Zeitungsartikel

Ein Beispiel für einen Artikel in Berichtsform

Eine Anerkennung für Deutschland.

(nachrichtlicher Beginn):

Die Fortschritte der wissenschaftlichen Bildung in Deutschland, überhaupt die Methode und die Erfolge der wissenschaftlichen Arbeit an den deutschen Hochschulen, haben in England wieder einmal aus berufenem Munde volle Anerkennung gefunden. Der Rektor des Imperial College für Wissenschaft und Technologie, Sir Keogh, hat bei einer Preisverteilung am Polytechnikum in Woolwich die Bedeutung der technischen Wissenschaft und technischen Ausbildung eingehend behandelt und dabei auf Deutschland hingewiesen, wo nach seiner Ansicht auf diesem Gebiete, obwohl das englische Unterrichtsministerium in letzter Zeit sich energischer der Aufgabe widmet, mehr geleistet wird und auch größere Mittel zur Verfügung gestellt sind als in England. Der Redner wandte sich an seine englischen Zuhörer mit etwa folgenden Ausführungen:

(Ereignis in der Zukunft):

Sie hätten das Beispiel eines großen Volkes vor Augen, für das jedermann die größmögliche Achtung haben müsse. Die Deutschen hätten ihre wissenschaftliche Erkenntnis fortgesetzt entwickelt und es sei gleichsam eine Folge dieser Bestrebungen, daß die Deutschen gegenwärtig auf verschiedenen industriellen Gebieten die Engländer aus der Stellung verdrängten, die sie bisher eingenommen hätten. Allerdings hege er noch die Überzeugung, daß das englische Volk ebenso gesund und leistungsfähig wäre wie früher, und er sei von der Zuversicht erfüllt, daß, wenn nur das Nötige beizeiten geschehe, England keine Besorgnis zu haben brauche, jemals seiner kommerziellen und industriellen Vormachtstellung beraubt zu werden.

(Wertung, Einordnung der bisherigen Leistung):

Aber wenn er auch keineswegs Pessimist sei und unter keinen Umständen den Pessimismus aufkommen lassen möchte, so könnte er sich doch auch andererseits nicht durchaus zum Optimismus bekennen. Mit Recht würde von der englischen Volkswirtschaft gesagt, daß in ihr wissenschaftliche und industrielle Arbeit, überhaupt Wissenschaft und Technik nicht, wie es sein sollte und wie es für die gedeihliche Entwicklung der wirtschaftlichen Arbeit unbedingt nötig sei, miteinander in enger Verbindung stünden. Ebenso könne den englischen Kaufleuten und Fabrikanten vielfach mit Recht der Vorwurf gemacht werden, daß sie die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung unterschätzen und für praktische Zwecke nicht so wie es anderswo geschieht, auszunützen wissen.

(Ursachen detailliert, die zu den Ergebnissen führten):

Dabei betonte der Redner, daß es in England verhältnismäßig wenig industrielle Betriebe gibt, die sich durch Anstellung von wissenschaftlich gebildeten Technikern, seien es einheimische oder Ausländer, mit der wissenschaftlichen Arbeit und Forschung in dauernde Beziehungen zu setzen wissen. Vielfach seien, was von den englischen Akademikern besonders unangenehm empfunden werden würde, deutsche Akademiker in englischen Frabriken und Industriebetrieben tätig, ein Zustand, der gewiß nicht den Interessen des Landes entspräche.

(Hintergrundwissen):

Sir Keogh faßte seine Ausführungen dahin zusamnmen, daß in England übermäßig viel für den Elementarunterricht, aber beinahe nichts für das höhere Schulwesen getan werde, hierin müsse Wandel eintreten. Es müsse in London eine Hochschule errichtet werden, die alle Zweige des technischen Unterrichts in sich vereinige und die ihre Besucher vor allen Dingen für die praktischen Bedürfnisse des industriellen Lebens auszubilden bestrebt sei.

(In: Naumburger Kreisblatt, 3. Januar 1911, 63. Jahrgang, Nr. 2., Seite 1)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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