Umfang und Ausrichtung der EU-Entwicklungspolitik

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten unterstützen laufend etwa 160 Entwicklungsländer durch die Zahlung von Entwicklungshilfe.
Die Beiträge der EU-Staaten machen mehr als die Hälfte der weltweiten öffentlichen Entwicklungshilfezahlungen (Official Development Assistance – ODA) aus.

Eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit besteht vor allem mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten), aber auch mit anderen Weltregionen (Asien und Lateinamerika, Mittelmeer, Mittel- und Osteuropa, der ehemaligen Sowjetunion und Südosteuropa). Hinzu kommen Nahrungsmittelhilfen, humanitäre Hilfsleistungen und die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen.

Insgesamt konzentriert sich die Entwicklungszusammenarbeit zunehmend auf die ärmsten Länder sowie auf nachhaltige und wiederholbare Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen für besonders bedürftige Bevölkerungsgruppen. Dem Umweltschutz und der Rohstoffverwaltung (Ressourcenmanagement) sowie der Förderung der Frauen kommt dabei ein hoher Stellenwert zu. Angestrebt wird, künftig 70 % der EU-Hilfe für die armen und ärmsten Länder einzusetzen.

Ausgaben zur Entwicklungshilfe 2010

Ausgaben zur Entwicklungshilfe 2010

Grundlagen und Ziele

Die gemeinsame Europäische Entwicklungspolitik gründet auf einem Zusatz zum EG-Vertrag vom Jahre 1957 (Titel XX: Entwicklungszusammenarbeit), der als Teil des Maastrichter Vertrages aus dem Jahre 1992 am 1. November 1993 in Kraft getreten ist. In einer öffentlichen Erklärung vom 10. November 2000 erhoben der Europäische Rat und die Europäische Kommission die Bekämpfung der Armut zum Leitziel der EU-Entwicklungspolitik (siehe PDF "Erklärung des Rates und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft"). Im Einzelnen sollen folgende sechs Bereiche besonders gefördert werden:

  • Handel und Entwicklung,
  • regionale Strukturen (regionale Integration),
  • gesamtgesellschaftliche Ansätze (vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung),
  • Transport und Verkehr,
  • Ernährungssicherung und nachhaltige ländliche Entwicklung,
  • Auf- und Ausbau institutioneller Kapazitäten (z. B. staatlicher Einrichtungen).

Die Europäische Kommission ist regelmäßig bemüht, die entwicklungspolitischen Ziele der EU zu überprüfen und an die veränderten Bedingungen anzupassen. Richtlinien dafür sind unter anderem die auf dem Millenniums-Gipfel der Vereinten Nationen (United Nations Organization – UNO) im September 2000 in New York von den 189 Teilnehmerstaaten beschlossenen Milleniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals – MDGs), die bis zum Jahr 2015 umgesetzt werden sollen:

  • Halbierung des Anteils der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung;
  • Grundschulbildung für alle Kinder;
  • Gleichstellung der Geschlechter beim Zugang zu schulischer und beruflicher Ausbildung;
  • Senkung der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren um zwei Drittel;
  • Senkung der Sterblichkeit von Müttern um drei Viertel;
  • Bekämpfung von AIDS und Malaria und anderer übertragbarer Krankheiten, insbesondere Verhinderung ihrer weiteren Ausbreitung;
  • Verbesserung des Umweltschutzes, insbesondere Stopp des weiteren Verlustes an Umweltressourcen;
  • Halbierung des Anteils der Weltbevölkerung, der keinen Zugang zu gesundem Trinkwasser hat;
  • Ausbau der weltweiten partnerschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit insbesondere in den Bereichen Handel und Finanzen, Gute Staatsführung (Good Governance), Schuldenabbau, medizinische Versorgung, Informations- und Kommunikationstechnologie.

AKP-Staaten und Südafrika

Seit 1975 sind die Lomé-Abkommen Ausdruck einer umfassenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der EU und den derzeit 77 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten). In dem am 23. Juni 2000 in Cotonou (Benin) für 20 Jahre geschlossenen Nachfolgeabkommen wurden folgende entwicklungspolitischen Ziele vereinbart:

  • Armutsbekämpfung und eine Förderung nachhaltiger Entwicklung zur schrittweisen Eingliederung der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft;
  • Stärkung des politischen Dialogs im Hinblick auf Demokratisierung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit sowie Friedens- und Stabilitätspolitik;
  • Verankerung guter Staatsführung (Good Governance);
  • Neuregelung der Handelsbeziehungen nach den Maßgaben der Welthandelsorganisation (WTO) sowie Entwicklung regionaler Freihandelsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten bis 2008;
  • Regelmäßige Überprüfung und Bewertung der Zusammenarbeit.

Aus dem 9. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) stehen den AKP-Staaten in den Jahren 2000 bis 2007 Mittel von bis zu 13,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Mit Südafrika wurde nach mehrjährigen Verhandlungen ein Handels-, Entwicklungs- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, das im Jahr 2000 in Kraft getreten ist.

Asien und Lateinamerika

Die Beziehungen der EU zu Asien und Lateinamerika sind von einer engen Zusammenarbeit mit Organisationen wie

  • ASEM (Asia-Europe-Meeting) und
  • der Vereinigung Südostasiatischer Länder (ASEAN) bzw.
  • dem Gemeinsamen Südamerikanischen Markt (MERCOSUR),
  • der Andengemeinschaft (Communidad Andina – CAN: Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela) und
  • den San José-Staaten Mittelamerikas (Costa Rica, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Panama, Guatemala)

gekennzeichnet. Weitreichende Handels- und Kooperationsabkommen wurden aber auch mit verschiedenen einzelnen Staaten und einigen regionalen Organisationen abgeschlossen.

Für die Beziehungen zu Asien hat die Europäische Kommission am 4. September 2001 ein neues strategisches Rahmenwerk zur erweiterten Partnerschaft verabschiedet. Danach konzentriert sich die Entwicklungszusammenarbeit auf:

  • Förderung von Frieden und Sicherheit in der Region;
  • Ausbau der gegenseitigen Handels- und Investitionsbeziehungen;
  • Förderung der Entwicklung besonders in den ärmsten Ländern und Beseitigung der Wurzeln der Armut;
  • Stärkung des Schutzes der Menschenrechte und der Demokratisierung, des Rechtsstaates und der guten Regierungsführung (Good Governance);
  • Schaffung von länderübergreifenden Partnerschaften;
  • Erhöhung des gegenseitigen partnerschaftlichen Bewusstseins.

Im Mittelpunkt der Beziehungen zu Lateinamerika stehen seit den Treffen der europäischen und lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs 1999 in Rio de Janeiro und 2002 in Madrid folgende Bereiche:

  • Förderung der Menschenrechte und der Demokratie,
  • Förderung der regionalen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts (regionale Integration),
  • Zusammenarbeit in zwischenstaatlichen Ausschüssen (multilateralen Gremien).

Mittelmeerraum

Mit den südlichen Nachbarn im Mittelmeerraum hat die EU traditionell enge Beziehungen. Bereits seit den 1960er-Jahren bestehen Kooperationsabkommen mit

  • den Maghreb-Ländern (Marokko, Algerien, Tunesien),
  • den Maschrek-Ländern (Ägypten, Jordanien, Libanon, Syrien) und mit
  • Israel.

1995 wurde mit der ersten Europa-Mittelmeer-Konferenz in Barcelona eine umfassende regionale Partnerschaft eingeleitet, die auf verschiedenen Folgekonferenzen bekräftigt wurde. Ziel ist die Schaffung einer Euro-mediterranen Freihandelszone bis zum Jahr 2010 unter Einschluss:

  • des Ausbaus der gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen,
  • der Zusammenarbeit auf zivilgesellschaftlicher und regionaler Ebene (regionale Integration),
  • der Entwicklung eines intensiven politischen und sicherheitspolitischen Dialoges.

Die rechtliche Grundlage für die Gewährleistung der Hilfe wird seit 1996 durch die Verordnung über technische und finanzielle Begleitmaßnahmen zur Reform der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen im Rahmen der neuen Partnerschaft zwischen der EU und den Mittelmeerländern geregelt (Mediterranean Development Assistance – MEDA). Im Jahr 2000 wurde die MEDA II-Verordnung verabschiedet, um Planung und Abwicklung von Projekten effizienter zu gestalten. Für den Zeitraum 2000–2006 wurde ein Finanzrahmen von 5,35 Mrd. Euro festgelegt.

Die 6. Konferenz der Außenminister der Mitgliedsstaaten der EU und der Mittelmeerpartner vom Dezember 2003 diente der weiteren Vertiefung der Beziehungen sowie der interkulturellen Zusammenarbeit und der Förderung von Demokratie und Menschenrechten. Die EU hat am 3. Oktober 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufgenommen. Seit dem 29. Juli 2004 besteht eine Zollunion zwischen beiden Partnern. Zypern und Malta wurden am 1. Mai 2004 Vollmitglieder der EU.

Die Hilfe für die palästinensischen Gebiete nimmt eine Sonderstellung ein. Unter Berücksichtigung der im Aufbau befindlichen Einrichtungen der Selbstverwaltung und mit dem Ziel, den Friedensprozess im Nahen Osten zu fördern, übernimmt die EU im Rahmen der Projekthilfe bei verschiedenen Vorhaben auch laufende Betriebskosten, z. B. für palästinensische Exekutivbehörden und Hochschulen.

Mittel-, Ost- und Südosteuropa und die Länder der ehemaligen Sowjetunion

Für Osteuropa und die Länder der ehemaligen Sowjetunion unterhält die EU vor allem zwei Förderprogramme:

  • zum einen PHARE (Poland and Hungary Action for Reconstruction of the Economy), das 1989 zugunsten der mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten (Estland, Lettland, Litauen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Polen, Bulgarien und Rumänien) eingerichtet wurde. In Ergänzung dazu wurden im Jahr 2000 außerdem zwei weitere Programme als Vorbeitrittshilfen beschlossen: ISPA (Instrument for Structural Policies for Pre-Accession) hauptsächlich für Investitionen in den Bereichen Umwelt und Verkehr sowie SAPARD (Special Accession Programme for Agricultural and Rural Development) für Investitionen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum. Für die mittel-, ost- und südosteuropäischen Staaten, die am 1. Mai 2004 in die EU aufgenommen wurden (Estland, Lettland, Litauen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Polen), sind diese Vorbeitrittshilfen allerdings ausgelaufen;
  • zum anderen besteht seit 1990 das TACIS-Programm (Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States) für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und die Mongolei.

Ziel der Programme ist die Unterstützung der politischen und wirtschaftlichen Umstrukturierung in den Reformländern (Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft). Von den neuen und künftigen EU-Beitrittsländern werden allerdings auch beachtliche Eigenleistungen und Anstrengungen zu tiefgreifenden Strukturreformen erwartet, die sich an den Werten und Modellen der EU ausrichten.

Krisenprävention durch Entwicklungszusammenarbeit

Seit den 1990er-Jahren hat die EU ihre Beiträge zur Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung systematisch erhöht und auf alle Entwicklungsländer ausgeweitet. Ziel der EU ist die Umsetzung einer kohärenten Krisenprävention, d. h. eine Abstimmung ihrer Außenbeziehungen unter dem Leitziel, Krisen schon frühzeitig abwehren und damit möglichst ganz verhindern zu können. Versucht wird dies durch die Ausweitung der Entwicklungszusammenarbeit z. B. über Handels- und Kooperationsabkommen sowie durch humanitäre Hilfe. Die Entwicklungszusammenarbeit der EU ist damit auch als ein Teil der von ihren Mitgliedstaaten angestrebten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu begreifen.

Bei der Förderung von Frieden und Sicherheit zählt seit 2002 die Lage in Afghanistan zu den größten Herausforderungen. Für Nahrungsmittel, humanitäre Hilfe und die Unterstützung entwurzelter Bevölkerungsgruppen wurden durch die EU mehr als 270 Mio. Euro bereitgestellt. Am Wiederaufbau Iraks beteiligte sich die EU seit dem Krieg vom Jahre 2003 bereits mit mehr als 320 Mio. Euro. Im Jahr 2005 soll dieses Engagement um weitere 200 Mio. Euro erhöht werden.

Seit 1999 hat die EU auch auf dem Balkan eine führende entwicklungspolitische Rolle übernommen. So verpflichtete sie sich im Stabilitätspakt Südosteuropa, die Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Moldau, Rumänien, Serbien und Montenegro sowie das Kosovo „enger an die Perspektive der vollen Integration“ in die Strukturen der EU heranzuführen. Für die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern wurde 2001 das Finanzierungsprogramm CARDS (Community Assistance for Reconstruction, Development and Stabilisation) eingerichtet.

Nahrungsmittelhilfen und humanitäre Hilfe

Die EU gewährt Nahrungsmittelhilfen und humanitäre Hilfe in vielfältiger Form. Nahrungsmittelhilfen werden sowohl über längere Zeiträume, z. B. bei Ernteausfall und Dürre, sowie auch als kurzfristige Sofortmaßnahme bereitgestellt. Im Rahmen der Internationalen Übereinkunft über Nahrungsmittelhilfe von 1999 hat sich die EU zu einer jährlichen Nahrungsmittellieferung an die Entwicklungsländer von mindestens 1,32 Mio. Tonnen und einer zusätzlichen Bereitstellung von jährlich 130 Mio. Euro verpflichtet. Im Jahre 2003 hatte das EU-Nahrungshilfeprogramm insgesamt einen Umfang von 434,2 Mio. Euro.
Die humanitäre Hilfe umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen wie Nothilfe für Opfer von Naturkatastrophen, Flüchtlingshilfe, Katastrophenschutz und Wiederaufbauprogramme. Für sie stellt die EU jährlich fast 600 Mio. Euro zur Verfügung.

Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen

Im Rahmen der EU-Entwicklungspolitik gewinnt die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations – NGOs) zunehmend an Bedeutung. Leistungsfähige und unabhängige NGOs sind ein wichtiger Faktor für das wirtschaftliche, soziale und politische Vorankommen der Entwicklungsländer.

Der Beitrag der EU besteht insbesondere

  • in der Mitfinanzierung von NGO-Entwicklungsprogrammen in den Entwicklungsländern und von europaweiten Sensibilisierungskampagnen zu entwicklungspolitischen Themen sowie
  • in der Bereitstellung von Mitteln für Nahrungs- und Soforthilfe.
  • Darüber hinaus haben NGOs Zugang zu Mitteln der EU in Bereichen wie Umwelt, Gesundheit und Menschenrechte.

Die Interessen der europäischen NGOs, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, werden durch das „Liaison Committee of Development NGOs to the EU“ gegenüber der Europäischen Kommission vertreten. Rund 900 NGOs sind über nationale Plattformen in den 25 Mitgliedstaaten organisiert. Die deutsche Plattform ist der „Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen“ (VENRO). In Brüssel werden die Interessen des deutschen Dachverbandes gegenüber der EU von dem europäischen Netzwerk CONCORD wahrgenommen, das Anfang 2003 gegründet wurde. Bei der Europäischen Kommission können die NGOs Mittel für ihre Projekte beantragen.

Institutionen der EU-Entwicklungspolitik

An Institutionen der EU-Entwicklungspolitik bestehen innerhalb der Europäischen Kommission zwei Generaldirektionen, die für die Programme der Entwicklungszusammenarbeit und die Analyse der Bedürfnisse und politischen Rahmenbedingungen in den Partnerländern zuständig sind:

  • die Generaldirektion Entwicklung (DG Dev) und
  • die Generaldirektion Außenbeziehungen (DG Relex).

Unterstützt wird die Kommission von Ausschüssen, die Vorhaben der Gemeinschaft erörtern und beschließen.

Seit 1992 verwaltet ECHO (European Commission Host Organization) die EU-Mittel für humanitäre Hilfe. Die Europäische Investitionsbank (EIB) vergibt Darlehen, um die Entwicklung der Wirtschaft in den Empfängerländern zu fördern.

Seit 2001 ist das neu gegründete Amt für Zusammenarbeit, EuropeAid, die zentrale Stelle für die Umsetzung der EU-Entwicklungspolitik im europäischen Raum. In ihr sind die Verantwortlichkeiten gebündelt. EuropeAid wählt Projekte und Programme aus, prüft sie und übernimmt die vollständige Durchführung.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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