Generationenkonflikt

Demografischer Wandel: unausgewogenes Generationenverhältnis

Die Tendenz zum unausgewogenen Generationenverhältnis wird sich in den nächsten Jahren vermutlich noch weiter fortsetzen. Bevölkerungswissenschaftler gehen in ihren Prognosen davon aus, dass im Jahr 2050 der Anteil der bis 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung (ca. 20 %) in etwa dem Anteil der über 80-Jährigen entspricht.

Das zahlenmäßig unausgeglichene Verhältnis zwischen Jung und Alt birgt die Gefahr eines grundsätzlichen Generationenkonflikts

  • bei der Verteilung von Ressourcen: Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt (Knappheit der Arbeitsplätze); zukünftig ökonomische Belastung der kommenden Generationen durch hohe Staatsverschuldung; langfristig ökologische Belastung durch Umweltzerstörung und Raubbau an Rohstoffvorkommen;
     
  • bei der Verteilung von gesellschaftlichem Einfluss: Besetzung von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungspositionen, innovative Kräfte contra Beharrung, Problem der „Besitzstandswahrung“.

Ein wichtiger Aspekt in der Debatte um Generationengerechtigkeit sind die sozialen Ungleichheiten zwischen der älteren Generation und jungen Familien. Während die Altersarmut in der Bundesrepublik weitgehend an Bedeutung verloren hat, ist in der jüngeren Generation ein Leben mit Kindern mit einem erhöhten Armutsrisiko verbunden (hohe Armutsquote bei Kindern und Jugendlichen, kinderreichen Familien und alleinerziehenden Frauen).

Ein erhebliches Konfliktpotenzial ergibt sich auch aus der Krise auf dem Arbeitsmarkt, von der die junge Generation besonders stark betroffen ist (Arbeitsplatzunsicherheit bzw. Bedrohung durch Arbeitslosigkeit, mehr ungesicherte Arbeitsverhältnisse, Stagnation der Einkommen). Die gestiegenen Risiken im Arbeitsleben verstärken sich durch den gegenwärtigen Umbau des Sozialstaats, der für die junge Generation mit weniger sozialer Sicherheit und hohen Anforderungen in Bezug auf Mobilität, Flexibilität und Eigenverantwortung verbunden ist.

Wissenschaftler prognostizieren aufgrund des demografischen Wandels problematische gesellschaftliche Folgen, vor allem den Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme, deren Stabilität auf einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Generationen beruht. Bereits heute werden die sozialen Sicherungssysteme mit Milliardenbeträgen durch den Staat subventioniert, was zu höheren Steuern oder wachsender Staatsverschuldung führt.
Die veränderte Bevölkerungsstruktur zwingt zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Problemen, die aus dieser Entwicklung entstehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage der Altersversorgung vor allem unter den Gesichtspunkten

  • der Funktionsfähigkeit des Rentensystems (auf der Basis des Generationenvertrages) und
     
  • der Betreuung und Pflege der großen Zahl alter Menschen (durch steigende Lebenserwartung auch längere Rentenzeit nach der Erwerbsarbeit, Problem der Alterseinsamkeit und Isolation).

Der Generationenvertrag

In der Bundesrepublik Deutschland beruht das Rentensystem auf dem Prinzip des so genannten Generationenvertrags. Die erwerbstätige Generation sorgt für Erziehung und Unterhalt von Kindern und finanziert durch Pflichtbeiträge/Abgaben die laufenden Renten der älteren Generation, die bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist. Die Gruppe der Erwerbstätigen beteiligt sich auch solidarisch an den höheren medizinischen Kosten der älteren Generation.
Die Arbeitnehmer erwerben als Beitragszahler Ansprüche auf Altersrente, die wiederum durch die Beiträge der nachfolgenden Generation finanziert werden müssen. Die Rentenansprüche einer Generation sind also nicht durch einen aus ihren Beiträgen aufgebauten Kapitalstock gesichert, sondern durch die Arbeitsleistung der nachfolgenden Generation.

Dieses umlagefinanzierte System ist davon abhängig,

  • dass das Zahlenverhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern in etwa stabil bleibt, also die erwerbstätige Generation eine annähernd gleich große Zahl von Kindern (Zwei-Kinder-Kernfamilie) als künftige Beitragszahler aufzieht und
     
  • dass genügend Erwerbstätige ausreichend Rentenbeiträge einzahlen bzw. der Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze bereitstellt.

Aufgrund der notwendigen Balance zwischen Beitragszahlern und -empfängern reagiert das umlagefinanzierte System empfindlich auf demografische Veränderungen, wie sie in der Bundesrepublik schon länger Realität sind. Wachsende Arbeitslosigkeit führt zu sinkenden Einzahlungen in die Rentenkassen. Durch den Bevölkerungsrückgang werden weniger Beitragszahler vorhanden sein, durch die steigende Lebenserwartung werden kommende Rentengenerationen länger Rente beziehen. Insgesamt wird sich der Trend also weiter fortsetzen, dass weniger Menschen (Beitragszahler) für mehr Menschen (Leistungsempfänger) aufkommen müssen.

Rechte der kommenden Generationen

Im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung und dem erwarteten unausgewogenen Verhältnis zwischen alten und jungen Menschen wird auch die Frage diskutiert, wie die Interessen der jungen Generation im politischen Prozess angemessen vertreten sein können bzw. wie Generationengerechtigkeit gewährleistet werden kann.

Der Abbau des zurzeit noch wachsenden Schuldenbergs wird das Problem der zukünftigen Generation sein. Auch der hohe Verbrauch der natürlichen Umweltressourcen hat vor allem Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen. Kurzfristige Perspektiven (z. B. die Sicherung der Rentenhöhe durch steigende Staatszuschüsse) geraten mit längerfristigen Perspektiven in Konflikt (z. B. Abbau der Staatsschulden zur Bewahrung von politischen Handlungsspielräumen). Das macht eine Politik der Nachhaltigkeit zwingend notwendig. Sie zielt auf eine menschengerechte und umweltfreundliche Produktions- und Lebensweise, die eine zukunftsverträgliche Entwicklung ermöglicht und die natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen erhält.

Kinder- und Familienrechte

Mit dem Hinweis auf die gravierenden Auswirkungen heutiger Politik auf kommende Generationen wird seit einigen Jahren – unter anderem auch von Politikern – die Forderung nach einem Kinder- oder Familienrecht vertreten. Grundsätzlich können Staatsbürger in Deutschland ihr

  • aktives Wahlrecht (das Recht zu wählen) und
  • passives Wahlrecht (das Recht, gewählt zu werden)

mit 18 Jahren wahrnehmen. Auf kommunaler Ebene haben einige Bundesländer in den vergangenen Jahren das Alter des aktiven Wahlrechts bereits auf 16 Jahre gesenkt. Die Unterstützer des Kinder- und Familienwahlrechts versprechen sich z. B. von der Änderung des Wahlrechts eine stärker auf nachhaltige Entwicklung abzielende Politik.
Das Kinder- und Familienwahlrecht wird mit verschiedenen Ansätzen vertreten und diskutiert:

  1. als direktes Kinderwahlrecht, wonach die Kinder das Wahlrecht erhalten, sobald sie wählen wollen. Entscheidend ist, dass sich der Wähler in ein Wahlverzeichnis eintragen muss. Ob er das als 10-Jähriger tut oder als 30-Jähriger, spielt dabei keine Rolle;
     
  2. als Familienwahlrecht, was dadurch realisiert weden soll, dass die Eltern für jedes ihrer Kinder eine zusätzliche Stimme erhalten;
     
  3. als Wahlrecht des Kindes, das bis zur Volljährigkeit stellvertretend von den Eltern ausgeübt wird. Die Eltern sollen dabei nach den politischen Sympathien der Kinder abstimmen (was in der Praxis wohl nur schwer zu garantieren wäre).

Die juristische und politische Bewertung der verschiedenen Vorschläge wird sehr kontrovers diskutiert; eine Realisierung des Kinder- und Familienwahlrechts ist derzeit nicht absehbar.

Jugendbeteiligung und Jugendparlamente

In den vergangenen Jahren haben sich neue Jugendorganisationen verstärkt für mehr Mitsprache der jungen Generation in politischen Prozessen eingesetzt. International haben die Vereinten Nationen auf diese Forderung reagiert und erkennen Jugendliche seit 1992 als Major Group an. Das bedeutet, dass junge Menschen auf internationalen Konferenzen vertreten sein sollen. Realisiert wurde das z. B.

  • auf dem Weltklimagipfel in Bonn (Juli 2001),
     
  • auf dem Gipfel zum Thema Biodiversität in Den Haag (April 2002) und
     
  • auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (August/September 2002).

Der Bereich Jugendpolitik, in dem sich die junge Generation besonders engagiert, ist in den vergangenen Jahren um das gesamte Feld der nachhaltigen Entwicklung gewachsen. Dies ist nicht zuletzt deshalb geschehen, weil gerade in diesem Bereich eine langfristige Politik betrieben wird, deren Auswirkungen besonders die heute junge Generation betreffen werden. Das Motto „It's us you're negotiating!“ des Komitees zur Vorbereitung des „Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung“ in Johannesburg 2002 – des so genannten Johannesburggipfels – unterstreicht diesen Ansatz.
Auf verschiedenen politischen Ebenen (bis hin zur europäischen Ebene) wurden Jugendparlamente eingerichtet, in denen junge Menschen parlamentarisches Arbeiten erlernen und praktizieren können. Kritiker sehen jedoch in den Jugendparlamenten vor allem eine symbolische Inszenierung von Politik ohne reale politische Einflussmöglichkeit. Um die Ansichten und Forderungen junger Menschen ernsthaft in den politischen Prozess aufzunehmen, müsste sich ihre Beteiligung und die Berücksichtigung ihrer Perspektive nicht nur auf den engen Bereich der Jugendpolitik beschränken, sondern sich auf alle Politikbereiche ausdehnen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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