Enzyme in der Biotechnik

Einsatz von Enzymen in Industrie und Medizin

Enzyme sind an allen Prozessen im lebenden Organismus maßgeblich beteiligt (Ernährung, Wachstum, Vermehrung, Tod). Ihre Reaktionen verlaufen bei entsprechender Körpertemperatur und mit hoher Wirkungsspezifik. Es wundert deshalb nicht, dass man nach der Aufklärung ihrer Struktur auch nach nützlichen Einsatzmöglichkeiten bei technischen Prozessen suchte.
Genau genommen gehören Enzym gesteuerte Prozesse sogar zu den ältesten technologischen Verfahren der Menschheit. So sind die Grundlagen für die Wein-, Met- und Bierherstellung durch Gärung Enzym gesteuerte Prozesse der Hefepilze, deren Wirkungsweise erst in heutiger Zeit aufgeklärt werden konnte.
Heute beschäftigt sich ein wichtiger Zweig der Biotechnologie mit dem Einsatz von Enzymen.

Enzymgestützte Reaktionen verlaufen schonend und energiesparend bei niedrigen Temperaturen - im Vergleich zur chemischen Industrie - haben eine hohe Wirkungsspezifik und sind außerordentlich umweltfreundlich. Deshalb können sie auch bei komplizierten Reaktionen zielsicher und mit hoher Ausbeute und Reinheit der Reaktionsprodukte eingesetzt werden.

Technische Verwendung von Enzymen (Auswahl)

EnzymSubstratVerwendung
α Amylase Stärke (Mais, Kartoffel)Herstellung von Dextrin
β Amylase StärkeHerstellung von Maltose
PapainProtein im BierBeseitigung von Trübungen
CellulaseCelluloseVerzuckerung
TriacylglycerollipaseLipid (Fett)Hydrolyse von Fetten
AminoacylaseAcyl-AminosäureHerstellung von L-Aminosäure

Der Siegeszug der Enzyme in der Biotechnologie begann, als man gelernt hatte, sie nicht mehr direkt aus den Zellen der Organismen zu isolieren sondern gentechnisch aus Mikroorganismen zu gewinnen. 1975 gelang es mit gentechnologischen Methoden, die für die Produktion der Enzymproteine verantwortlichen Gene gezielt abzuwandeln und auf Mikroorganismen zu übertragen.
Heute werden Enzyme in großem Maße in der Industrie und zunehmend auch in der Medizin eingesetzt. Täglich werden neue Verwendungsmöglichkeiten gefunden. Die Bedeutung soll an drei ausgewählten Einsatzgebieten erläutert werden.

  1. Waschmittelindustrie
  2. Diagnostik (Erkennen von Krankheiten)
  3. Heilung von Krankheiten.
Biotechnologie

Biotechnologie

Einsatz von Enzymen bei Waschmittelherstellung

Heute werden bei ca. 80 % der Waschmittel Enzyme zugesetzt, selbst Pulver für Weißwäsche (bis 60 °C) enthält diese Wirkstoffe. Die jeweiligen Verpackungen geben Auskunft über die beigefügten Inhaltsstoffe. Es handelt sich um folgende Enzymgruppen:
Proteasen – Eiweiß spaltende Enzyme
Amylasen – Stärke spaltende Enzyme
Lipasen – Fett spaltende Enzyme
Cellulasen – Cellulose spaltende Enzyme.

Das Prinzip ist einfach, Stärke-, Eiweiß- oder Fettflecke treten als Eigelb, Kakao oder Fett als hartnäckige, farbige Flecken in der Wäsche auf, weil diese Substrate in Wasser unlöslich sind. Die Enzyme im Waschmittel spalten die Substrate in lösliche Verbindungen (Aminosäuren, Zucker, Fettsäuren und Glycerin) auf, die dann durch den Waschvorgang entfernt werden können.
Die Verwendung von Proteasen in Waschmitteln wurde erstmalig 1913 beschrieben. Das Enzym gewann man aus der Bauchspeicheldrüse von Schlachttieren. Es war nicht nur teuer sondern auch sehr empfindlich gegenüber dem hohen pH-Wert und der in der Waschlauge herrschenden Temperatur.
1960 gelang es, mit Hilfe von Bakterien (z. B. Bacillus subtilis) Proteasen zu gewinnen. Sie hielten die üblichen Waschbedingungen ohne Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit aus. Blut- und Eiweißflecke wurden in lösliche Spaltprodukte überführt.

Normalerweise denaturieren Eiweiße bei mehr als 60 °C. Außerdem benötigen sie einen bestimmten pH-Wert, der meistens um den Neutralwert liegt. Da Weißwäsche bei 60 °C gewaschen wird und die Waschlauge alkalisch wirkt, benötigte man Proteasen, die diese Bedingungen aushalten.
Heute sind Proteasen im Einsatz, die bei 60 °C und einem pH-Wert von 10 – 11 ihr Stabilitätsoptimum haben.

Mitte der 1970er Jahre wurden Amylasen in die Waschmittel übernommen, später auch Lipasen. Sie entfalten ihre größte Wirksamkeit jedoch bei 20 °C. Gemeinsam mit den Tensiden (Schmutzlöser) erleichtern sie die Ablösung des Schmutzes in der Wäsche.
Auch Cellulasen verbessern die Schmutzablösung. Zusätzlich lösen sie vom Gewebe abstehende dünne Fasern auf, wodurch sich der optische Eindruck der Wäscheoberfläche verbessert.

Enzyme in der Diagnostik

In allen Organen sind Enzyme nötig, um den Stoffwechsel aufrecht zu erhalten. Eine hohe Enzymaktivität findet nur in den Zellen statt, nicht außerhalb. Organerkrankungen führen jedoch zur Schädigung oder Zerstörung von Zellen, so dass Enzyme auch ins Blut austreten können.
Bei leichten Schädigungen der Zelle oder Störungen der Zellpermeabilität werden zunächst die cytoplasmatisch lokalisierten Enzyme freigesetzt, bei stärkerer Schädigung der Zelle oder Nekrose gelangen auch Membran gebundene Enzyme oder Enzyme aus Zellorganellen ins Blut und können dann im Blutserum vermehrt nachgewiesen werden. Die Höhe des Anstiegs gibt Hinweise auf das Ausmaß der Schädigung.

Die Enzymausstattung ist organspezifisch. Aus ihrer Zusammensetzung kann der Arzt eine sichere Diagnose stellen. So kann z. B. nach einem Herzinfarkt die Lactat-Dehydrogenase-Aktivität im Serum auf den 5-fachen Wert ansteigen. Auch schwere Erbkrankheiten beim Ungeborenen können anhand des Enzymmusters im Fruchtwasser frühzeitig erkannt werden. Enzyme haben damit eine große Bedeutung in der klinischen Praxis.

Heilung von Krankheiten mit Enzymen

Auch als Medikament haben Enzyme einen festen Platz erobert.
Ihr Einsatzgebiet ist unvorstellbar groß und nur noch vom Fachmann zu überblicken. An drei Beispielen soll dargestellt werden, welche Enzyme eingesetzt werden können und wie ihre heilende Wirkung funktioniert.

1. Herzinfarkt und Thrombose. Frisch entstandene Blutgerinnsel sind Ursache für Thrombosen und Herzinfarkt. Beim Infarkt verstopfen sie die Herzkranzgefäße, bei Thrombosen die Venen, die zur Lunge (Lungenembolie) oder zum Gehirn führen (Schlaganfall, Gehirninfarkt).
Blutgerinnsel entstehen, wenn das im Blutplasma vorkommende Fibrinogen durch das Enzym Thrombin in Fibrin umgewandelt wird. Fibrin bildet ein dichtes Netzwerk, in dem sich Blutplättchen und Erythrocyten verfangen. Als Wundverschluss ist dieser Vorgang lebensnotwendig, verläuft er in den Blutgefäßen, wird er lebensbedrohlich.

Die Proteasen Bromelain, Trypsin und Chymotrypsin sind in der Lage, das Fibrinnetz aufzulösen. Bromelain und Papain sind pflanzliche Proteasen, Trypsin und Chymotrypsin sind Enzyme der Bauchspeicheldrüse. Durch ihre Verwendung als Medikament wird das Blut dünnflüssiger.
Auch die Krebsgefahr und Metastasenbildung vermindert sich durch diese Proteasen, da Krebszellen vermutlich Fibrin als Tarnung benutzen. Wird Fibrin aufgelöst, können Krebszellen als körperfremd erkannt und vom Immunsystem unschädlich gemacht werden.

2. Erkrankungen des Verdauungsapparates. Wenn die Bauchspeicheldrüse erkrankt ist (z. B. Entzündung) und nicht mehr genügend Enzyme bereitstellt, behandelt der Arzt mit Enzympräparaten. Eingesetzt werden Pepsin, Pankreatin, Lipase und Amylase.
Bei krankhaften Veränderungen einzelner Verdauungsorgane können die Patienten lebenslang auf die Zufuhr von Enzymen angewiesen sein.

3. Entzündungen und Verletzungen. Wie bei Thrombosen leisten vor allem Proteasen auch bei Verletzungen, Entzündungen und beim Abheilen von Wunden gute Dienste. Zur enzymatischen Wundreinigung wird das Enzym Papain aus der Papayafrucht oder Chymotrypsin verwendet. Sie zerstören abgestorbene Reste von Geweben an den Wundrändern. Entzündete Zellen heften sich mit Eiweißketten im Gewebe fest. Die Proteasen Bromelain, Chymotrypsin und Pankreatin durchtrennen die Eiweißketten und lösen die Zellen, so dass sie leicht entfernt werden können.
Auch in Salben, die Blutergüsse und Schwellungen schneller abbauen, können Enzyme enthalten sein.

Schema einer enzymkatalysierten Proteinspaltung

Schema einer enzymkatalysierten Proteinspaltung

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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