In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden in Europa und den USA bedeutende politische und wirtschaftliche Entwicklungen statt. Es war eine Zeit, in der viele Kriege geführt wurden, z. B. der Krimkrieg in Russland (1855), der Sezessionskrieg in den USA (1861-65) oder der Deutsch-Französische Krieg (1870/71). Dabei und bei den militärischen Auseinandersetzungen in den Kolonien teilten die mächtigsten Staaten dieser Zeit die Welt unter sich auf.
Die industrielle Entwicklung verlief in den europäischen Staaten außerordentlich schnell. Unter anderem führten fundamentale naturwissenschaftliche Entdeckungen dazu, dass großtechnische Prozesse immer besser beherrscht wurden und riesige Gewinne abwarfen. Die Verfahren zur Herstellung von Stahl und Schwefelsäure wurden revolutioniert. Eine besondere Entwicklung nahm die organische Synthesechemie durch die erfolgreiche technische Realisierung der Synthesen von Farbstoffen wie Indigo oder Arzneistoffen wie Aspirin. Dadurch bedingt erfolgte die Gründung vieler großer Chemieunternehmen wie der BASF und der BAYER AG, die heute noch führende Unternehmen in ihrer Branche sind. Einer der bedeutendsten Industriellen des 19. Jahrhunderts war der schwedische Chemiker und Ingenieur ALFRED NOBEL.
ALFRED NOBEL erblickte am 21. Oktober 1833 in Stockholm das Licht der Welt. Sein Vater IMMANUEL NOBEL betrieb eine Gummifabrik, der jedoch kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden war. Aus diesem Grund verließ der Vater Schweden und baute in St. Petersburg (Russland) eine Fabrik zur Herstellung von Maschinen und Militärtechnik auf. Im Jahr 1843 übersiedelte auch die Familie nach St. Petersburg, wo ALFRED NOBEL eine ausgezeichnete Ausbildung durch Privatgelehrte wie den russischen Chemiker NIKOLAI ZININ (1802-1880) erhielt.
In der Jugend interessierte sich NOBEL zunächst für Literatur und Sprachen und wurde deshalb von seinem Vater 1850 auf eine Studienreise geschickt, die ihn u. a. nach Frankreich führte. In Paris vertiefte er seine Chemiekenntnisse und lernte den italienischen Arzt ASCANIO SOBRERO kennen, der 1847 als Erster Nitroglycerin hergestellt hatte. Der Mediziner interessierte sich für den Stoff hauptsächlich wegen seiner gefäßerweiternden und blutdrucksenkenden Wirkung. Noch heute wird Nitroglycerin deswegen in vielen Medikamenten gegen Herz-Kreislauf-Beschwerden oder gegen Herzinfarkte eingesetzt.
NOBEL dagegen erkannte, dass sich aus der Verwendung als Sprengstoff viel größerer Profit ziehen ließ und kehrte 1853 wieder nach St. Petersburg zurück, um in der Fabrik des Vaters zu arbeiten. Die Rüstungsfabrik ging jedoch nach Ende des Krimkriegs bankrott. Daraufhin ging NOBEL wieder nach Schweden und begann mit der Erforschung von Sprengstoffen, wobei er sich besonders dem Nitroglycerin widmete.
1863 entwickelte er das Prinzip der Initialzündung (lat.: initium = Anfang). Viele Sprengstoffe (allerdings nicht das Nitroglycerin) können nicht einfach durch Zufuhr mechanischer Energie oder Anzünden einer Lunte zur Explosion gebracht werden, da diese geringe Aktivierungsenergie nicht ausreicht, um die Reaktion in Gang zu bringen. Sie haben jedoch den Vorteil, preiswert und relativ handhabungssicher zu sein.
Solchen Sprengstoffen setzte NOBEL kleine Kapseln (10-100 mg) von weitaus sensibleren Explosivstoffen zu. Diese Stoffe (Quecksilberfulminat, Schwermetallazide u. a.) können durch Schlag, Stoß oder elektrische Signale zur Detonation gebracht werden. Die dabei frei werdende Energie ist so groß, dass sie die Explosion des trägeren Stoffs initiiert. Durch die Trennung der Sprengkapseln vom eigentlichen Explosivstoff während des Transports und der Vorbereitung der Sprengung wurde die Sicherheit beträchtlich verbessert.
Problematisch blieb jedoch die Handhabung des flüssigen Nitroglycerins. So wurden 1864 bei einer ungewollten Sprengung fünf Mitarbeiter getötet und das gesamte Labor zerstört. Trotzdem baute NOBEL die erste Nitroglycerinfabrik in Schweden und weitere in Deutschland (in der Nähe von Hamburg) und den USA.
Da es trotz scharfer Sicherheitsbestimmungen immer wieder zu Unfällen kam, suchte NOBEL nach einer Möglichkeit, auch die Handhabung des Nitroglycerins sicherer zu machen. Dies gelang ihm, indem er den flüssigen Sprengstoff an fester Kieselgur adsorbierte. Das feste Produkt Gurdynamit meldete er 1867 zum Patent an und nannte es später Dynamit. Dieser Sprengstoff war schlag- und stoßsicher und seine industrielle Produktion machte NOBEL zum vielfachen Millionär.
1873 ging er nach Paris und setzte seine Untersuchungen von Sprengstoffen fort. Dabei entdeckte er die Sprenggelatine, ein Gemisch aus Nitrocellulose und Nitroglycerin. Dieses Gemisch hatte eine noch stärkere Sprengwirkung als Dynamit und war fast genauso sicher in der Handhabung. Später entwickelte NOBEL daraus einen fast rauchlosen Sprengstoff, indem er noch Campfer als dritte Komponente zufügte. Diesen nannte er Ballisit und meldete ihn ebenfalls zum Patent an.
Bei der Entwicklung des Ballisits hatte NOBEL zwei englische Wissenschaftler um Rat gebeten und ihnen dabei die Zusammensetzung verraten. Die Engländer begannen sofort, ihren eigenen rauchschwachen Sprengstoff, das Cordit zu entwickeln. Da beide Stoffe fast die gleiche Zusammensetzung hatten, kam es zu einem Patentstreit, den NOBEL vor Gericht verlor.
Inzwischen hatte der schwedische Industrielle die Pazifistin BERTHA VON SUTTNER kennengelernt. Unter ihrem Einfluss und den Eindrücken der Kriege seiner Zeit (Deutsch-Französischer Krieg, Sezessionskrieg in den USA usw.) änderte NOBEL seine Einstellung zu Waffen und Sprengstoffen. Er erkannte das Unheil, das die von ihm erfundenen und in großen Mengen produzierten Stoffe anrichteten.
Trotz seiner Gewissensbisse beschäftigte er sich weiter mit Schießpulverversuchen, arbeitete jedoch auch an anderen Problemen. So untersuchte er die elektrolytische Herstellung von Alkalimetallen, synthetischen Edelsteinen und Kunstseide. Auch die chemischen Prozesse der Grundlagen der Fotografie interessierten ihn. Insgesamt meldete ALFRED NOBEL in seinem Leben 355 Patente an, die die Grundlage seines unermesslichen Reichtums bildeten.
1891 siedelte er nach San Remo über, um seinen Lebensabend in Italien zu verbringen. Der zunehmende Missbrauch seiner Erfindungen verstärkte seine Reue, sodass NOBEL versuchte, mit seinem Testament sein Gewissen zu beruhigen. Da er keine Erben besaß, beschloss er, sein Vermögen in den Dienst der Entwicklung der Naturwissenschaften für friedliche Zwecke und die Erhaltung des Friedens zu stellen.
Als ALFRED NOBEL am 10. Dezember 1896 in San Remo starb, betrug sein Vermögen mehr als 30 Mio. schwedische Kronen, eine für damalige Verhältnisse riesige Zahl. Er wies seinen Testamentvollstrecker an, das Geld in sicheren Wertpapieren anzulegen und einen Fond zu bilden, aus dessen Zinsen die berühmten NOBEL-Preise finanziert werden.
Im Jahr 1900 wurde daher die NOBEL-Stiftung in Stockholm gegründet und die ersten NOBEL-Preise auf den vom Stifter selbst festgelegten Gebieten (Literatur, Physik, Chemie, Medizin und Friedenserhaltung) verliehen. Bis heute sind diese NOBEL-Preise die am höchsten dotierten Auszeichnungen für Wissenschaftler, Schriftsteller und Menschen, die sich besonders für die Erhaltung des Friedens eingesetzt haben.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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