Nationaler und globaler Markt

Markt als Ort des Tausches

Der Begriff Markt gibt unserem Wirtschaftssystem den Namen: der Marktwirtschaft. Auf dem Markt treffen Angebot und Nachfrage von bzw. nach Waren und Dienstleistungen aufeinander.

Arbeitsteilung und die Erzeugung von über den unmittelbaren Eigenbedarf hinausgehenden Gütern schufen die Voraussetzungen für die Entstehung von Märkten. An diesen „ökonomischen Orten“ tauschten die Menschen zunächst Ware gegen Ware. Über einen langen Entwicklungsprozess trat schließlich das Geld als allgemein akzeptiertes Tauschmittel in das Marktgeschehen. In den mittelalterlichen Gesellschaften entstanden an geografisch günstigen Orten (beispielsweise an einer Furt) oder an Herrschaftszentren (beispielsweise an einer Burg) Orte des Austausches. Obwohl der Fernhandel diesen Prozess beschleunigte und verstärkte, war das Marktgeschehen über Jahrhunderte örtlich, bestenfalls regional geprägt. Erst mit der Herausbildung frühkapitalistischer Verhältnisse in der frühen Neuzeit wandelten sich die Gesellschaft und damit auch das Marktgeschehen grundlegend. Landwirtschaftliche Erzeugnisse konnten nun in Größenordnungen auf Märkten getauscht werden, wie es in Zeiten von Grundherrschaft und Lehnswesen nicht möglich war. Erfindungen und Neuerungen brachten neue handwerkliche und gewerbliche Produkte auf den Markt, beispielsweise Buchdruck und mechanische Uhren. Europäische Seefahrer entdeckten „Neue Welten“ jenseits der Meere. Der seegestützte Fernhandel mit globalen Zügen bildete sich heraus. Damit verbunden trat das Bankwesen als wichtiges Element im Marktgeschehen in Erscheinung. Schritt für Schritt entstand – zunächst in den fortgeschrittenen westeuropäischen Gesellschaften – jeweils ein nationaler Binnenmarkt.

Dieser Prozess weitete sich mit der Industrialisierung im 19. Jh. über große Teile West- und Mitteleuropas sowie Nordamerikas aus. ADAM SMITH (1723–1790) beschrieb diesen Prozess in seinem Hauptwerk über den „Wohlstand der Nationen“ bereits 1776 als einen natürlichen Vorgang, der sich durch „Kapitalbildung und Industrieentfaltung“ in einem Land vollziehe. In der Sprache der modernen Volkswirtschaftstheorie kann diese Aussage so formuliert werden:
In einer Marktwirtschaft, in der alle Waren auf Märkten frei getauscht werden, ist eine optimale (d. h. alle Marktbeteiligten sind gleichgestellt) Zuordnung und Verteilung knapper Ressourcen (Arbeit, Kapital, Boden und Rohstoffe) zur Produktion von Waren und Dienstleistungen gegeben. Diese Idealvorstellung kollidierte mit der Wirklichkeit der Wirtschaftsordnungen in den verschiedenen Zeiten und Räumen.

Vom nationalen Binnenmarkt zum Weltmarkt

Der Binnenmarkt – ein auf den gesamten Austauschprozess im nationalen Territorium ausgerichteter nationaler Markt – bedeutete sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Veränderung gegenüber den früheren regionalen Märkten unter vorkapitalistischen Verhältnissen. Der durch die industrielle Revolution ausgelöste Übergang zur industriellen Produktion in der Fabrikindustrie im Verlauf des 19. Jh.s erforderte einen großen (nationalen) Raum, in dem die Industrie möglichst frei von außerökonomischen Hindernissen ihre Massenwaren verkaufen, Rohstoffe, Halbfabrikate und Arbeitskräfte frei einkaufen und die günstigsten Produktionsstandorte auswählen konnte.

Ungehindert durch Zollschranken und mannigfaltige Maß-, Gewichts- und Währungsunterschiede, ermöglichte der nationale Binnenmarkt die ständige Erhöhung und Vervollkommnung der industriellen Produktion. Damit setzte sich der Kapitalismus im 19. Jh. als allen vorhergehenden Gesellschaften überlegene Ordnung durch. Als Gradmesser der Herausbildung des nationalen Binnenmarktes kann die fortschreitende Vereinheitlichung der Preise für gleichartige Waren und der Preisrelationen zwischen verschiedenartigen Waren in diesem Markt dienen. In Deutschland war die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 der erste Schritt zu einem nationalen Binnenmarkt. Doch erst mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871, d. h. mit der politischen Einheit und der Einführung einer einheitlichen Währung (Mark als goldgedeckte Währung), der später folgenden Handelsgesetzgebung und der Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten (alle deutschen Länder unterzeichneten am 20. Mai 1875 die internationale Meterkonvention zur weltweiten Vereinheitlichung der Maße) sowie dem Ausbau eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes konnte sich der nationale Binnenmarkt vollständig ausbilden.

In den ersten beiden Dritteln des 19. Jh.s bestimmte der von Großbritannien geprägte Freihandel den Außenhandel in Europa und in der Welt. Großbritannien konnte diesen Freihandel auf Grund seiner überlegenen wirtschaftlichen (vor allem industriellen) Position durchsetzen. Ein wirklicher Weltmarkt entstand. Die Rahmenbedingungen für diesen Weltmarkt änderten sich am Ende des 19. Jh.s grundlegend. Die Konkurrenz zwischen den europäischen Staaten, ihre kolonialen und imperialen Ambitionen führten schließlich in allen großen Staaten Europas (außer in Großbritannien) und auch in den USA zu einer protektionistischen Politik. Besonders durch die Schutzzollpolitik sollten die eigene industrielle Entwicklung geschützt, die ausländischen Konkurrenten abgewehrt und die Staatseinnahmen erhöht werden. Trotzdem erreichten der Welthandel und die weltweite ökonomische Verflechtung am Vorabend des Ersten Weltkrieges ihre bis dahin größte Ausdehnung. 1913 umfasste der wertmäßige Umfang des Welthandels etwa 40 Mrd. (Gold-)Dollar.

Globalisierung und Weltmarkt

Nach den Rückschlägen durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s neue weltwirtschaftliche Strukturen unter US-amerikanischer Hegemonie. Mit der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes – offiziell trägt er diesen Namen seit 1993 – entstanden die Voraussetzungen für eine weitgehende Verschmelzung der Volkswirtschaften der EU-Staaten und damit objektiv günstige Voraussetzungen für die Beteiligung im weltweiten Konkurrenzkampf. Die Globalisierung hat die klassischen Vorstellungen von Märkten verändert. Einige Wissenschaftler sprechen von einem sich herausbildenden „Weltbinnenmarkt“, der durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:

  • Abbau von Handels- und Handlungsschranken;
  • internationale Arbeitsteilung in bisher unbekannter Größe;
  • Transport- und Kommunikationsrevolution;
  • Mobilität des Kapitals in bisher ungeahnter Dimension;
  • Nationalstaaten verlieren an Bedeutung.

Diese Prozesse schließen ambivalente Ergebnisse ein:

  • Weltweit entstehen neue Arbeitsplätze.
  • Produktionskosten sinken im Weltmaßstab.
  • Konkurrenzdruck auf dem Weltmarkt steigt.
  • Arbeitsplätze in traditionellen Branchen gehen verloren.
  • Industrieregionen verschwinden.
  • Soziale Unsicherheit in den Industriestaaten nimmt zu.
  • Ausbeutung in den Entwicklungsländern vertieft sich.

Der Soziologe ULRICH BECK (geb. 1944) unterscheidet zwischen dem ökonomisch determinierten Globalismus und einer umfassenderen Globalisierung. Als Globalismus versteht er ein „Unterlaufen“ nationalstaatlicher Souveränität durch transnationale Akteure, beispielsweise die deregulierten internationale Finanzmärkte oder die Einflussnahme transnationaler Konzerne auf nationale Sozialprogramme. Gegenläufige Tendenzen der Fragmentierung und regionalen Abschottung werden hier nicht berücksichtigt.
Die (wenigen) reichen Länder in Nordamerika, Westeuropa, Japan und Australien dominieren nach wie vor über die Erde. Finanz-, Waren- und Touristenströme bewegen sich vorrangig (80 %) zwischen diesen Ländern. Vier Fünftel des weltweiten Bruttosozialprodukts wird dort geschaffen und 98 % der börsennotierten Unternehmen (wertmäßig) sind in diesen reichen Staaten ansässig.

Die Globalisierung hat die verschiedenen Regionen der Erde unterschiedlich erfasst. Während Afrika nach wie vor von vielen globalen Entwicklungen abgekoppelt ist, sind solche Länder wie China oder Indien auf dem Vormarsch in Richtung „Spitzengruppe“. Einige Länder des „Südens“ haben den Sprung in die Gruppe der Länder mit einem hohen Entwicklungsniveau geschafft, z. B. Malaysia, Südkorea und Taiwan. Neben volkswirtschaftlichen Kennziffern müssen auch andere Faktoren unterschiedlicher Art bei der Einschätzung der Ungleichheiten in der globalisierten Welt herangezogen werden: Diese reichen vom Atomwaffenbesitz über Internetzugang bis zu den Wasserressourcen.

Auf und um den Weltmarkt finden unter den Bedingungen der Globalisierung harte ökonomische und politische Auseinandersetzungen statt. Globale Verflechtungen werden von Staaten, Unternehmen, Gruppen und Personen aufgebaut, gestaltet und können von diesen auch zerstört werden. Dabei sind globale Prozesse immer auch Gegenstand von Interessenkonflikten und Politik. Sie bringen stets Gewinner und Verlierer hervor. Es gibt keinen Automatismus in eine bestimmte Entwicklungsrichtung. Beispielsweise zeigt sich in den Lösungsversuchen der Bank- und Finanzkrise seit 2007 dieser Interessenkonflikt in der Frage nach der Regulierung und der demokratischen Kontrolle der globalen Finanzmärkte und ihrer Akteure.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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