Globalisierung und internationale Finanzkrisen gehören zusammen. In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre häuften sich schwere regionale und schließlich weltweite Finanzkrisen. Eine Reform des internationalen Finanzsystems wurde immer lauter gefordert. Die Kritiker sahen und sehen in der Herausbildung eines weltumspannenden Systems von deregulierten, liberalisierten Finanzmärkten mit deutlich spekulativem Charakter die Ursache für Instabilität und Krise. Befürworter eines neoliberalen Globalisierungsmodells suchen dagegen die Ursachen der Krise vorwiegend in der unzureichenden politischen Umsetzung von Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung in den betroffenen Ländern. Nach dieser Auffassung sind die Krisen in den einzelnen Staaten „hausgemacht“
Den Kern der Globalisierung bildet die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft, die tendenziell zu einer weltweiten Integration von Märkten führt. Der wichtigste ökonomische Antrieb liegt dabei im Bestreben von Unternehmen, ihren Gewinn durch international ausgerichtete Aktivitäten zu steigern. Diese Tendenz zur Internationalisierung der Wirtschaft zeigt sich sehr deutlich im Vergleich von Weltbruttosozialprodukt und Welthandel. Seit 1900 ist der Handel um das 38-fache angestiegen, das Weltbruttosozialprodukt ist um das 17-fache gewachsen. Diese Ausdehnung und Intensivierung des Welthandels bezieht sich auf Güter und Dienstleistungen, Finanz- und Realkapital sowie technisches Know-how. Durch den weltweiten Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und der Welthandelsorganisation (WTO) wurde dieser Prozess seit den 1980er-Jahren beschleunigt und vertieft.
Am weitesten fortgeschritten ist die Globalisierung der Finanzmärkte. Im Zentrum stehen dabei die Devisenmärkte.
„Devisenhandel wird außerbörslich rund um die Uhr in allen Erdteilen betrieben. Der Handel mit den Leitwährungen wie US-Dollar, Euro, Yen, Pfund Sterling zeichnet sich durch eine sehr große Anzahl an weltweit agierenden Marktteilnehmern, niedrige Transaktionskosten und Informationskosten sowie hohe Liquidität aus. Diese Devisenmärkte kommen damit sehr nahe an das Ideal eines effizienten Marktes heran. Die täglichen weltweiten Handelsumsätze betragen derzeit (1998) etwa 1 490 Mrd. US-Dollar, wenn man alle Währungen der Welt berücksichtigt. Der jährliche Umsatz mit Devisen ist damit etwa 15-mal größer als das pro Jahr weltweit erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt“
(Wie funktioniert das? Wirtschaft heute. 1999).
Wertpapiermärkte sind vor allem Märkte für Aktien, Kredite, Anleihen und Finanzderivate (Optionen, Futures, Swaps). Unternehmen können sich auf den internationalen Aktienmärkten mit Eigenkapital versorgen, Staaten und Unternehmen kurz- und langfristiges Fremdkapital aufnehmen. Versicherungen, Investmentfonds und Privatpersonen haben auf den Finanzmärkten die Möglichkeit, ihr Kapital entsprechend ihren Rendite-Risiko-Vorstellungen anzulegen.
Am 30. Januar 1995 stand das Weltfinanzsystem nahe am Rand des Zusammenbruchs. Die Agenturen meldeten, dass Mexiko wahrscheinlich die Zinsen auf seine Staatsanleihen nicht mehr bezahlen könne. Das Kapital floh aus den Aktienmärkten von Argentinien bis Polen. Die asiatischen Märkte blieben verschont, weil die Börsen wegen des chinesischen Neujahrsfestes geschlossen blieben.
Mitte 1997 rollte eine vergleichbare Panikwelle über die Finanzmärkte der Welt. Die Krise begann diesmal in Thailand und erfasste rasch die Philippinen, Südkorea, Indonesien, Russland und Brasilien. Die internationalen Investoren gerieten in einem Land nach dem anderen in Panik, ihr Kapital floss schneller ab, als es gekommen war. Im August 1998 machte eine tiefe Finanzkrise in Russland Hoffnungen auf ein Ende des weltweiten Krisenzyklus zunichte. Große Währungsspekulationen verschärften die Krise noch, indem gegen die Währungen der betroffenen Länder spekuliert wurde. Der Internationale Währungsfonds (IWF) beschleunigte den Exodus des Geldes weiter. Von Südkorea bis Brasilien stürzten Devisen- und Aktienkurse ab. Die Krise bedeutete Armut, Not und Leiden für die Mehrheit der betroffenen Menschen in diesen Ländern und wachsende Schäden für die Umwelt. Krisen dieser Art sind auch in den nächsten Jahren wahrscheinlich, ihre Auswirkungen ungewiss.
Am 21. Januar 2008 („Schwarzer Montag“) erreicht die im Juli 2007 ausgebrochene Krise am US-Hypothekenmarkt endgültig die Börsen der Welt. Angeheizt durch die heraufziehende Rezession in den USA kam es weltweit zu dramatischen Kurseinbrüchen. Der DAX verlor an diesem Tag 7,2 %. Wie schon in den Krisen der 1990er-Jahre spielten überbewertete Immobilien eine Hauptrolle. Auch in den 1990er-Jahren vergaben Banken weltweit Kredite, ohne deren Qualität genau zu prüfen. Dabei zeigte und zeigt sich heute die geringe Effizienz der deregulierten Finanzmärkte. Durch den radikalen Abbau der Kapitalverkehrskontrollen, besonders in den Schwellenländern, wurden die in spekulativer Absicht betriebenen Kapitalbewegungen begünstigt. Volkswirtschaften und die gesamte Weltwirtschaft werden so immer verwundbarer.
Ihren vorläufigen Höhepunkt hatte die Krise im Zusammenbruch der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers im September 2008. Die Finanzkrise veranlasste mehrere Staaten, große Finanzdienstleister durch staatliche Fremdkapital- und Eigenkapitalspritzen am Leben zu erhalten. Die ohnehin hohe Staatsverschuldung vieler Staaten stieg krisenbedingt stark an. Mehrere Länder der Eurozone konnten ihre Zahlungsfähigkeit nur durch internationale Hilfskredite aufrechterhalten (Staatsschuldenkrise in der Eurozone seit 2010).
Am 21. Januar 2008 fällt der Deutsche Aktien-Index (DAX) um 7,2 Prozent.(Quelle: www.taprofessional.de)
Die Ursachen der Finanzkrisen – die Kehrseite der Liberalisierung des Kapitalverkehrs – liegen in der Kombination mehrerer Faktoren:
Die Kombination dieser Faktoren ermöglicht es, enorme Summen auf elektronischem Wege in Sekunden von einem Land in ein anderes zu bewegen. Keine Regierung hat die Chance, diesen Vorgang zu kontrollieren. In der globalisierten Welt ist Geld von der Bindung an einen Ort befreit und auch von den Bindungen an die meisten Quellen der Wertschöpfung: Güter und Dienstleistungen. Geld ist selbst das Produkt, das mit Geld gekauft und verkauft wird.
Um bei diesen globalen Kapitaltransaktionen mitmachen zu können, sind enorme Summen erforderlich. Dabei nimmt die Zahl der Banken rasch ab, während die verbliebenen Banken immer größer werden und noch schwerer zu kontrollieren sind. Das Weltfinanzsystem ist so außerordentlich anfällig
geworden. Wenn es zu Störungen dieses empfindlichen Gleichgewichts kommt, was in einer eng verflochtenen, auf Freihandel basierenden Weltwirtschaft immer wahrscheinlicher wird, können leicht globale Auswirkungen eintreten:
Nach allen Erfahrungen gibt es kein Patentrezept gegen Finanzkrisen. Die Aufgabe von internationalen Institutionen und Staaten ist es aber, Instrumente und Regeln für die Finanzmärkte so zu verändern, dass deren Krisenanfälligkeit verringert wird. Ein Ordnungsrahmen für die internationalen Finanzmärkte muss wieder geschaffen werden. Das wird nicht mit einem „großen Ruck“, sondern in einem langfristigen Prozess geschehen. Institutionen und Regelwerke werden – entsprechend den wechselnden weltwirtschaftlichen Verhältnissen und Interessenlagen – angepasst oder auch nicht. Grundsätzlich lassen sich dabei zwei Strategien unterscheiden:
Zu den Institutionen (mit ihren Regelwerken) gehören:
Favorisiert werden von Regierungen und Notenbanken zur Vorbeugung von Krisen vor allem:
Die wichtigste Instanz des Krisenmanagements ist nach wie vor der Internationale Währungsfonds (IWF). Die Politik des IWF besonders in der Asien-Krise wurde aus folgenden Gründen heftig kritisiert:
In Abstimmung mit und Abgrenzung von den Aufgaben der Weltbank wird der IWF immer wieder neu darüber entscheiden, welche Mitgliedsländer auf öffentliche Zahlungsbilanz- und Entwicklungsfinanzierung angewiesen sind, und zu welchen Bedingungen diese gewährt werden (z. B. neue Kreditlinie des IWF für den Krisenfall). Das unterschiedliche weltwirtschaftliche Gewicht und die daraus erwachsenen differenzierten Interessenlagen der mehr als 175 Mitgliedsstaaten verändern ständig die Schwerpunkte seiner Arbeit. Im Kern wird es in den nächsten Jahren um folgende Frage gehen: Soll der IWF einen für alle Entwicklungs- und Schwellenländer verbindlichen Plan zur Liberalisierung der nationalen Finanzmärkte entwickeln oder sich auf Maßnahmen bei der Bewältigung von Finanzkrisen beschränken?
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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