EDWARD OSBORNE WILSON wurde am 10. Juni 1929 in Birmingham, Alabama (USA) geboren. In einem Interview erzählte er über seine Jugend:
„Ich hatte das große Glück, in der herrlichen Natur der an den Golf von Florida angrenzenden Staaten aufzuwachsen. Die Küste war damals noch relativ unerforscht, etliche Arten von Fröschen, Molchen und Fischen (von Insekten ganz zu schweigen) waren der Wissenschaft noch unbekannt. Bereits in sehr jungen Jahren - noch vor dem Erreichen der High School - machte ich die aufregenden Erfahrungen eines Naturforschers. Damit war meine weitere Zukunft besiegelt.“
Als siebenjähriger verlor WILSON durch einen Unfall das Sehvermögen auf seinem rechten Auge. Wie WILSON selbst sagt, hat ihn diese frühe Behinderung zu den Insekten geführt, für deren Betrachtung man keine Sehkraft über größere Entfernungen benötigt.
Zunächst profilierte sich WILSON als Ameisenforscher und insbesondere als Ameisentaxonom. „Meiner Auffassung nach ist der Taxonom mehr noch als jeder andere Spezialist dazu in der Lage, täglich der Schöpfung ins Gesicht zu sehen. Damit meine ich die ungeheure Vielfalt des Lebens.“
Nach seinem ersten Arbeiten über die Taxonomie der Ameisen erweiterte sich das Interesse WILSONS rasch auf die gesamte Evolutionsbiologie. 1967 veröffentlichte er zusammen mit ROBERT H. MACARTHUR (1930-1972) die Theorie der Inselbiogeografie (The theory of Island Biogeography). Diese Theorie liefert eine einfache, mathematisch darstellbare Grundlage für die Biodiversität von Inseln und anderen abgeschlossenen Lebensräumen.
1971 veröffentliche WILSON ein Buch über die sozialen Insekten (Insect Societies), das bis heute als Standardwerk gilt. Schließlich brachte WILSON 1975 das heftig diskutierte und bahnbrechende Werk zur Soziobiologie heraus („Social Biology: The New Synthesis“). WILSON selbst beschrieb den Weg, der ihn zu diesem Werk führte, wie folgt:
„Während mich die Ameisen faszinierten, begann mich zunehmend Sozialverhalten zu begeistern. Gleichzeitig wuchs auch mein Interesse an Populationsbiologie, weil ich das Gebiet als einen wichtigen Weg zu einer fortgeschrittenen Evolutionstheorie ansah. Ich erkannte zu diesem Zeitpunkt, dass es wichtig war, unser Wissen über Ameisen und andere soziale Insekten zu vereinigen, die Kolonien als Populationen zu betrachten und alle Methoden und Vorstellungen der Populationsbiologie auf den Insektenstaat anzuwenden. Das Ergebnis war das Buch über soziale Insekten, im Jahre 1971. Ich schöpfte die Untersuchung der Soziobiologie, wie ich es nun nannte, aus Naturgeschichte und Populationsbiologie .... Ich schrieb das Buch Soziobiologie - The new Synthesis - in erster Linie um die sozialen Insekten und Wirbeltiere zu behandeln. Dann bemerkte ich jedoch, dass ich das bekannteste Wirbeltier, Homo sapiens, nicht auslassen durfte. Ich habe in der Tat nicht beabsichtigt, jene Kontroverse herauf zu beschwören, die das Buch - wie ein Stich ins Wespennest - bewirkte.“
Für das nachfolgende Werk „On Human Nature“ erhielt WILSON 1979 den Pulitzerpreis im Bereich General Non-fiction (Sachbuch).
1982 veröffentlichte WILSON „Biophilia“. In diesem Werk vertritt er die These, dass Menschen eine genetische Disposition haben, die dazu führt, dass sie sich in einer artenreichen, vielfältigen, natürlichen Umgebung wohlfühlen. Mit diesem Ansatz versucht WILSON bereits eine Verbindung zwischen biologischer und sozialer Natur des Menschen zu finden. Er bemüht sich um naturwissenschaftliche Grundlagen für Kunst und Ästhetik.
In einem Interview sagt WILSON über das „Selbstbewusstsein“ des Menschen:
„Es ist ganz natürlich, dass wir unser Selbst fühlen, weil wir in einem Körper stecken. Unser Gehirn kartiert die Welt. Oft wird diese Weltkarte verdreht, aber es ist eine Karte, die auf ständig unmittelbar einströmenden Sinnesempfindungen beruht. Das Gehirn organisiert sich vor allem aus Empfindungen, die aus dem Körper kommen, und das ist so intensiv, so sehr im Zentrum der Wahrnehmung, schließt alle inputs von unserem Körper ein, das dieser als das Allerwichtigste angesehen wird. Das ist das Selbst.“
WILSONS Nachdenken über die „Natur des Menschen“ führt schließlich 1998 zu der Publikation des Werkes „Consilience“ (Die Einheit des Wissens), das auf eine breite internationale Resonanz stößt. Er stellt sich die Frage, wie sich die menschliche Gesellschaft aus sich selbst heraus verändern kann. WILSON meint, dass - ähnlich wie zur Zeit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert - ein neuer wissenschaftlicher Durchbruch von Nöten wäre, der auf einer einheitlichen Basis aller Wissenschaften beruht und durch den die alte Kluft zwischen Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften überwunden würde.
Aus der Ameisenforschung und der Entomologie heraus entwickelt WILSON einen weiteren Forschungs- und Aktivitätsschwerpunkt. In Publikationen schlägt sich dies seit den 80iger Jahren nieder. Seither setzt er sich auch öffentlich verstärkt für den Erhalt der Biodiversität ein. „Wir sollten niemals wissentlich zulassen, dass eine Art ausstirbt, wenn sie durch entsprechende Maßnahmen geschützt werden kann. Das ist im Wesentlichen die Ethik der Biodiversität.“ 1992 erschien „The diversity of life“ (Der Wert der biologischen Vielfalt). Das Werk ist zu einem der Basistexte für den modernen Natur- und Artenschutz geworden und erhielt 1998 den Preis der Deutschen Umweltstiftung.
1990 wurde WILSON ein weiterer Pulitzerpreis für ein herausragendes Sachbuch verliehen. Zusammen mit seinem langjährigen Kollegen in Havard und in der Ameisenforschung, dem deutschen Zoologen BERT HÖLLDOBLER (* 1936) gelang die Herausgabe eines Werkes, das das gesamte Wissen über die Ameisen in umfassender, aber auch sehr ansprechender Form wiedergibt. Der Anschaulichkeit dienen zahlreiche, teilweise fantastisch detaillierte Illustrationen. Ein Auszug aus dem Werk ist auch auf Deutsch erschienen (Ameisen - die Entdeckung einer faszinierenden Welt).
Neben seinen zahlreichen Büchern hat WILSON etwa 370 Arbeiten veröffentlicht. Er gehört zu den meist zitierten und meist gelesenen naturwissenschaftlichen Autoren der Gegenwart.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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