- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 2 Demokratie in Deutschland
- 2.3 Politische Meinungs- und Willensbildung
- 2.3.7 Parteien und Parteiendemokratie
- Sozialdemokratische Partei Deutschlands
1863 | Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) |
1869 | Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) |
1875 | Zusammenschluss von ADAV und SDAP zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) mit Gothaer Programm |
1878 | Sozialistengesetz, Zerschlagung der Parteiorganisation |
1890 | Umbenennung in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) |
1925 | Heidelberger Programm |
1933 | Als einzige Partei stimmt die SPD im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz für ADOLF HITLER. |
1945 | Wiedergründungen auf lokaler und regionaler Ebene |
1946 | In der SBZ Vereinigung von SPD (Vorsitz: OTTO GROTEWOHL) und KPD (Vorsitz: WILHELM PIECK) zur SED (Zwangsvereinigung); Wiedergründung für die drei Westzonen auf Parteitag in Hannover (Vorsitz: KURT SCHUMACHER) |
1959 | Godesberger Programm (PDF 1), Neuorientierung als sozialreformerische Volkspartei |
1966 | Erstmals an Bundesregierung beteiligt |
1974 | Rücktritt von WILLY BRANDT als Bundeskanzler (Spionageaffäre GUILLEAUME) |
1989 | Gründung der Sozialdemokratischen Partei (SDP) in der DDR, 1990 mit SPD vereint |
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist eine politische Partei, die Menschen verschiedener Glaubens- und Denkrichtungen vereinigt,
„die sich zu Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, zur gesellschaftlichen Gleichheit von Mann und Frau und zur Bewahrung der natürlichen Umwelt bekennen“ (Präambel SPD-Statut).
Die SPD knüpft nach ihrer Wiederbegründung 1945/1946 zunächst stärker an ihre Tradition als sozialistische Arbeiterpartei an. Parteireformen machen sie in den 1960er-Jahren zu einer sozialreformerischen Volkspartei der linken Mitte, die ähnlich der CDU/CSU für alle Bevölkerungsschichten wählbar wird.
Die Partei hat rund 495 000 Mitglieder, davon sind knapp ein Drittel Frauen (2011). Sie stellt im 17. Deutschen Bundestag 146 von insgesamt 622 Abgeordneten, im Europäischen Parlament 186 Parlamentarier.
Die SPD wird von der Alliierten Militäradministration 1945 als eine von den vier Parteien zugelassen, die organisatorisch und personell an eine antifaschistische Vergangenheit anknüpfen können:
Mit diesen Richtungen entsteht erneut das traditionelle deutsche Parteiensystem. Anders als bei den weitgehend neu gegründeten liberalen und konservativ-sozialen Parteien vollzog sich der SPD-Aufbau als Wiedergründung. Schon im Frühjahr 1945 begann die Reaktivierung der 1933 zwangsweise aufgelösten Parteiorganisation. In allen Besatzungszonen bildeten sich lokale und regionale sozialdemokratische Gebietsverbände. Drei Gruppen nahmen entscheidenden Einfluss auf den Parteiaufbau:
In der SBZ wurde die SPD vor allem mit Pressionen gegenüber der unteren Parteiebene zur Vereinigung von SPD und KPD gedrängt, die im April 1946 mit Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vollzogen und als Zwangsvereinigung kritisiert wurde. Einen Monat später in Hannover beendete der erste Parteitag der SPD für die drei westlichen Besatzungszonen den Wiederaufbau mit Vorstandswahl (KURT SCHUMACHER) und Programmbeschluss (Politische Leitsätze). Im Unterschied zum weiterhin gültigen Heidelberger Programm von 1925 hebt die SPD nunmehr nationale Interessen hervor („keine Gebietsabtretungen“) und ändert ihre bisher kirchenfeindliche Haltung. Die SPD zählte 1947 bereits 875 000 Mitglieder. Die erste Bundestagswahl 1949 wurde überraschend zur Niederlage (29,2 % Stimmenanteil gegenüber 31,0 % der CDU/CSU). Die SPD ging in die Opposition gegenüber einer bürgerlichen Regierungskoalition in der neuen provisorischen Hauptstadt Bonn.
Die SPD ist territorial in
gegliedert. Entsprechend diesem Aufbau befassen sich die einzelnen Organisationsebenen vorrangig entweder mit kommunalen, regionalen oder übergeordneten politischen Fragen. Die Bundesorgane bestehen aus
Beschließt der Parteitag über die Parteiprogrammatik und -organisation sowie das Führungspersonal, so ist der Vorstand höchstes Leitungsorgan, unterstützt durch parteiinterne Klärungen durch den Parteirat. Der Vorstand fällt die Richtung gebenden innen- und außenpolitischen Entscheidungen und führt die Geschäfte der Partei. An der Auswahl von Kandidaten für Wahlämter ist er beteiligt. Zum strategischen Zentrum gehören neben den Parteivorsitzenden und dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion die von der SPD gestellten Ministerpräsidenten von Bundesländern, Bundesminister und der Generalsekretär der Partei.
Zur SPD gehören eine Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften, beispielsweise die
Innerparteiliche Macht liegt zudem bei der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, die förmlich jedoch nicht zur Parteiorganisation zählt. Während der Wahlkämpfe sind auch spezielle Gremien für Wahlwerbung und Kampagnen („Kampa“) bedeutsam.
Bis in die Nachkriegszeit war die Sozialdemokratie zugleich
Seitdem lockerte sich der Zusammenhalt der Solidargemeinschaft. Die rund 12 500 Ortsvereine und 350 Unterbezirke handeln inzwischen eigenständiger. Die Bezirks- und Landesorganisationen verfügen insbesondere in Zeiten, in denen die SPD im Bund in Opposition steht, über großes politisches Gewicht. Der Parteivorstand hat die politischen Positionen einer Vielzahl von
zu koordinieren und Führungslinien zu vereinbaren und durchzusetzen. Statt einer von wenigen Parteiführern straff gesteuerten Organisation ähnelt die Partei daher heute ehe einer
„großen Koalition von lokalen und regionalen Parteiorganisationen“ (P. Lösche, 2003).
Die SPD ist eine Mitgliederpartei (2011: 495 000), in der vor allem die Angehörigen des öffentlichen Dienstes stark vertreten sind. Sie entwickelt sich zunehmend zu einer professionellen Medienpartei. In der modernen Mediendemokratie versteht sie sich als Dienstleister ihrer Wählerschaft.
Die SPD ist die älteste deutsche Partei. Ihr Ursprung reicht über die beiden Vorgängerparteien
bis zur Märzrevolution von 1848 und in den Vormärz zurück. Der von FERDINAND LASSALLE 1863 in Leipzig gegründete Arbeiterverein und die von AUGUST BEBEL und WILHELM LIEBKNECHT 1869 in Eisenach errichtete Sozialdemokratische Partei vereinten sich 1875.
Der Zusammenschluss 1875 erfolgte auf der Grundlage des Gothaer Programms, das die „mit allen gesetzlichen Mitteln“ anzustrebenden Parteiziele umriss:
„Den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft, die Zerbrechung des ehernen Lohngesetzes durch Abschaffung des Systems der Lohnarbeit, die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseitigung der sozialen und politischen Ungleichheit.“
Prägend für die Sozialdemokratie wurde die unter dem Sozialistengesetz (1878–1890) erfahrene staatliche Unterdrückung und Zerschlagung der Parteiorganisation. In dieser Zeit verstärkte sich die programmatische Hinwendung zur marxistischen Gesellschaftsanalyse. Politisch entschied sich die Partei jedoch, an Wahlen und der Parlamentsarbeit mitzuwirken.
Die aufgezwungene Isolierung führte zu der Überzeugung, dass die politische und soziale Befreiung der Arbeiterschaft nur von ihr selbst zu erwarten sei. Die Partei galt national als unzuverlässig und staatsfeindlich. Sie entwickelte eine eigene breit angelegte politische und soziale Emanzipations- und Kulturbewegung mit
als Bestandteilen der politischen Sozialdemokratie. Zusammen mit freien Gewerkschaften wurden Unternehmen (Verlage, Druckereien, Versicherungen) sowie Konsum-Genossenschaften gegründet. Somit hatte die Sozialdemokratie einen eigenen, alternativen Lebensraum für Mitglieder und Anhänger geschaffen, der neben der Arbeit auch Wohnen, Freizeit und Bildung umfasste. Das vielfältige und komplexe Netzwerk von Organisationen bildete die institutionelle Grundlage der Sozialdemokratie in der Zeit des Kaiserreichs und in der Weimarer Republik, äußerst zurückgedrängt während der NS-Diktatur und schließlich noch im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik. Die sozialdemokratische Bewegung diente der Selbstbehauptung und war zugleich eine Art vorweggenommene sozialistische Zukunft.
Das 1891 beschlossene und wesentlich von KARL KAUTZKY und EDUARD BERNSTEIN verfasste Erfurter Programm wurde Richtung weisend für viele sozialdemokratische Parteien Europas. Es forderte die Übernahme der Produktionsmittel durch die Arbeiterklasse, nachdem sie zuvor die politische Macht erobert habe. Vermied das Görlitzer Programm von 1921 die marxistische Terminologie, so enthielt das 1925 verabschiedete Heidelberger Programm erneut eine stärker marxistisch orientierte Gesellschaftsanalyse. Es blieb bis in die Nachkriegszeit hinein gültig, wenngleich zunehmend in Frage gestellt.
Bereits 1912 war die SPD mit 110 bgeordneten zur stärksten Fraktion im Reichstag geworden (34,8 % Stimmenanteil bei den Wahlen, 1893 noch 23,3 %). Die anderen Parteien waren sich jedoch weiterhin generell einig in der Gegnerschaft zur SPD. Deren Mitgliederzahl stieg von 384 000 im Jahr 1906 auf 1 850 000 im Kriegsjahr 1914. Die SPD ließ
„in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich“
und stimmte 1914 für Kriegskredite, was entscheidend zur Abspaltung der radikalen Linken Spartakusbund und 1917 der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) führte.
Die Spartakusgruppe gründete unter Führung von ROSA LUXEMBURG, KARL LIEBKNECHT und ERNST MEYER am 31.12.1918 in Berlin die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Wie ähnlich die USPD forderte sie die Räteherrschaft in Deutschland. SPD und KPD sahen sich am Beginn der Weimarer Republik als Interessenvertretung der Arbeiterklasse. Von Arbeiterparteien lässt sich nur in einem weiten Sinne sprechen. Schon vor 1914 gehörten mindestens 10 % der SPD-Mitglieder nicht zur Arbeiterschaft und der bürgerliche Wähleranteil der SPD dieser Zeit wird von der Parteienforschung auf rund 25 % geschätzt. Die Spaltung in SPD und KPD machte es beiden Parteien während der Weimarer Republik unmöglich, Mehrheitspartei zu werden.
Die SPD übernahm nach der Abdankung Kaiser WILHELMs II. recht unvorbereitet die Regierungsverantwortung. Der Sozialdemokrat PHILIPP SCHEIDEMANN rief in Berlin die Republik aus (9.11.1918), FRIEDRICH EBERT wurde erster Reichskanzler, später erster Reichspräsident (1919–1925). Zusammen mit der katholischen Zentrumspartei und der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), später auch der Deutschen Volkspartei, bildeten sie die Weimarer Koalition als die staatstragende politische Mitte. In verschiedenen Koalitionen war die SPD als Regierungspartei beteiligt. Trat sie programmatisch radikal-revolutionär auf (Heidelberger Programm, 1925), so entwickelte sie sich politisch-praktisch zur Trägerin der parlamentarischen Demokratie. Als einzige Partei stimmte sie 1933 im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz für ADOLF HITLER.
Die wieder gegründete SPD wurde nach Wahlniederlagen in den 1950er-Jahren durch Reformen der Parteiorganisation (1958) und des Programms (Godesberger Programm, 1959) nunmehr eindeutig auf den Weg zur sozialreformerischen Volkspartei gebracht. Sie strebt den demokratischen Sozialismus mit den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität an, der in
„christlicher Ethik, Humanismus und klassischer Philosophie“
wurzelt (weltanschaulicher Pluralismus). Damit war zugleich der Weg für die Bildung einer Großen Koalition mit der CDU/CSU (1966–1969), die sozialliberale Koalition mit der FDP (1969–1982) und die rot-grüne Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen (1998-2005) geebnet.
Die Politik des Ausgleichs mit dem Osten (Deutschland- und Ostpolitik) und der demokratischen Reformen („Mehr Demokratie wagen“) des Kanzlers WILLY BRANDT veränderten das politische Profil der Bundesrepublik.
Die Wiederbegründung der ostdeutschen Sozialdemokratie am 7.10.1989 im Pfarrhaus von Schwante (nahe Berlin) als Sozialdemokratische Partei (SDP) erfolgt unabhängig von der SPD. Der Bürgerbewegung nahe, ging ihr Denken und Handeln darum, die Freiheit des Individuums zu sichern und staatliche Macht zu begrenzen. Im Rahmen der raschen deutsch-deutschen Vereinigung schloss sich die Partei im September 1990 der SPD an.
Die SPD als Regierungspartei von 1998 bis 2009 (Kabinette Schröder/Fischer, Merkel/Steinmeier) befand sich in der permanenten Spannung zwischen Modernisierern (rechter Flügel) und Traditionalisten (linker Flügel).
Diese Spannung zeigt sich nicht nur im Grundsatzprogramm der SPD (siehe PDF "Grundsatzprogramm der SPD (1998)" und PDF "Grundsatzprogramm der SPD (2007)"), sondern ebenso in der Diskussion über den Umgang mit der Partei Die Linke.
Mit dem schlechtesten Ergebnis seit 1949 (23,0 %) bei der Bundestagswahl 2009 und dem Verlust der Regierungsbeteiligung stellt sich für die Sozialdemokratie die Frage einer klaren Positionierung innerhalb des Parteienspektrums umso dringlicher.
Vorsitzende der SPD
KURT SCHUMACHER 1946–1952
ERICH OLLENHAUER 1952–1963
WILLY BRANDT 1964–1987
HANS-JOCHEN VOGEL 1987–1991
BJÖRN ENGHOLM 1991–1993
RUDOLF SCHARPING 1993–1995
OSKAR LAFONTAINE 1995–1999
GERHARD SCHRÖDER 1999–2004
FRANZ MÜNTEFERING 2004–2005
MATTHIAS PLATZECK 2005-2006
KURT BECK 2006-2008
FRANZ MÜNTEFERING 2008-2009
SIGMAR GABRIEL seit 2009
Bundeskanzler der SPD
WILLY BRANDT 1969–1974
HELMUT SCHMIDT 1974–1982
GERHARD SCHRÖDER 1998–2005
Ein Angebot von