- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 2 Demokratie in Deutschland
- 2.3 Politische Meinungs- und Willensbildung
- 2.3.8 Wahlen und Wähler
- Wahlrecht und Wahlsystem in Deutschland
Die Stimmabgabe bei Wahlen ist die allgemeinste Form von politischer Entscheidung wie auch politischer Beteiligung in der repräsentativen Demokratie. Wahlen sind für die Masse der Bevölkerung die einzige Form politischer Beteiligung.
Nur mittels Wahlen lassen sich in Massendemokratien Interessen und Meinungen so bündeln, dass verbindliche Entscheidungen getroffen werden können. Repräsentation ist grundlegend für das deutsche politische System. Volkssouveränität meint dann nicht die direkte Volksregierung, sondern Herrschaft durch auf Zeit gewählte Repräsentanten. Voraussetzung sind minimale Grundüberzeugungen:
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ (Art. 20 Abs. 2 GG).
Die Verfassung unterscheidet zwischen Wahlen und Abstimmungen. Gewählt wird regelmäßig zu den Vertretungen (Parlamente)
Abstimmungen in den Formen von Volksentscheid, -begehren und -befragung sind auf das Thema der Veränderung der Grenzen zwischen den Bundesländern (Art. 29 GG) eingeschränkt. Jedoch sind die Abstimmungsmöglichkeiten in den letzten Jahren auf Kommunal- und Landesebene erweitert worden.
Die Verfassung (Art. 28 und 38 GG) und nachfolgende Wahlgesetze des Bundes und der Länder legen die Wahlgrundsätze fest. Das Grundgesetz trifft aber keine Entscheidung für ein bestimmtes Wahlsystem. Zunächst lange umstritten, hat sich das Wahlsystem „einer mit der Personalwahl verbundenen Verhältniswahl“ (§ 1 Abs. 1 Bundeswahlgesetz von 1956) inzwischen durchgesetzt.
Das Wahlsystem in Deutschland ist keine Mischung zweier Verfahren, sondern personalisierte Verhältniswahl mit zwei Eigentümlichkeiten. Zum einen schließt die Fünfprozentklausel jene Parteien aus, die bundesweit nicht mindestens 5 % der Zweitstimmen erhalten. Gewinnt eine Partei jedoch mindestens zwei Direktmandate, ist sie mit diesen vertreten. Zum anderen hat jeder Wähler zwei Stimmen: die erste für den Wahlkreiskandidaten, die zweite für die Parteiliste. Die zweite entscheidet über die Zahl der gewonnenen Mandate. Gewinnt eine Partei mehr Wahlkreis- als Listenmandate, erhält sie die Differenz als Überhangmandate zugesprochen (2009 gingen aus der Bundestagswahl insgesamt 622, statt 598 Mandate hervor).
Wahlrecht und Wahlsystem in Deutschland
Vor der ersten Wahl zum Deutschen Bundestag 1949 wollten CDU und CSU die relative Mehrheitswahl, die SPD und kleinere Parteien die Verhältniswahl einführen. Gewählt wurde nach einem Kompromiss aus beiden Verfahren.
Grundformen des Wählens | |
Verhältniswahl (Proportional-, Listenwahl): gewählt werden Parteilisten und Kandidaten | Mehrheitswahl (Persönlichkeitswahl): gewählt werden einzelne Kandidaten |
reine Verhältniswahl: Mandate der Parteilisten entsprechend der Stimmenanteile der Listen | absolute Mehrheitswahl: gewählt ist, wer mindestens 50 % der abgegebenen Stimmen erhält |
Verhältniswahl mit Sperrklausel: Zuteilung der Mandate nur an jene Listen, die einen Mindestanteil erreichen; in Deutschland 5 % | relative Mehrheitswahl: gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält |
Repräsentationsziel | |
Verteilung der Mandate (und der Parteien) entsprechend den Stimmenanteilen | Mehrheitsbildung im Parlament |
Die Wahlgrundsätze sind:
An Wahlen dürfen Bundesbürger ab 18 Jahren teilnehmen. Eine Wahlpflicht besteht nicht. Die generelle Wahlbeteiligung liegt zwar in der Bundesrepublik Deutschland – im internationalen Vergleich – noch immer hoch, hat aber im Vergleich zu den früheren Zeiten der Bundesrepublik rapide abgenommen (2009: 70,8 %).
Die Wahlergebnisse seit 1949 zeigen, dass die Bevölkerung anders als in der Zeit der Weimarer Republik gewählt hat. Sie bevorzugt jene Parteien, die möglichst in allen wichtigen Berufsgruppen vertreten sind und sich zur weltanschaulichen Mitte bekennen.
Die sogenannte Mitte, lange repräsentiert durch die beiden Volksparteien CDU/CSU und SPD, konnte zusammen mit der stärker klientelbezogenen FDP über Jahrzehnte hinweg zusammen mehr als 90 % aller Stimmen auf sich beziehen. Extreme linke oder rechte Positionen fanden bei Bundestagswahlen anders als bei Landtags- und örtlichen Wahlen kaum Gehör.
Mit Bündnis 90/Die Grünen erweiterte sich Anfang der 1980er-Jahre das Parteienspektrum um eine linke "Protestpartei" mit dem Schwerpunkt Ökologie und Umweltschutz. Die PDS, heute (vereint mit der WASG) Die Linke, ging aus der ehemaligen DDR-Staatspartei SED hervor konnte sich mit ihren Positionen zum "demokratischen Sozialismus" in den Parlamenten etablieren.
Die jüngste "Protestpartei", die erstmalig den Einzug in ein deutsches Landesparlament schaffte, waren die PIRATEN. Ebenfalls im linken Spektrum zu verorten, zog die Partei im September 2011, mit 9 % überraschend stark ins Berliner Abgeordnetenhaus ein.
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