Feuilleton

Das politische Feuilleton hatte vor allem im Absolutismus eine herausragende Bedeutung (HEINRICH HEINE, LUDWIG BÖRNE), da durch gekonntes Wortspiel die Zensur nicht zugreifen konnte. Es wurde zwischen den Zeilen gelesen.
Die NS-Kulturpolitik konnte das Feuilleton nicht völlig stoppen, aber bis heute hat es die Bedeutung, die es einst hatte, nicht wieder erreicht. Heute ist das in der ursprünglichen Form auch nicht mehr nötig, denn niemand ist gezwungen, seine Meinung hinter Wortspielen zu verstecken. Das politische Feuilleton ist heute mehr und mehr von der Glosse abgelöst worden.
Heute werden dem Leser im Feuilleton vor allem Auskunft und Aufklärung zu allgemein interessierenden Fragen, vor allem zu Literatur, Musik, Theater und Film – zur Kunst insgesamt vermittelt. Feuilletons nehmen nicht selten die Form von Buchbesprechungen, Rezensionen usw. an.

Beispiel für eine Buchbesprechung:

Kurt Tucholsky
Ein Stück Dichtung

In dem Kriegsbuch Köppens, „Heeresbericht“, steht viel Gutes: gut Gesehnes, Erlebtes vielleicht, Gestaltetes, sauber und kräftig in der Tendenz, ganz und gar unsentimental, aber durchaus voller Gefühl – und ein Stück Dichtung ist darin.

Seite 395. „Es geht einige 100 Meter weit bergab.“ Allein um dieses Kapitels 19 willen lohnt es, das Buch zu lesen und zu besitzen, um es immer wieder zu lesen.

Es wird nämlich dort geschildert, wie nach einer Ungeheuern Artillerievorbereitung ein Offizier und ein Unteroffizier nach vorn gehen, um zu sehen, wie es da aussieht. Nach dem Plan muß die Infanterie schon lange gestürmt haben ... los.

Und da ist nichts. Da ist nichts!

Es ist eine Mondlandschaft, in die sie kommen. Es ist totenstill, die deutschen Stellungen liegen so verlassen ... natürlich, die Infanterie ist ja nach vorne gegangen. Nein, die Infanterie ist nicht heraus, die Leute sind noch alle da, aber sie sind alle tot. Vergast, zerschossen, zertrommelt. Nur einen Major finden sie, und der lacht, der lacht. Er ist wahnsinnig geworden.

Das sind dreizehn Seiten von höchster Eindringlichkeit. Diese seltsam gläserne Luft, es ist so unwirklich, was da geschehen ist – und es war alles umsonst: die lange Vorbereitung, die Berechnungen auf den Planquadraten, die viele Munition, die ungeheure Anstrengung der Trommelfeuernacht – alles war umsonst.

Hier ist einmal das geglückt, was Jünger nie recht geglückt ist, auch in den ersten seiner Kriegsbücher nicht, wo er seine Schreiberei noch nicht zum Handwerk erniedrigt hat. In der Schilderung Köppens steht an dieser Stelle kein Wort gegen den Krieg oder für den Krieg – es ist einfach wiedergegeben, was sich da begeben hat. Und das war schrecklich und groß, noch in seiner sinnlosen Widerwärtigkeit groß.

Das ist ein echtes Stück Dichtung.
(Tucholsky, Kurt (Peter Panter): Ein Stück Dichtung. In: Die Weltbühne, 21.04.1931, Nr. 16, S. 90. )

Anmerkung:

Tucholsky rezensiert hier das Buch „Heeresbericht“ (1930) des Schriftstellers Edlef Köppen (1893–1939).

 

Feuilleton

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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