- Lexikon
- Physik Abitur
- 7 Atom- und Kernphysik
- 7.2 Physik des Atomkerns
- 7.2.3 Kernenergie
- Julius Robert Oppenheimer
JULIUS ROBERT OPPENHEIMER (Bild 1) lebte in einer Zeit, in der sich die Atom- und Kernphysik schnell entwickelte. Mit der Entdeckung der Kernspaltung durch OTTO HAHN (1879–1968) und FRITZ STRASSMANN (1902–1980) im Jahr 1938 und den nachfolgenden Forschungen war schon 1939 einem größeren Kreis von Wissenschaftlern bewusst, dass bei der Kernspaltung Energie frei wird und diese Energie möglicherweise auch genutzt werden kann.
Die Zeit war auch gekennzeichnet durch scharfe gesellschaftliche Auseinandersetzungen. In mehreren Ländern (Italien, Deutschland, Spanien) hatten faschistische Kräfte die Regierung übernommen. Aus diesen und anderen Ländern waren eine Reihe von Wissenschaftlern in die USA emigriert, u.a. der Deutsche ALBERT EINSTEIN (1879–1955), der Italiener ENRICO FERMI (1901–1954) und die Ungarn LEO SZILARD (1898–1964), PAUL WIGNER (1902–1995) und EDUARD TELLER (*1908). Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg. Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Habor trat im Dezember 1941 auch die USA in den Krieg ein.
JULIUS ROBERT OPPENHEIMER wurde am 2. April 1904 in New York als Sohn eines deutsch- jüdischen Einwanderers geboren und wuchs in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf. Nach Beendigung der Schule begann er zunächst ein Studium in Griechisch und Latein, wechselte aber schnell an die berühmte Harvard University und studierte dort von 1922 bis 1925 Physik und Chemie. Anschließend vervollständigte der seine Ausbildung in Europa, das zu dieser Zeit immer noch führend im naturwissenschaftlichen Bereich war. Zunächst arbeitete OPPENHEIMER bei E. RUTHERFORD in Cambridge (England), dann bei MAX BORN in Göttingen, bei dem er 1927 auch promovierte. Eine Reihe von Mitstudenten und Kollegen hielten OPPENHEIMER für überheblich. MAX BORN meinte dazu: "Er war ein Mann von großem Talent und sich seiner Überlegenheit auf eine Weise bewusst, die peinlich war."
Anschließend war OPPENHEIMER bei P. S. EHRENFEST in Leiden (Niederlande) und bei WOLFGANG PAULI in Zürich tätig. In seinen frühen wissenschaftlichen Arbeiten befasste sich OPPENHEIMER mit der Quantenmechanik, insbesondere mit der Struktur des Atomkerns.
1929 kehrte OPPENHEIMER in die USA zurück und nahm eine Tätigkeit an der Universität von Kalifornien in Berkeley und am Institute of Technology in Pasadena auf. Dort unterrichtete und forschte er. nicht nur Studenten hatten Probleme, seinen Ausführungen zu folgen. auch sein Freund RICHARD TOLMAN, der als Physikprofessor tätig war, soll nach einer Vorlesung von OPPENHEIMER geäußert haben: "Well, Robert, das war wunderbar, aber ich habe kein verdammtes Wort verstanden". 1936 erhielt OPPENHEIMER in Berkeley eine ordentliche Professur für Physik, 1941 wurde er Mitglied der National Academy of Sciences.
1940 heiratete OPPENHEIMER KATHERINE HARRISON und hatte mit ihr zwei Kinder. Bis in die dreißiger Jahre hinein war OPPENHEIMER politisch wenig interessiert, kam aber dann mit linken Bewegungen in Verbindung und unterstützte z.B. den spanischen Freiheitskampf. Aus diesen linken Verbindungen zog er sich bereits 1939 wieder zurück. Trotzdem sollte das für ihn später noch weitreichende Konsequenzen haben.
In der wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte sich OPPENHEIMER mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Problemen, die aber alle mit der Kernphysik verbunden waren. So veröffentlichte er 1930 eine Arbeit über die Wechselwirkungen von Teilchen und Feldern. 1931 veröffentlichte er gemeinsam mit EHRENFEST eine Arbeit zur Kernstatistik, 1935 eine Arbeit zur kosmischen Strahlung und die mit ihr verbundenen Effekte (Kaskadentheorie). 1938 entwickelte er eine Theorie der Neutronensterne (Pulsare), die in den sechziger Jahren von Astronomen dann tatsächlich entdeckt wurden. Nach der Entdeckung der Kernspaltung beschäftigte sich OPPENHEIMER mit theoretischen Problemen der Isotopentrennung beim Uran. Von A. H. COMPTON aufgefordert, gründete er eine Gruppe von Physikern, die die theoretischen Probleme zur Entwicklung einer Atombombe bearbeitete.
1942 wurde OPPENHEIMER mit der wissenschaftlichen Leitung des amerikanischen Atombombenprojekt es betraut, das unter dem Namen „Manhattan District“ lief.
Die Vorgeschichte zur Entwicklung der amerikanischen Atombombe weist Ähnlichkeiten mit der Entwicklung in der Sowjetunion auf, die unter der wissenschaftlichen Leitung von KURTSCHATOW später als die USA mit der Entwicklung von Kernwaffen begann.
Es waren vor allem aus Europa emigrierte Wissenschaftler, die die amerikanische Regierung darauf aufmerksam machten, dass die Kernspaltung zur Herstellung einer Bombe genutzt werden könnte. Hintergrund dafür war vor allem die Befürchtung, dass Deutschland eine solche fürchterliche Waffe entwickeln und einsetzen könnte. Zu den Physikern, die amerikanische Regierungsstellen auf diese Gefahr aufmerksam machten, gehörten vor allem ALBERT EINSTEIN (1879–1955), LEO SZILARD (1898–1964), PAUL WIGNER (1902–1995) und EDUARD TELLER (1908-2003). EINSTEIN wandte sich auf Anregung von SZILARD, WIGNER und TELLER im August 1939 direkt an den amerikanischen Präsidenten und machte ihn auf die Möglichkeit des Baus einer Atombombe aufmerksam. Brief EINSTEINs an ROOSEVELT. Der Brief hatte allerdings keine erkennbaren Wirkungen. Deshalb wandte sind EINSTEIN am 7. März 1940 mit einem zweiten Schreiben an den amerikanischen Präsidenten, in dem es u.a. heißt:
„ Seit Ausbruch des Krieges hat sich das Interesse an Uran in Deutschland verstärkt. Ich habe jetzt erfahren, daß die Forschung dort unter großer Geheimhaltung betrieben wird und auf ein weiteres der Kaiser-Wilhelm-Institute, das Institut für Physik, ausgedehnt worden ist. Letzteres ist von der Regierung und einer Gruppe von Physikern unter der Leitung von C. F. von Weizsäcker übernommen worden, der jetzt dort über Uran im Zusammenwirken mit dem Institut für Chemie arbeitet....“
Nachdem längere Zeit keine Entscheidung getroffen wurde, legte ein extra geschaffenes Sonderkomitee der Regierung am 6. November 1941 ein Memorandum vor, in dem der personelle und materielle Aufwand für eine Atombombe abgeschätzt und ihr Bau befürwortet wurde. Der Beginn des Atombombenprojektes wurde vom amerikanischen Präsidenten ROOSEVELT gebilligt. Anfang Dezember 1941 begannen die Arbeiten. Den eigentlichen Wendepunkt aber brachte der 7. Dezember 1941: Japan überfiel ohne Vorwarnung den amerikanischen Stützpunkt Pearl Habor. Die USA traten in den Krieg ein.
1942 begann man in den USA intensiv an der Bombe zu arbeiten. Das gesamte Projekt gelangte unter die Kontrolle der Militärs. Die Aufwendungen waren enorm: Zahlreiche Wissenschaftler wurden zusammengefasst. Großbritannien stellte seine Forschungen zur Kernumwandlungen weitgehend ein und schickte seine Wissenschaftler in die USA. Einbezogen waren auch solche bekannten Forscher wie ENRICO FERMI oder NIELS BOHR, die zeitweise als Berater wirkten. Am 2. Dezember 1942 wurde in einem Versuchsreaktor, der unter der Leitung von FERMI unter der Westtribüne des Universitätsstadions von Chicago aufgebaut war, die erste gesteuerte Kettenreaktion realisiert. Im September 1943 ging der erste Reaktor zur Produktion von Plutonium in Betrieb. In Hanford und Oak Ridge entstanden gewaltige Anlagen zur Isotopentrennung.
Der dritte, entscheidende Ort war Los Alamos, ein Ort in fast 2500 m Höhe, fünfzig Kilometer von Santa Fe entfernt im Bundesstaat New Mexico. Hier arbeitete unter Leitung von OPPENHEIMER ein Team von Wissenschaftlern an allen wissenschaftlichen Problemen, die unmittelbar mit dem Bau der Bombe zusammenhingen.
Am 16. 7. 1945 wurde die erste Atombombe der Welt in der Wüste von New Mexico gezündet, am 6. und 9. August 1945 erfolgte der erste Einsatz über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki mit zehntausenden Toten und gewaltigen Zerstörungen. Die Spätfolgen der Atombombenabwürfe über diesen Städten zeigen sich heute noch. An der Diskussion möglicher Abwurfziele war OPPENHEIMER beteiligt.
JULIUS ROBERT OPPENHEIMER mit General LESLIE R. GROVES, dem verantwortlichen Militär für den Bau der Bombe, am Rand des Kraters der Versuchsexplosion in der Wüste von New Mexico (1945)
Ende 1945 verließ OPPENHEIMER Los Alamos und war von 1947 bis 1966 Direktor des Instituts for Advanced Study in Princeton, einer Einrichtung, an der auch ALBERT EINSTEIN bis zu seinem Tode 1955 wirkte. Als Mitglied der US-amerikanischen Atomenergie-Behörde setzte er sich für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein. Und als er sich gar gegen die Entwicklung einer Wasserstoffbombe aussprach, weil er sie für technisch nicht realisierbar hielt, wurde gegen ihn eine Untersuchung wegen „unamerikanischer Tätigkeit“ eingeleitet. Dabei wurde ihm auch sein Kontakt zu linken Gruppierungen in den dreißiger Jahren vorgeworfen. Er hatte 1936 die Psychologin JEAN TATLOCK kennengelernt, die aktiv in der Kommunistischen Partei der USA tätig war. Unter ihrem Einfluss entwickelte er eine Zeit lang Sympathien für den Marxismus, ohne sich aber parteipolitisch zu binden. Bereits 1948 hatte OPPENHEIMER geäußert: "In einem ursprünglichen Sinn, den keine Herabwürdigung, kein Scherz und keine Übertreibung ganz auslöschen kann, haben die Physiker die Sünde kennengelernt; und das ist eine Erkenntnis, mit der sie von nun an leben müssen." Im Ergebnis des Verfahrens gegen OPPENHEIMER wurde er im April 1954 aller öffentlichen Funktionen enthoben.
Die wissenschaftliche Leitung beim Bau der amerikanischen Wasserstoffbombe übernahm EDUARD (EDWARD) TELLER.
ITrotzdem beschäftigte sich OPPENHEIMER weiter mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Kernenergie und veröffentlichte z.B. 1957 das Werk „Atomkraft und menschliche Freiheit“. Erst 1962 wurde er bis zu gewissem Grade rehabilitiert und erhielt u.a. 1963 den FERMI-Preis der amerikanischen Atomenergie-Behörde.
In den sechziger Jahren widmete er sich neben der Elementarteilchenphysik (Mesonentheorie) vor allem Problemen des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft und nahm dabei eine pazifistische Haltung ein.
JULIUS ROBERT OPPENHEIMER starb am 18. Februar 1967 in Princeton an Kehlkopfkrebs.
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