Die hochfrequenten Ortungslaute werden vom Menschen nicht mehr wahrgenommen. Die Hörleistung mancher Arten reicht bis 215 kHz, das sind 215 000 Schwingungen pro Sekunde. Das menschliche Ohr versagt seinen Dienst bereits bei 15–20 kHz, genau dort, wo der Hörbereich der Fledermäuse erst beginnt.
Die Nacht ist für Fledermäuse beutetechnisch wesentlich effektiver als der Tag. Nachts fliegen etwa zehnmal so viele Schmetterlingsarten wie am Tag. Das Zentralnervensystem ist vor allem im Kleinhirn gut ausgebildet. Dort findet man die für die exzellenten Flugfähigkeiten notwendigen Nervenzentren für Wahrnehmung und Korrektur der Körperlage im Raum. Das Vorderhirn ist dagegen nur schwach ausgebildet, allerdings konnte man durch entsprechende Untersuchungen nachweisen, dass Fledermäuse ein hervorragendes Lern- und Erinnerungsvermögen für Dinge in ihrer Umwelt besitzen, sodass mit diesem Wissen die Ortstreue mancher heimischer Vertreter nachzuvollziehen ist. Man hatte die Tiere markiert und konnte sie jedes Jahr wieder an genau der gleichen Stelle in Kirchtürmen oder Bergwerksstollen antreffen. Es gibt nämlich Arten, die bis zu 1 000 km lange Wanderzüge unternehmen. Je nach Ernährungsweise sind Schädel und Gebiss sehr unterschiedlich gestaltet. Die Milchzähne sind meist mit Haken versehen, was in erster Linie dem Festhalten am Fell der Mutter dient.
Es gibt verschiedene Ernährungstypen:
Orientierung der Fledermäuse am Echo der von ihnen ausgestoßenen Laute (Ultraschalllaute)
Hörbereich verschiedener Tiere
I. Ordnung: Fledermäuse (Chiroptera)
1. Unterordnung: Flughunde (Megachiroptera): Orientierung meist mit den Augen, nur bei Rousettus auch mit Echolotpeilung, 166 Arten: Große Früchte fressende Fledertiere aus den Tropen und Subtropen der Alten Welt; besonders gut entwickelter Geruchssinn, große, hoch entwickelte Augen, sehr einfach strukturierte Ohren, rückgebildeter Schwanz; sie besitzen einen kräftigen Daumen mit einer starken Kralle, die über die Flughaut hinausragt. Einige Arten haben auch am 2. Finger eine kleine Kralle. Die Krallen und die Hinterextremitäten dienen der Fortbewegung in den Bäumen, wo sich die Flughunde ihre Früchte suchen. Einige Arten fressen auch Pollen und Nektar. Männchen und Weibchen kann man äußerlich nicht unterscheiden.
2. Unterordnung: Microchiroptera, ca. 850 Arten, kurzer Gesichtsschädel, Nase hat meist komplizierte häutige Aufsätze, sehr große Ohren, 2. Finger zweigliedrig ohne Kralle, zum Teil Haftscheiben, weltweite Verbreitung, setzt sich aus vier Überfamilien zusammen:
In den gemäßigten Zonen gibt es einen Fortpflanzungszyklus, in den Tropen auch mehrere Zyklen. In der Regel werden 1–2 Jungtiere pro Wurf geboren. Bei dieser fliegenden Lebensweise wäre der Transport von mehreren Embryonen bzw. Neugeborenen zu energieaufwendig, daher wird meist nur 1 Jungtier geboren. Einige Arten bekommen allerdings regelmäßig Zwillinge (z. B. Zweifarbfledermaus). Bei den Arten, die Winterschlaf halten, erfolgt die Begattung im Spätsommer oder Herbst, die Samenzellen werden also monatelang im Genitaltrakt der Weibchen gespeichert, Eisprung und Befruchtung erfolgen somit 1–3 Tage nach Beendigung des Winterschlafs. Die männlichen Geschlechtsorgane sind denen des Menschen recht ähnlich, in der Regel befinden sich die Hoden jedoch in der Bauchhöhle und steigen nur in der eigentlichen Fortpflanzungssaison (also in unseren Breiten im Spätsommer/Herbst) in den Hodensack hinab. Die Begattung erfolgt in der üblichen Säugetierstellung und die Aufzucht der Jungen wird ausschließlich von den Weibchen übernommen. Bei manchen Arten wird verzögert eingenistet, die Zygote macht einige Teilungsschritte durch und geht dann in ein Ruhestadium über, die Einnistung erfolgt auch erst nach dem Winterschlaf, wohingegen die Tiere sich bereits im Herbst verpaarten. Die tropischen Arten entwickeln sich schneller. Die Stillzeit beträgt bei fruchtfressenden Fledermäusen ca. 4–6 Monate, bei Insektenfressern 1–2 Monate. Fledermausmilch ist sehr nahrhaft und energiereich und hat einen relativ hohen Fettanteil (23–29 %). Auch die Jungtiere können bei ungünstigen Wetterverhältnissen in Winterschlaf fallen. Bei Fledermäusen sind Wochenstuben mit Tausenden von Tieren durchaus verbreitet.
Fledertiere gelten vermutlich durch ihre nachtaktive Lebensweise, ihre außergewöhnlichen überdimensionalen Nasenaufsätze und ihren lautlosen Flug als unheimliche Gespenstertiere. Betrachtet man alte Gemälde, so sind Dämonen und Teufel fast immer mit Fledermausflügeln ausgestattet, während die „guten Engel“ Vogelflügel haben. Dabei sind vor allem die insektenfressenden Arten nützliche Schädlingsvertilger, die in Deutschland mittlerweile alle unter Naturschutz stehen. Zwei entscheidende Maßnahmen gefährden ihren Bestand:
Alle Fledermäuse stehen daher bei uns auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere.
Flughunde dagegen sind in Tropengebieten als Fruchtvertilger durchaus als Schädlinge bekannt.
Fledertiere können sehr alt werden. Man hat durch das Wiederfinden von beringten Fledermäusen herausgefunden, dass eine Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) z. B. 18 Jahre und eine Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) sogar 21 Jahre alt geworden ist.
Stand: 2010
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