- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 6 Globalisierung und Global Governance
- 6.1 Globalisierungsprozess und globale Probleme
- 6.1.1 Begriff und Dimensionen der Globalisierung
- Vernetzte Welt und digitale Spaltung
Zu den wesentlichen Merkmalen der Globalisierung gehören die Innovationen im Bereich der Mikroelektronik, der Telekommunikation sowie die Methoden zur Gewinnung, Übertragung und Speicherung von Informationen. Sie haben ermöglicht, ein weltweites globales Kommunikationsnetz zu schaffen, sodass nahezu jeder Punkt der Erde in oft nur Bruchteilen von Sekunden erreicht werden kann. Mithilfe von Internet und Satelliten lassen sich Informationen aller Art in Sekundenschnelle an jeden Ort der Welt übertragen.
Die Verschmelzung von technologischen, wirtschaftlichen und politischen Zielstellungen hat eine hohe Eigendynamik erreicht und eine Informationsrevolution bewirkt. Sie basiert auf folgenden Säulen:
Die Informationsrevolution ist zum einen dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen in die Lage versetzt werden, in einem noch nie da gewesenen Maß Informationen zu gewinnen, zu verarbeiten und weiterzuverbreiten. Monopole an Information werden überwunden und die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft, in Wirtschaft und Politik generell gestärkt. Zum anderen fördert der individuelle Zugang zu Informationen aller Art die Globalisierung in der Weise, dass jede einzelne Person sich über die nationalen Grenzen hinaus global betätigen kann.
Das Internet, dessen Anfänge in die 1950er-Jahre zurückreichen, ist zum Inbegriff des Globalisierungseffekts der Informationsrevolution geworden. Es ist ein übergreifendes Netzwerk von immer mehr nationalen und internationalen Netzwerken, die nach einem standardisierten Verfahren miteinander kommunizieren. Dazu gehören sowohl
Das Internet kann als eine Schlüsseltechnologie betrachtet werden. Ein großer Teil des menschlichen Wissens kann inzwischen über das Internet abgerufen werden. Die Kommunikation von Unternehmen wird zunehmend über das Internet gesteuert, verschiedene Geschäftsbereiche wurden revolutioniert oder neu erfunden (z. B. Online-Banking). Zunehmend werden auch private Dienstleistungen über das Internet abgewickelt, z. B. Flugbuchungen, Reservierungen von Hotels und Reisen.
Weltweit ist die Zahl der Nutzer des Internets seit 1991 (4 Mio.) auf mehr als das Einhundertfünfzigfache gestiegen. 2003 waren global über 650 Mio. Internetnutzer online. Zwischen den einzelnen Regionen der Welt werden jedoch große Unterschiede sichtbar. Während in Europa, Amerika und Australien/Ozeanien durchschnittlich zwischen 21 % und 33 % der Einwohner Zugang zum Internet haben, bleiben Asien und insbesondere Afrika deutlich hinter dem Weltdurchschnitt von 10 % zurück. Bei der PC- und Internet-Dichte zeigen sich ebenfalls Unterschiede zwischen den führenden Industrienationen.
In dem Maße, wie sich Kommunikation, wirtschaftliches Handeln sowie politische Willensbildung und -äußerung zunehmend in das Internet verlagern (Bild 3), ergibt sich die Frage nach einer gerechteren Teilnahme aller Staaten und Bevölkerungsschichten an den Möglichkeiten, die diese neuen Techniken eröffnen. Die immer stärkere Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) beeinflusst im Besonderen die Wirtschaft der Industrienationen. Die neuen Techniken bieten aber auch den Entwicklungsländern eine Chance, viele Standortnachteile aufzuheben. Zugleich besteht aber die Gefahr, dass diese Länder von den Fortschritten ausgeschlossen werden, sich wirtschaftlicher Rückstand weiter verfestigt und damit eine digitale Kluft zwischen den armen und den reichen Ländern entsteht bzw. sich weiter vertieft.
Die Vereinten Nationen beschäftigten sich vom 10. bis 12. Dezember 2003 erstmals mit der globalen Informationsgesellschaft im Rahmen eines UN-Gipfels. UN-Generalsekretär KOFI ANNAN rief zum Auftakt des Weltinformationsgipfels dazu auf, den „digitalen Graben“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu überwinden und eine gerechte weltweite Informationsgesellschaft zu schaffen.
Die digitale Spaltung ist die Teilung der Gesellschaft in diejenigen,
Der Begriff der digitalen Spaltung kennzeichnet darüber hinaus die extrem ungleiche Verteilung von IKT. Die Anzahl der Internet-Nutzer ist in vielen Industrieländern sehr hoch, z. B. in den skandinavischen Ländern, in den USA und Japan. Dagegen bleiben viele Länder Afrikas und Asiens zurück. Der gesamte afrikanische Kontinent verfügt mit seinen 760 Mio. Einwohnern über weniger Internetzugänge als die 400 000 Einwohner Luxemburgs.
Angesichts des weltweiten Strukturwandels hin zur Wissensgesellschaft kann die gegenwärtige digitale Spaltung auch eine künftige soziale Spaltung bedeuten. Je mehr gesellschaftlich relevante Informationen und Kommunikationen in elektronischen Netzwerken stattfinden, desto stärker wirken sich soziale Unterschiede im Zugang und Umgang mit den neuen IKT aus.
Wegen der Unschärfe bei der Kennzeichnung der digitalen Spaltung in den einzelnen Weltregionen, zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie innerhalb der jeweiligen Ländergruppen werden unterschiedliche Unterscheidungsmerkmale bei der digitalen Spaltung getroffen. Die Weltbank unterscheidet beispielsweise zwischen
Internetnutzer weltweit (2010)
Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) berechnet einen Digital Access Index (DAI) und ordnet die untersuchten Länder je nach Zugang zu IKT in vier Gruppen ein: Länder mit
Berücksichtigt werden dabei fünf Kriterien:
Auf einer Skala von 0 bis 1 wird der jeweilige Zugangsgrad errechnet. Die Eins steht im Idealfall für den höchsten Zugang.
Von den 178 untersuchten Staaten belegten im Jahr 2002 Schweden, Dänemark und Island die ersten drei Plätze. Deutschland liegt mit einem Zugangswert von 0,74 auf dem 18. Platz und rangiert damit im Mittelfeld.
Die Ursachen für die digitale Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind vor allem in folgendem begründet:
Große Unterschiede im Zugang zu den modernen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zeigen sich auch hinsichtlich des Anteils der Geschlechter. Der ungleiche geschlechtsspezifische Zugang ist u. a. darauf zurückzuführen, dass in vielen Entwicklungsländern
Die globalen Veränderungen im Produktionsprozess aufgrund der neuen Techniken eröffnen aber auch günstigere Zugangsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen für Frauen. In Indien und Brasilien hat sich beispielsweise der Anteil von Frauen an hoch qualifizierter Beschäftigung im Bereich der Informationstechnologie stark erhöht. Die Mehrzahl der Frauen ist dabei jedoch in geringer qualifizierten Bereichen wie Dateneingabe und -verarbeitung beschäftigt.
Auch innerhalb der Industrieländer gibt es große Unterschiede in der Verbreitung und Anwendung der neuen IKT. Das hängt mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren zusammen. Hinzu kommen psychologische und intellektuelle Barrieren (z. B. Technikscheu, fehlendes Internet-Wissen, Sprachbarrieren) sowie Besorgnis um Datensicherheit und auch zu hohe Zugangskosten (Preise für Telefon und Anschaffung der Hardware).
Die Internetnutzung divergiert darüber hinaus nach soziodemographischen Parametern wie Alter, formaler Bildungsgrad, Berufstätigkeit und Einkommen. Unterschiede zeigen sich ebenfalls zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Geschlechtern.
Unabhängig von der starken Zunahme der Zahl der Internetnutzer und -nutzerinnen werden diese grundlegenden Trends auch in Deutschland sichtbar.
Den positiven Wirkungen des Internets hinsichtlich des grenzenlosen Austausches von Wissen und Informationen steht die digitale Spaltung gegenüber, die global eine Verschärfung des Wohlstandsgefälles zur Folge hat.
Aus politischer Sicht kommt es darauf an, die Teilhabe aller Bevölkerungsschichten an den IKT zu ermöglichen, die weitere Vertiefung der digitalen Kluft zu verhindern und im internationalen Maßstab Chancengleichheit in den Entwicklungsländern zu ermöglichen.
Zur Überwindung der digitalen Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wurden verschiedene Programme und Maßnahmen entwickelt und auf den Weg gebracht. Dazu gehören beispielsweise Aktivitäten der G8-Staaten, der Weltbank, der WTO sowie im Rahmen von Organisationen der Vereinten Nationen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die ITU (Internationale Fernmeldeunion), die sich u. a. mit Normen für die Verwaltung des Frequenzspektrums, mit Regulierungsfragen des Telekommunikationssektors und Abrechnungssätzen befasst. Das Amt für Telekommunikationsentwicklung der ITU bietet den der Organisation angehörenden Entwicklungsländern technische Hilfe an. Durch die ITU wurden auch die Vorbereitungen des UN-Weltinformationsgipfels von 2003 in Genf koordiniert. Im Zentrum des Treffens von über 10 000 Teilnehmern stand die Suche nach Lösungen, um die digitale Kluft zwischen armen und reichen Ländern zu überwinden. Mit einem Aktionsplan soll erreicht werden, dass bis 2015 mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung Zugang zu den modernen Informationstechnologien erhält.
Umfassende Teilhabe an den neuen Medien gehört auch zu den entscheidenden Zielen der europäischen IKT-Politik. Der europäische Aktionsplan „E-Europe – eine Informationsgesellschaft für alle“ des EU-Gipfels von 2000 in Lissabon ist ein strategisches Politikprogramm, um die Entwicklung eines „Europas der Innovation und des Wissens“ zu fördern und den Rückstand auf dem Gebiet der multimedialen Techniken zu den USA abzubauen.
Das Aktionsprogramm der deutschen Bundesregierung „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ zielt darauf, bisher unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen an das Internet heranzuführen. Zu der Vielzahl von Programmen und Maßnahmen gehören das Projekt „Schulen ans Netz“, das Ende 2001 realisiert wurde, sowie das Projekt „Frauen ans Netz“ mit dem Ziel, den Anteil von Frauen in IT-Bereichen weiter und nachhaltig zu erhöhen.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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