Von der Frauenförderung zur Geschlechterpolitik

Frauenbewegung

Frauenpolitik, Frauenförderung, Gleichstellung – all das sind Begriffe der Frauenbewegung, der Emanzipation. In der Geschichte werden drei Emanzipationsbewegungen unterschieden:

  1. Die so genannte Beginen-Bewegung der Frauen im 12./13. Jh. bezog sich auf Emanzipationsbestrebungen innerhalb des kirchlichen Rahmens. Beginen sind Frauen, die unter einer frei gewählten Vorsteherin in „Beginenhöfen“ ein andächtiges Leben führen, ohne einem Orden im eigentlichen Sinne anzugehören. Der Unterschied zwischen den Beginen und anderen Ordensgemeinschaften liegt vor allem darin, dass die Gelübde nur auf Zeit abgelegt werden, in der Regel jährlich erneuert. Die meisten Beginen waren Witwen, selbstständige Frauen und Adlige, sie waren finanziell unabhängig und demokratisch organisiert.
  2. Nach der Französischen Revolution kämpften die Frauen (Suffragetten) für die Erlangung der Bürgerrechte (Wahlrecht, Recht auf Bildung). Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau wurde hier noch nicht in Frage gestellt.
  3. Wiederum in Frankreich setzte in der Mitte der 1940er-Jahre die dritte Frauenbewegung ein. Zu einer Massenbewegung wurde sie allerdings erst in den 1960er-Jahren. Die Frauenrechte wurden ausgeweitet und im Feminismus thematisiert. Es wurde nun auch die traditionelle Rollenverteilung in Frage gestellt.

Frauenförderung – europäischer und nationale Rahmen

Die Europäische Union verankerte die Verpflichtung, auf die Gleichstellung von Frauen und Männern hinzuarbeiten, vertraglich bereits 1957. Der gemeinschaftliche Rechtsrahmen garantiert die Gleichheit von Frau und Mann vor dem Gesetz.
Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ist ein wesentlicher Aspekt in den Außenbeziehungen der Europäischen Union und in ihrer Politik der Entwicklungszusammenarbeit. Insbesondere die Förderung und der Schutz der Frauenrechte sind integraler Bestandteil der von der EU in Drittländern betriebenen Menschenrechtspolitik. Darüber hinaus sind die Rechtsvorschriften zur Gleichbehandlung fester und integraler Bestandteil des „acquis communautaire“ (gemeinschaftlicher Besitzstand; Gesamtbestand an Rechten und Pflichten, der für die Mitgliedstaaten der EU verbindlich ist), den die sich um die EU-Mitgliedschaft bewerbenden Länder zu übernehmen haben.

Zwar hat sich die Situation der Frauen in der EU bereits erheblich verbessert, doch wird die Gleichstellung der Geschlechter im täglichen Leben nach wie vor dadurch unterminiert, dass Frauen und Männer in der Praxis nicht die gleichen Rechte genießen. Unter anderem zeugen die Unterrepräsentation der Frauen wie auch die Gewalt gegen Frauen von nach wie vor bestehenden strukturellen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern.

Im Amsterdamer Vertrag vom 2. Oktober 1997, der am 1. Januar 1999 in Kraft trat, sind erweiterte Rechtsvorschriften zur Gleichstellung von Frauen und Männern verankert. Das betrifft vor allem die Artikel 2, 3, 13 und 141:

Artikel 2
„Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch Einwirkung eines gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion ... in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen ... zu fördern.“

Artikel 3
(1) Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne von Artikel umfasst nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge:
a) das Verbot von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren...;
b) eine gemeinsame Handelspolitik;
c) einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist;
d) ...

(2) „Bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.“

Artikel 13
„Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“

Artikel 141
„(1) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.
(2) Unter ‚Entgelt‘ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. ...
(3) Der Rat beschließt ... Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.
(4) Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.“

Diese im europäischen Maßstab erarbeiteten Rahmenbedingungen machen angesichts der bestehenden Ungleichheiten auch künftig spezifische Frauenfördermaßnahmen notwendig.

Frauenförderung in der Bundesrepublik Deutschland

Als 1979 der Arbeitsstab Frauenpolitik des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit seine Arbeit aufnahm, gab es noch keine gezielte Frauenförderung. Die Bundesregierung begann jetzt erst, systematisch die Bedeutung der Frauen zu untersuchen und erste Vorstellungen und Anregungen für die Verbesserung der gesellschaftlichen und rechtlichen Situation der Frauen zusammenzutragen.
Inzwischen gibt es Frauenfördermaßnahmen in jedem Bundesland.

  • Frauenförderung ist als fester Bestandteil des Arbeitsförderungsrechts gesetzlich festgeschrieben. So können z. B. Firmen mit einem hohen Anteil an weiblichen Mitarbeitern bzw. von Frauen geführte Unternehmen bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen bevorzugt werden. Auch Existenzgründungen von Frauen werden gezielt gefördert.
  • Mit Kampagnen, wie der Kampagne „Being“x, wirbt beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Frauen und Mädchen für Zukunftsberufe bzw. die Technik-Branche. Technik und Gesellschaft wachsen zusammen und in der Wirtschaft werden Fachleute mit hoher Sozialkompetenz gebraucht, die zwischen Produktionsprozess und Dienstleistungsbereich vermitteln können. Unter dem Motto „Technik macht Spaß“ sollen Vorurteile ausgeräumt und verstärkt Frauen für Ingenieurberufe gewonnen werden.

Maßnahmen in der Bundesrepublik, die in Förderprogrammen verankert sind, brachten bisher noch nicht den gewünschten Erfolg. Obwohl sich die Situation der Frauen in Deutschland wie auch in den EU-Ländern bedeutend verbessert hat, wird die Gleichstellung der Geschlechter im täglichen Leben nach wie vor unterminiert. Das drückt sich z. B.

  • in nach wie vor unterschiedlicher Entlohnung,
  • in der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen,
  • in der nach wie vor vor allem durch Frauen wahrgenommenen Elternzeit,
  • in der bestehenden strukturellen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern,
  • in der Gewalt gegenüber Frauen,
  • in dem bedeutend niedrigerem Alterseinkommen aus.

Gender-Mainstreaming – das neue Heilmittel?

Gender-Mainstreaming (engl.: gender = soziales Geschlecht; mainstream = Hauptstrom, vorherrschende Richtung) bedeutet so viel wie Chancengleichheit als Querschnittsaufgabe Gleichstellung. In der Bundesrepublik ist dieser Begriff vor allem durch die Gleichstellungspolitik der Europäischen Gemeinschaft bekannt geworden. Auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wurde dieser Begriff geboren und ist international anerkannt. Dabei bedeutet „Gender“ das soziale Geschlecht, im Gegensatz zum biologischen Geschlecht. Gender-Mainstreaming beinhaltet so, das soziale Geschlecht durchgängig als eine wesentliche Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.
Diese neue Orientierung ergänzt die bisherigen Programme der Diskriminierungsabwehr und der Frauenförderung. Beachten muss man, dass Frauenförderung, Frauenquote und Gender–Mainstreaming auf unterschiedlichen Ebenen funktionieren.

  • Die Quote ist eindeutig zugunsten der Frauen und gegen die Männer ausgerichtet. (Den Männern werden Posten weggenommen, für die ihre fachliche wie persönliche Qualifikation noch vor wenigen Jahren völlig ausgereicht hätte.)
  • Die Frauenförderung ist eine typische Maßnahme zur herkömmlich männlich ausgerichteten Personalpolitik.
  • Gender-Mainstreaming wird mit dem Ziel verfolgt, Geschlechterdemokratie mit den Männern zu erreichen.
    Betrachtet man nur die Frauenförderung, besteht immer die Gefahr, dass Frauen als defizitäre Wesen gesehen werden, „die nur durch lang anhaltende und immer wiederkehrende Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen in die Lage versetzt (werden), einen Job so gut zu machen wie ein Mann“.

Die Kompetenzen der Gleichstellungspolitik verlagern sich:

  • Auf Staatsebene: Der grundgesetzliche Auftrag des Staates, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, wird jetzt nicht nur mehr von den Frauenministerien, -abteilungen und -beauftragten umgesetzt. Statt dessen wird dieser Auftrag nun in allen Ressorts bei allen Entscheidungen berücksichtigt.
  • Auf gesellschaftlicher Ebene: Den Männern werden Kompetenzen in Sachen Gleichstellung der Geschlechter zugesprochen, die lange Zeit fast ausschließlich in den Händen der Frauen lagen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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