Großstadtpolitik

Begriff Großstadt

Als Großstadt werden in Deutschland Städte definiert, in denen

  • über 100 000 Menschen leben.
     
  • (Zum Vergleich: In Kleinstädten wohnen zwischen 5 000 und 20 000 Einwohner,
     
  • in Mittelstädten zwischen 20 000 und 100 000.)

9 dieser Großstädte haben mehr als 200 000 Einwohner und beherbergen insgesamt knapp 25 % der deutschen Bevölkerung. Mit

  • Berlin (3,5 Mio. Einwohner),
  • Hamburg (1,8 Mio. Einwohner) und
  • München (1,4 Mio. Einwohner)
  • Köln (1 Mio. Einwohner)

gibt es in Deutschland vier Millionenstädte.

Leben in der Großstadt

Die Großstädte in Deutschland sind wichtige politische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Zentren. Durch das in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung können sie viele ihrer Angelegenheiten eigenständig und bürgernah ausführen. Neben der Erledigung reiner Verwaltungsaufgaben, deren Spektrum vom Bau städtischer Straßen bis zur Auszahlung der Sozialhilfe reicht, nehmen die Großstädte auch solche Aufgaben wahr, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge gezählt werden: Hierbei unterhalten sie die für ihre Bürger erforderlichen

  • wirtschaftlichen,
  • sozialen und
  • kulturellen Einrichtungen wie
    – Volkshochschulen,
    – Büchereien,
    – Museen,
    – Theater,
    – Krankenhäuser,
    – Naturparks,
    – Sparkassen oder
    – Nahverkehrsunternehmen.

Durch ihre vielseitige Infrastruktur wirken Großstädte nicht nur auf ihre eigenen Bürger, sondern auch auf die Bewohner kleinerer Umlandgemeinden attraktiv: Eine pulsierende und intakte Stadt als regionaler Anziehungspunkt lädt zum Verweilen, zum Einkaufen und zur sinnvollen Freizeitgestaltung ein.
Bei Kommunalwahlen, Bürgerbegehren oder Bürgerentscheiden bietet sich dem Bürger im Rahmen lokaler Demokratie die Möglichkeit, sich vor Ort politisch zu beteiligen und über seine eigenen Belange mitzuentscheiden. Seine aktive Partizipation am städtischen Geschehen ist wichtig, schließlich kann keine Großstadt ihre soziale Funktionsfähigkeit ohne das bürgerschaftliche Engagement ihrer Einwohner bewahren. Dies gilt nicht nur für die Gegenwart in Deutschland, wie nicht zuletzt ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Es waren bereits die Stadtstaaten des antiken Griechenland, in denen die Idee der Demokratie nicht nur entwickelt, sondern auch praktisch umgesetzt wurde. Noch heute weist der Begriff „Politik“ auf seinen Ursprung in der griechischen „Polis“ zurück. Die Stadt war also stets ein Ort der politischen Betätigung.
In den Großstädten finden vielfältige Prozesse des sozialen Austauschs und der kulturellen Begegnung statt. Obwohl oft als anonym kritisiert, gewähren Großstädte große Freiheiten für verschiedenartige, individuelle Lebensstile:

„Stadtkultur ist (…) weitgehend gleichbedeutend mit Offenheit“ (LINDNER, S. 258).

Trotzdem bleiben Spannungen nicht aus, sodass gerade die vielen Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung immer wieder auch Toleranz im alltäglichen Zusammenleben erfordern.
Großstädte sind überdies Mittelpunkt von Handel, Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen. Allerdings wirken sich hier einerseits der tiefgreifende Strukturwandel der letzten Jahrzehnte (Beispiel: Ruhrgebiet, viele Gebiete in Ostdeutschland) mit dem Übergang von der Industrie- zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft sowie andererseits die Globalisierung, von der auch die Wirtschaft deutscher Großstädte erfasst wird, besonders negativ aus: Der weltweite Wettbewerb zwischen den Wirtschaftszentren verschärft sich, Unternehmen wandern ab und die Arbeitslosigkeit steigt. Andererseits sind einige Großstädte am Aufbau eines internationalen Netzes von Städten beteiligt, in denen sich Leitungszentralen der Wirtschaft, moderne Dienstleistungsbranchen und kulturelle Einrichtungen konzentrieren (Global Cities). Hier entsteht eine internationale Stadtgesellschaft.

Probleme der Großstadt

Sowohl der erwähnte großstädtische Entscheidungsspielraum als auch die urbane Anziehungskraft werden durch die Finanznot vieler Großstädte zunehmend beschränkt. Da die meisten Großstädte verschuldet sind und große Haushaltsdefizite aufweisen, müssen sie teils drastische Einsparungen vornehmen. Über die Erledigung der alltäglichen Pflichtaufgaben, bei denen vor allem die Ausgaben für Sozialleistungen aufgrund der hohen Arbeitslosenquote die städtischen Finanzen belasten, hinaus bleibt daher oft kein Geld mehr übrig für eine angemessene Förderung von Kultur, Jugend oder Sport. Als Folge dieser Entwicklung wird seit langem eine Diskussion darüber geführt, welche Leistungen der Daseinsvorsorge künftig von den Großstädten selbst und welche von privatwirtschaftlichen Dienstleistern angeboten werden sollten. Wegen der leeren Stadtkassen schwindet auch die Investitionskraft der Großstädte zunehmend, was sehr problematische Konsequenzen haben kann.
Denn neben der Finanznot müssen die Großstädte auf unterschiedliche Herausforderungen reagieren:

Schrumpfung: Durch den bereits voranschreitenden demographischen Wandel in Deutschland verlieren auch die Großstädte Einwohner – beispielsweise soll sich bis zum Jahr 2025 die Bevölkerung der ostdeutschen Städte um schätzungsweise fast 25 % verringern –, was die urbanen Strukturen völlig verändern wird. Es droht eine „Abwärtsspirale“ (HANNEMANN) aus:

  • wirtschaftlicher Schwäche;
  • fehlenden Arbeits- und Ausbildungsplätzen;
  • Wegzügen von Jüngeren, Qualifizierten und Einkommensstärkeren;
  • dauerhaftem Leerstand von Wohnungen und Infrastruktur (Schulen, Kitas etc.);
  • zunehmender Armut;
  • Überalterung;
  • sinkender Kaufkraft;
  • sinkenden Steuereinnahmen;
  • steigenden Ausgaben für Sozialhilfe;
  • schlechtem Image und
  • mangelnder Investitionsbereitschaft.

All diese Faktoren verstärken dann wiederum die bereits vorhandenen Strukturdefizite.

  • Suburbanisierung: Die Idee der „europäischen Stadt“, nach der sich die urbanen Funktionen des Wohnens, Arbeitens und Erholens auf engem Raum vermischen, gerät ins Wanken: An ihren Rändern ufern die Großstädte immer weiter aus, auf der „grünen Wiese“ entstehen neue Wohn- und Gewerbegebiete oder Einkaufszentren (Suburbanisierung).
     
  • Polarisierung der Stadtviertel: In fast allen Großstädten finden sich sowohl sehr reiche Quartiere als auch sehr arme Viertel, in der sich vielfältige soziale Problemlagen (Armut, Kriminalität, hohe Anzahl von Zuwanderern etc.) ballen. In solchen Vierteln fehlt eine ausgewogene und stabilisierend wirkende Bevölkerungsmischung, statt dessen konzentrieren sich dort Haushalte mit bestimmten sozialen Merkmalen (Segregation). Konsequenz ist die Marginalisierung und Benachteiligung bestimmter Quartiere:

    „Deren Bewohner sind (…) derart stigmatisiert, dass allein schon ihr Wohnort einen ausreichenden Grund für ihre Diskriminierung darstellt. Allein der Name des Stadtteils bewirkt dann eine berufliche oder soziale Ablehnung“ (OTTERSBACH, S. 36).

Um diesen Problemen zu begegnen, sind die beiden Bund-Länder-Programme

  • „Soziale Stadt“ (2000), das sich um benachteiligte Stadtteile bemüht, und
     
  • „Stadtumbau Ost“ (2002), bei dem 262 Kommunen integrierte Stadtentwicklungskonzepte zur Gestaltung der Schrumpfungsprozesse erarbeitet haben,

initiiert worden.

Perspektiven der Großstadt

Gelingt es den Großstädten, ihr soziales Gleichgewicht, das vielerorts angesichts der genannten Probleme gefährdet ist, zu bewahren und ihre Finanzkrise in den Griff zu bekommen, werden sie auch weiterhin als „Laboratorium der Zukunft“ (SAUBERZWEIG) agieren können. Die kommunale Selbstverwaltung räumt dem einzelnen Bürger hierbei große Eigenverantwortung und Mitbestimmungsmöglichkeiten ein.
Trotz der voranschreitenden Globalisierung eröffnen Großstädte ihren Bewohnern die Chance, im unmittelbaren urbanen Umfeld Nähe und überschaubare Bezugspunkte zu finden. Auf diese Weise kann sich der Bürger mit seiner Stadt identifizieren. Allerdings ist sein bürgerschaftliches Engagement für die Stadtgesellschaft in Zukunft mehr denn je notwendig.

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