Die globale Ernährungssituation hat sich in den letzten Jahren wenig verändert. Die Lage ist insbesondere in den Entwicklungsländern weiterhin angespannt, regional allerdings sehr unterschiedlich.
Nach Einschätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
(FAO) hungern rund 926 Millionen Menschen weltweit. Das sind rund 16 Prozent der Weltbevölkerung. Noch immer herrscht in 29 Ländern der Erde große Nahrungsmittelknappheit. 2,2 Millionen Kinder sterben jährlich durch Mangel- und Unterernährung – das sind über 6000 Kinder täglich.
Damit rückt die auf dem Welternährungsgipfel 1996 in Rom eingegangene Verpflichtung der Staaten, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren, in weite Ferne. Obwohl weltweit genügend Nahrungsmittel produziert werden, haben viele Menschen keinen gesicherten Zugang zu einem ausreichenden, qualitativ ausgewogenen Angebot an Nahrungsmitteln.
Die Ernährungssituation stellt sich sehr vielschichtig dar. Nach Angaben der FAO konnte
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahm zwar die globale Nahrungsmittelerzeugung zu, doch aufgrund höheren Wachstums der Bevölkerung ging die Pro-Kopf-Produktion von Agrargütern insgesamt sowie die von Nahrungsmitteln leicht zurück. Die Nahrungsmittelbestände auf der Erde (Ernte und Vorräte) würden dennoch genügen, um alle Menschen auf der Erde ausreichend zu ernähren.
Hinsichtlich der Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln vollzieht sich weltweit eine widersprüchliche Entwicklung. Während in vielen Entwicklungsländern Hunger und Unterernährung herrscht, werden in der EU und in den USA Programme umgesetzt, um Anbau zu reduzieren und hohe Agrarüberschüsse zu vermeiden. Über die großen Ungleichgewichte in der Nahrungsmittelversorgung zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern hinaus gibt es aber auch innerhalb der Gesellschaften erhebliche Unterschiede, die bis in die einzelnen Haushalte hinein reichen.
Die FAO definiert Ernährungssicherheit als „eine Situation, die eintritt, wenn alle Menschen jederzeit physischen, sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichenden, sicheren und nährstoffreichen Nahrungsmitteln haben, die ihren Nährstoffbedarf decken und ein aktives und gesundes Leben ermöglichen“. Die Menschen müssen in der Lage sein, für sich selbst und für ihre Familie ausreichend Nahrung zu beschaffen. Hunger leiden sie dann, wenn sie nicht in der Lage sind, ihre Nahrung selbst zu produzieren oder nicht über die entsprechenden Mittel verfügen, sie auf dem Markt käuflich zu erwerben.
Jeder Mensch muss, um gesund und arbeitsfähig zu bleiben, mit seiner Nahrung eine bestimmte Mindestmenge an Kalorien aufnehmen. Diese Mindestmenge kann je nach Alter, Geschlecht, Körpergröße und -gewicht, Arbeitsleistung und Klima unterschiedlich sein. Die FAO geht von einem Minimum von 1 900 Kilokalorien (kcal), die Weltbank von 2 200 kcal pro Tag aus. In den ärmsten Ländern haben Hungernde ein tägliches Defizit von 450 kcal.
Um die Ernährungssituation in einem Land zu kennzeichnen, genügt es nicht, lediglich die Angaben über die Zahl der Unterernährten oder die verfügbaren Nahrungskalorien zu erfassen. Um ein aussagefähiges Gesamtbild zu erhalten, hat das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) einen Ernährungsindex (EI) entwickelt, der drei verschiedene Messgrößen berücksichtigt:
Auf einer Skala von 0 bis 100 wird die Ernährungssituation eingeschätzt. Ein EI von 100 bedeutet im Idealfall, dass es keine Unterernährten, keine untergewichtigen Kinder und keine Kindersterblichkeit gibt. Auf einer Datenbasis von 1997 wurde bisher der EI für rund 80 Entwicklungsländer ermittelt.
Die Ernährungsprobleme sind sehr vielschichtig und unterscheiden sich von Land zu Land. Neben Armut und Bevölkerungsentwicklung gelten als wichtige Ursachen von Ernährungsproblemen:
Unterernährung ist in erster Linie eine Frage, inwieweit der Bevölkerung der Zugang zu Nahrungsmitteln ermöglicht wird. Diese Zugangsrechte sind abhängig von:
Der Globalisierungsprozess wirkt sich auf die Gesamtheit der Faktoren aus, die die menschliche Ernährung betreffen. Davon betroffen sind die Ressourcen, die zur Sicherung der Ernährung eingesetzt werden, ihre Verfügbarkeit, die Möglichkeiten sowie die Intensität ihrer Nutzung. Im Zentrum stehen die landwirtschaftliche Produktion, der Vertrieb und die Verteilung der Nahrungsmittel sowie die ländliche Entwicklung.
Die Masse der unterernährten Menschen besitzt weder Land, um Nahrungsmittel anzubauen, noch die Kaufkraft, um diese zu erwerben. Das Problem des Hungers hängt damit unmittelbar mit den Besitzverhältnissen sowie der hohen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in den Entwicklungsländern zusammen. Unterernährung und Hunger werden darüber hinaus durch die weltwirtschaftlichen Abhängigkeitsstrukturen beeinflusst, z. B. durch:
Der internationale Handel mit verschiedenen Agrarprodukten wird von wenigen transnationalen Unternehmen beherrscht.
Der Zugang zu produktiven Ressourcen ist weltweit sowie innerhalb der Entwicklungsländer ungleich verteilt. Das betrifft
Da insbesondere in den Entwicklungsländern mit hoher Armut den Menschen nur die eigene Arbeitskraft als Ressource zur Verfügung steht, hat die menschliche Arbeit große Bedeutung bei der Bewältigung des Ernährungsproblems.
In den Entwicklungsländern leben über 70 % der Bevölkerung in ländlichen Gebieten und von der Landwirtschaft. Die landwirtschaftliche Produktion ist jedoch durch große Produktivitätsunterschiede gekennzeichnet, die auf unterschiedliche Betriebgrößen und deren technische Möglichkeiten zurückzuführen sind. In Afrika und Asien spielen kleinbäuerliche Familienbetriebe eine entscheidende Rolle bei der Nahrungsmittelproduktion. Sie liefern nahezu 85 % der landwirtschaftlichen Produkte. Viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern können jedoch die eigene Familie nur notdürftig ernähren. Sie sind kaum in der Lage, Überschüsse zu erwirtschaften und besitzen daher nicht die Mittel, Investitionen zur Steigerung der Produktion zu tätigen, z. B. durch Erwerb von Geräten, Kunstdüngern und Pflanzenschutzmitteln. Am stärksten davon betroffen sind die Frauen. Sie stellen beispielsweise in Afrika zwischen 70 und 90 % der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Afrikanische Frauen produzieren über 90 % der Grundnahrungsmittel und über 30 % der Marktfrüchte. Ihre wirtschaftlichen Potenziale sind jedoch durch verschiedene rechtliche, agrarpolitische und soziokulturelle Hindernisse eingeschränkt. Sie haben große Probleme, Land zu erwerben, werden beim Erbrecht sowie durch traditionelle Vorstellungen vom kleinbäuerlichen Familienbetrieb unter männlicher Leitung benachteiligt.
In Lateinamerika ist vor allem großflächiger Landbesitz vorherrschend, der markt- bzw. weltmarktorientiert ausgerichtet ist und teilweise auch staatlich gefördert wird. Dabei konkurriert der Anbau von Exportkulturen in vielen Regionen mit dem von Kleinbauern betriebenen Anbau von Grundnahrungsmitteln. Staatliche Preispolitik, die politisch brisante Preise für Grundnahrungsmittel für die städtischen Verbraucher niedrig hält, Probleme bei der Kreditvergabe sowie fehlender Landbesitz oder nicht gesicherte Besitz- und Nutzungsrechte vermitteln den Kleinbauern kaum Anreize, über ihren Eigenbedarf hinaus zu produzieren.
Dringend erforderliche Agrar- und Landreformen, die die Voraussetzung für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt bilden, werden allerdings von den wirtschaftlich mächtigen Gesellschaftsschichten abgelehnt. Auch die Umsetzung des von der Weltbank propagierten Modells einer marktorientierten Agrarreform ist mit einer Vielzahl von Problemen behaftet. Dieses Programm zur Armutsbekämpfung sieht vor, dass Bauern Kredite erhalten, um Land von Landbesitzern zu erwerben. Damit eröffnen sich für sie einerseits Chancen, andererseits entstehen aber auch Gefahren. Da die wachsende Nachfrage häufig das Angebot übersteigt, erhöhen sich die Bodenpreise. Viele Kleinbauern sind nicht in der Lage, die fälligen Zinsen und Tilgungen zu bezahlen.
In Entwicklungsländern decken rund 60 % der Menschen fast die Hälfte ihres Verbrauchs an tierischem Eiweiß durch Fisch und Meeresfrüchte. 300 bis 500 Mio. Menschen sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz direkt oder indirekt von der Fischereiwirtschaft abhängig. Durch zunehmende Überfischung der Gewässer sind Verfügbarkeit und Zugang zu dieser wichtigen Proteinquelle eingeschränkt. Bis 1950 war die Überfischung auf Fanggründe im Nordatlantik, Nordpazifik und im Mittelmeer begrenzt. In den letzten Jahrzehnten ist sie zu einem globalen Problem geworden. Der Gesamtfischbestand der Welt hat sich in den letzten 20 Jahren nahezu halbiert. Die Vereinbarung von Fangbeschränkungen für die stark bedrohten Fischarten Kabeljau und Seehecht in den EU-Fanggebieten vom Dezember 2003 in Brüssel ist ein bescheidener Schritt zur nachhaltigen Ressourcennutzung.
Die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion hängt im Besonderen mit der verfügbaren Technologie und der Förderung der menschlichen Ressourcen zusammen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Agrarforschung sowie deren Ausrichtung auf die Armutsbekämpfung und die ökologisch vertretbare Entwicklung der Landwirtschaft.
Dieser Herausforderung stellen sich 16 internationale Agrarforschungszentren, die von der Consultative Group on International Agricultural Research (CGIAR) gefördert werden. Zu der 1971 gegründeten CGIAR gehören internationale Geber wie die Weltbank und nationale Regierungen, darunter auch die deutsche Bundesregierung. Die Forschungsarbeit, die die CGIAR in enger Verbindung mit nationalen Agrarforschungsinstituten und Nichtregierungsorganisationen (NGO) in den Entwicklungsländern durchführt, beziehen sich insbesondere auf
Die internationale Agrarforschung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich seit den 1960er-Jahren die Nahrungsmittelproduktion verdoppelt und die Fleischproduktion verdreifacht hat.
Wachsende Bedeutung für die Welternährungslage hat die praktische Umsetzung der neuen Erkenntnisse der Biotechnologien und insbesondere die Gentechnik. Allerdings werden Einsatz und Umgang mit diesem Potenzial sehr kontrovers diskutiert. Befürworter der praktischen Anwendung der Gentechnik heben die ökonomischen Vorteile des Einsatzes krankheits- und schädlingsresistenten Saatgutes sowohl für landwirtschaftliche Großbetriebe als auch für die Familienbetriebe hervor. Kritiker von humanitären Organisationen befürchten neben gesundheitlichen und ökologischen Risiken neue Abhängigkeiten von international agierenden Konzernen der Saatgutproduktion und der Biotechnologie sowie eine Verdrängung traditioneller und biologischer Landwirtschaft. Die damit verbundene weitere Forcierung der industriellen Landwirtschaft birgt die Gefahr in sich, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Industrie- und Entwicklungsländern weiter öffnet.
Zunehmende Bedeutung gewinnen darüber hinaus
„Nachhaltige Landwirtschaft“ zielt darauf, den Bedürfnissen der Bevölkerung ebenso wie den natürlichen ökologischen Bedingungen der jeweiligen Region gerecht zu werden. Dabei geht es sowohl
Zu den wichtigsten institutionellen Regelungen der Ernährungssicherung gehört das im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen vom 19.12.1966 festgeschriebene Menschenrecht auf angemessene Ernährung.
Die Probleme von Hunger und Unterernährung wurden auf verschiedenen internationalen Konferenzen und in zahlreichen Initiativen erörtert. Dazu gehörten beispielsweise:
Der Welternährungsgipfel von 1996 in Rom sprach sich dafür aus, das Recht auf Nahrung durch entsprechende Verpflichtungen umzusetzen. Das von den Teilnehmerstaaten verabschiedete Aktionsprogramm umfasst sieben Punkte und zielt darauf, die Anzahl der chronisch Hungernden weltweit auf die Hälfte zu reduzieren. Orientiert wird auf die aktive Bekämpfung von Armut und Hunger, auf die Sicherung des Nahrungszugangs in ausreichender Menge und Qualität für alle Menschen sowie auf die Umsetzung einer nachhaltigen Ernährungs-, Landwirtschafts- und ländlichen Entwicklungspolitik, die ebenfalls einschließt, Nahrungsmittel für Nothilfe bei Naturkatastrophen und Konflikten bereitzustellen.
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