LOTHAR MEYER lebte in einer Zeit, die nicht nur viele politische Veränderungen hervorbrachte, sondern auch einen immensen Aufschwung in Wissenschaft und Technik erfuhr. Das fortschrittliche Bürgertum, aus dem auch LOTHAR MEYER stammte, erkannte immer mehr die nutzbringende Rolle der Naturwissenschaften für die Produktion. Auf der Grundlage dieser Wechselwirkung resultieren eine Reihe bedeutender Entdeckungen und Erfindungen dieser Zeit.
Die fundamentalen naturwissenschaftlichen Entdeckungen führen auch dazu, dass großtechnische Prozesse immer besser beherrscht wurden und riesige Gewinne abwarfen. Die Verfahren zur Herstellung von Stahl und Schwefelsäure wurden revolutioniert. Die erste deutsche Eisenbahnlinie entstand und Telegrafie wurde eingeführt. Eine besondere Entwicklung nahm die organische Synthesechemie durch die erfolgreiche technische Realisierung der Synthesen von Farbstoffen wie Indigo oder Arzneistoffen, wie Aspirin. Dadurch bedingt erfolgte die Gründung vieler großer Chemieunternehmen, wie der BASF und der BAYER AG, die heute noch führende Unternehmen in ihrer Branche sind.
Am 19. August 1830 wurde LOTHAR MEYER als Sohn eines Arztes in Varel an der Jade (Oldenburg) geboren. In seiner Kindheit wurde er von einer Vielzahl schwerer Krankheiten gepeinigt, wodurch er die höhere Schule erst nach einer körperlichen Erholungsphase absolvieren konnte. Sein außerordentliches Interesse galt besonders den alten Sprachen, daneben aber auch den Naturwissenschaften und der Mathematik. Die griechischen Klassiker im Original zu lesen, war für ihn Entspannung und Freude.
Nach erfolgreichem Abschluss des Abiturs 1851 beschloss MEYER zunächst Arzt zu werden, wie sein inzwischen verstorbener Vater. Nach seinem Medizinstudium in Würzburg und Zürich promovierte er „Über die Gase des Blutes“ 1854. Zuvor war er zu ROBERT BUNSEN (1811-1899) nach Heidelberg gegangen. Neben den gasanalytischen Methoden von BUNSEN lernte er dort viele junge Chemiker kennen, denn das Labor von BUNSEN war weltweit ein attraktiver Anziehungspunkt für Wissenschaftler. So befreundete er sich mit AUGUST KEKULÈ (1829-1896), dem späteren Mitbegründer der Strukturchemie und Entdecker der Benzolringformel und lernte auch ADOLF VON BAEYER (1835-1917) kennen, der 1905 den Nobelpreis für Chemie für seine Arbeit über organische Farbstoffe erhielt.
Nach einer von ihm besuchten Vorlesungsreihe zur mathematischen Physik in Königsberg promovierte er im Frühjahr 1858 in Breslau zum Dr. phil. über die Einwirkung von Kohlenstoffmonooxid auf das Blut. In Breslau habilitierte MEYER, wurde Privatdozent und Leiter des chemischen Laboratoriums der Breslauer Universität. Er hielt zahlreiche Vorlesungen über Biochemie, Fotochemie, Gasanalyse und Maßanalyse.
Der im September 1860 ins Leben gerufene, berühmt gewordene internationale Chemikerkongress in Karlsruhe hatte auf LOTHAR MEYER großen Einfluss. Hauptschwerpunkt dieses Kongresses war die Vereinheitlichung der Begriffe in der Chemie und die Schaffung einer einheitlichen chemischen Theorie. Und auch die lebhafte Rede von STANISLAO CANNIZZARO (1826-1910) über eine kompromisslose und nur eine Wahrheit vernehmbare theoretische Chemie hinterlies ihre Spuren bei MEYER.
In Folge dessen begann LOTHAR MEYER 1862 mit seinem eigenen Werk: „ Die modernen Theorien der Chemie “, welches 1864 erschien.
Um einen Ruf in Neustadt-Eberswalde anzunehmen, verlies Meyer Breslau nach sieben Jahren und wurde 1867 Professor für die gesamten anorganischen Naturwissenschaften (Mineralogie, Chemie, Physik...). In Neustadt-Eberswalde heiratete MEYER seine geschätzte Kollegin Johanna Volkmann. Seine Ehefrau und die Mutter seiner vier Kinder nahm auch weiterhin regen Anteil an seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Diesen konnte er ab 1868 in Karlsruhe noch besser nachgehen. Bereits in seinen „Modernen Theorien“ hatte er sechs Elementgruppen nach ihren Eigenschaften und Atomgewichten zusammengestellt, die späteren Haupt- und Nebengruppen. Daran anknüpfend ordnete er in einer weitaus umfangreicheren Tabelle 52 Elemente an. Ehe er sich allerdings dazu entschloss, diese Ergebnisse 1870 zu publizieren, hatte bereits MENDELEJEW seine „Beziehungen der Eigenschaften zu den Atomgewichten der Elemente“ 1869 veröffentlicht.
Daraus entbrannte ein Prioritätsstreit zwischen MEYER und MENDELEJEW, der aber durchaus fachlich orientiert war und sogar in eine Freundschaft zwischen beiden Wissenschaftlern mündete.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Aufstellung des Periodensystems der Elemente erhielt MEYER 1882 zusammen mit MENDELEJEW die Davy-Medaille durch die Royal Society.
Infolge eines Gehirnschlages verstarb LOTHAR MEYER 1895 ganz plötzlich in Tübingen.
Lothar Meyer ist neben Dimitrij I. Mendelejew einer der Begründer des Periodensystems der Elemente.
Aufgrund der großen Zahl bis dahin bekannter unterschiedlicher Elemente, gab es schon zum Anfang des 19. Jahrhunderts erste Versuche, diese in irgendeiner Form zu ordnen.
Der Schwede JÖNS JACOB BERZELIUS (1779-1848) erneuerte 1814 die chemische Zeichensprache von Grund auf und führte das Buchstaben-Ziffern-System ein, das im Wesentlichen heute noch gebräuchlich ist. Später entdeckte BERZELIUS, der einer der geschicktesten Experimentalwissenschaftler seiner Zeit war, die Elemente Cer, Selen und Lithium, stellte Silicium, Zirkon und Tantal als Erster rein dar und bestimmte viele Atomgewichte mit großer Genauigkeit.
JOHANN WOLFGANG VON DÖBEREINER (1780-1849) stellte ab 1816 Vergleiche zwischen den Elementen an und versuchte mit den Triaden erstmals, die Elemente nach dem Prinzip ihrer Atommassen zu ordnen. Die von ihm aufgestellten Triaden sind z. B.:
Chlor-Brom-Iod
Calcium-Strontium-Barium,
mit jeweils sehr ähnlichen Eigenschaften.
Im Jahre 1829 veröffentlichte er dazu die sogenannte Triadenlehre.
Viele Jahre später (1864) veröffentlichte der Engländer JOHN A. R. NEWLANDS das sogenannte „Gesetz der Oktaven“. Er hatte nach Anordnung der Elemente mit steigenden Atommassen entdeckt, dass jeweils nach sieben Elementen wiederum ein Element folgt, welches in seinen Eigenschaften dem ersten sehr ähnelt.
Daran anknüpfend und auf der Grundlage seines eigenen Werkes zur „Modernen Theorie der Chemie“ formulierte LOTHAR MEYER 1870 die Beziehungen der einzelnen Elemente noch schärfer und detaillierter. Daraus entstand das Periodensystem der Elemente , welches bereits große Ähnlichkeit mit dem heute verwendeten PSE hatte.
Kurz zuvor (1869) hatte MENDELEJEW unabhängig von MEYER ebenfalls die Elemente nach ihren Atomgewichten geordnet und war zu ähnlicher Aufstellung der Elemente gekommen. MEYER verfolgte bei der Änderung der Eigenschaften besonders die Atomvolumina (Atomgewicht/ spezifisches Gewicht) der Elemente. Auf dieser Grundlage konnte er die von MENDELEJEW noch falsch eingeordneten Elemente an die richtige Stelle setzen (Au, Hg, Tl, Pb).
Das beflügelte wiederum die Arbeit von MENDELEJEW, der im Dezember 1870 bereits Vorraussagen über physikalische und chemische Eigenschaften von unentdeckten Elementen machte. Dazu gehörten das Eka-Bor, das Eka-Aluminium und das Eka-Silicium, die ihren Namen nach der Analogie der Elemente Bor, Aluminium und Silicium bekamen.
Mit der Entdeckung der Elemente Scandium (1879 durch LARS FREDRIK NILSON), Gallium (1875 durch PAUL EMILE LECOQ DE BOISBAUDRAN) und Germanium (1886 durch CLEMENS WINKLER) bestätigten sich die Prognosen MENDELEJEWS.
Bei Untersuchungen der Röntgenspektren von 38 Elementen entdeckte HENRY G. J. MOSELEY eine lineare Beziehung zwischen der zugehörigen Frequenz und der Kernladungszahl . MOSELEY stellte auch fest, dass dem Lanthan noch 14 weitere Elemente folgen müssen. Sein Diagramm zeigte auch das Fehlen der Elemente mit den Nummern 43, 61, 72 und 75. Nach dieser Erkenntnis wurde das Ordnungsprinzip des Periodensystems geändert und die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Elemente wurden seither als Funktion der Ordnungszahl erkannt.
LOTHAR MEYER war nicht nur bekannt für seine fachliche Kompetenz, die alle Teilgebiete der Chemie umfasste. Er war auch beliebt durch seine sinnvollen und beeindruckenden Experimente während seiner Vorlesungen. Bei seinen Experimenten kamen ihm seine handwerklichen Fertigkeiten sehr zugute. Viele Teile seiner Versuchsapparaturen entwickelte er selbst und fertigte sie mit einfachen Mitteln an. „..der Chemiker muss mit der Säge bohren können...“ sagte er oft mit den Worten BERZELIUS.
PSE
Stand: 2010
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