- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 5 Internationale Politik und Friedenssicherung
- 5.2 Europäische Union
- 5.2.1 Erweiterung und Vertiefung als Wege der Integration
- Entwicklungsphasen der Europäischen Gemeinschaft
Die Entwicklung der europäischen Integration vollzieht sich in verschiedenen Stufen und Phasen als Prozess der Erweiterung und Vertiefung.
Erweiterung | Einbeziehung weiterer Länder in die Europäische Union
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Vertiefung | Gestaltung institutioneller Reformen in Bezug auf
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Die gegenwärtige Herausforderung besteht darin, beide Teilprozesse möglichst reibungslos miteinander zu verzahnen. Einerseits müssen die neuen Mitgliedstaaten ihre Rolle im Rahmen der Europäischen Union finden, um erfolgreich an den Entscheidungsprozessen mitzuwirken. Andererseits müssen die notwendigen Schritte zur tiefgreifenden Reform vorangetrieben werden. Dabei sind die unterschiedlichen politischen und ökonomischen Voraussetzungen der Länder ebenso zu berücksichtigen wie die zahlreichen, zum Teil stark auseinandergehenden Interessen und auch die kulturelle und religiöse Vielfalt.
Der europäische Einigungsgedanke, der mit der Gründung und Entwicklung der EU verwirklicht wird, reicht bis in das 17. Jh. zurück. Doch erst nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs wurde die Idee mit der Schaffung der ersten europäischen Institution, dem Europarat, praktisch umgesetzt.
Die Aussöhnung zwischen den „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich, die im Januar 1963 mit der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags besiegelt wurde, stellt einen wichtigen Eckpunkt des europäischen Integrationsprozesses dar.
Die Westeuropäer einte das Bestreben, mit der Einführung eines gemeinsamen Marktes
Mit der Schaffung eines neuen Europas sollte ein ungehinderter Personen-, Waren- und Kapitalverkehr ermöglicht werden.
Nach dem Niedergang der europäischen Vormachtstellung in der Welt im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges und der entstandenen Orientierungslosigkeit erhofften sich die Nationen von einem integrierten Europa vor allem
Zum europäischen Einigungsgedanken bekannte sich der britische Premierminister WINSTON CHURCHILL (1874–1965) mit dem Vorschlag zur Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ in seiner berühmt gewordenen Rede vom 19. September 1946 in Zürich. Allerdings sollte Großbritannien daran nicht teilnehmen:
„Wir müssen so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa schaffen. … Die Struktur …, wenn sie gut und echt errichtet wird, muss so sein, dass die materielle Stärke eines einzelnen Staates von weniger großer Bedeutung ist. Kleine Nationen zählen ebensoviel wie große und erwerben sich ihre Ehre durch ihren Beitrag zu der gemeinsamen Sache. … Der erste Schritt ist die Bildung eines Europarats. Wenn zu Anfang auch nicht alle Staaten Europas willens oder in der Lage sind, der Union beizutreten, müssen wir uns dennoch ans Werk machen, diejenigen Staaten, die es wollen und können, zusammenzufassen und zu vereinen.“
Der Prozess der Erweiterung und Vertiefung der EU vollzog sich in vier Phasen:
Am 18. April 1951 gründeten
die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die auch als „Montanunion“ bekannt ist. Damit wurde ein gemeinsamer Markt für die Schlüsselindustrien Bergbau und Schwerindustrie geschaffen. Die Kohle- und Stahlproduktion wurde der jeweiligen nationalen Entscheidungskompetenz entzogen und an eine europäische Behörde übertragen.
Die EGKS ist die erste europäische Gemeinschaft mit eigenen Kompetenzen. Sie wurde 2002 beendet.
Ihr Hauptziel war die schrittweise Beseitigung von Handelshemmnissen zwischen den Nationen. Außerdem sollte eine über den einen Sektor der Integration hinausgehende europäische Föderation angestrebt werden.
Die Erklärung des französischen Außenministers ROBERT SCHUMANN am 9. Mai 1950 gilt als Gründungsdokument der europäischen Gemeinschaft:
„Die Zusammenlegung der Kohlen- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern – die erste Etappe der europäischen Föderation – und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren. … Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft, die allen Ländern offen steht, … mit dem Zweck, allen Ländern, die sie umfaßt, die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen.“
Die Staats- und Regierungschefs beschlossen deshalb auf einem Gipfeltreffen 1985, diesen Tag als „Europatag“ zu begehen.
Im März 1957 wurden in Rom die Gründungsverträge zur Europäischen Atomgemeinschaft (EAG bzw. EURATOM) und zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) unterzeichnet. Sie sind auch als „Römische Verträge“ bekannt. Während die EURATOM auf einen Sektor begrenzt wurde – sie befasst sich vor allem mit der friedlichen Nutzung von Kernenergie – wurde die wirtschaftliche Verflechtung der Mitgliedstaaten durch die EWG auf eine Wirtschaftsgemeinschaft ausgeweitet, die sämtliche Wirtschaftsbereiche umfasst.
Der EWG-Vertrag sah die Schaffung eines gemeinsamen Marktes innerhalb von zwölf Jahren vor, darin eingeschlossen die Schaffung einer Zollunion und die Beseitigung der Hindernisse, die den freien Personen-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehr beeinträchtigten (Vorrang der „vier Freiheiten“). Die Mitgliedstaaten traten also in mehreren Politikbereichen Entscheidungskompetenzen an die europäischen Organe ab.
Alle Gemeinschaften bildeten eigene Organe, die 1967 fusionierten. Das Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof sind von Anfang an für alle Gemeinschaften zuständig.
Mit den Römischen Verträgen wurde die wirtschaftliche Integration als Grundstein für das langfristige Ziel einer politischen Einigung gelegt.
1958 stockte der Integrationsprozess. Die Vorstellungen der Mitgliedstaaten über die Kompetenzen, die an die europäische Gemeinschaft übertragen werden sollten, gingen auseinander. Als problematisch erwies sich zudem der Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit. Hierzu wurde erst 1966 ein Kompromiss gefunden. Er bestand darin, dass bei den für eine Nation essenziellen Fragen im Ministerrat solange diskutiert werden muss, bis Einstimmigkeit erreicht ist.
Der französische Präsident CHARLES DE GAULLE wehrte sich 1958 gegen eine weitere Einschränkung der Hoheitsrechte Frankreichs. Er widersetzte sich auch einer Aufnahme Großbritanniens in die Gemeinschaft und lehnte 1965 die vorgesehenen Entscheidungsprinzipien ab. Frankreich war nicht zu einer Stärkung der Gemeinschaftsorgane zuungunsten der eigenen Souveränitätsrechte bereit.
Die Zeit zwischen 1962 und 1969 war die erste große Krisenphase im europäischen Einigungsprozess. Es wurde deutlich, dass ein Fortgang der Integration zunächst nur auf wirtschaftlicher Ebene erfolgen konnte. Die Vollendung der Zollunion bildete dabei eine wichtige Etappe.
Die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) ermöglichte eine Koordinierung außenpolitischen Handelns. Sie wurde auf weitere Politikfelder ausgeweitet.
Die 1970 gegründete Europäische Politische Zusammenarbeit setzte auf Konsultation, wobei die Mitgliedstaaten die Koordination ihres außenpolitischen Handelns zunächst auf freiwilliger Basis vereinbarten. Durch die in der EPZ erfolgenden Absprachen der Staaten glichen sich ihre außenpolitischen Standpunkte an. Die EPZ wurde später auf andere Politikfelder ausgeweitet.
Die erste Norderweiterung der Europäischen Gemeinschaft erfolgte 1973 (Beitritt Großbritanniens, Irlands und Dänemarks). Ihr folgte die Süderweiterung 1981 mit Griechenland, 1986 mit Spanien und Portugal. Die zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen zeigten, dass die unterschiedlichen Währungen den freien Kapitalverkehr einschränkten. Die Währungspolitik wurde zu einer neuen Herausforderung.
Auf Initiative des deutschen Bundeskanzlers HELMUT SCHMIDT und des französischen Staatspräsidenten VALÉRY GISCARD D'ESTAING trat 1979 das Europäische Währungssystem (EWS) in Kraft.
Beide Politiker schufen auch den Europäischen Rat, dem die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer angehören.
Institutionen wurden weiter ausgebaut und demokratisch legitimiert. 1979 fand die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments statt.
Trotz des Integrationserfolgs durch die Erweiterung der EG und der institutionellen Ausgestaltungen kam es erneut zu einer Krise. Integrationsfördernde Initiativen scheiterten wiederholt an nationalen Interessen.
Sowohl Großbritannien als auch Dänemark wollten zwar von den wirtschaftlichen Erfolgen der EG profitieren, waren aber nicht zu einer weiteren Übertragung von Kompetenzen bereit.
Mit dem Eintritt Griechenlands trat innerhalb der EG ein wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle auf. Das im EWG-Vertrag vorgegebene Ziel, innerhalb von zwölf Jahren einen Gemeinsamen Markt zu schaffen, konnte nicht erreicht werden.
bilden Eckpunkte einer neuen Stufe der europäischen Integration.
1986 wurde die Einheitliche Europäische Akte (EEA) verabschiedet.
Sie bereitete den Vertrag von Maastricht (1992) und die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten (Schweden, Österreich und Finnland) vor. Die Akte war Ausdruck des Bestrebens, eine politische Union Europas herbeizuführen, allerdings ohne einen zeitlichen Rahmen dafür und ohne Festlegungen für eine endgültige Gestalt der EU vorzusehen. Die EEA
1990 beschloss der Europäische Rat, die Regierungskonferenzen zur Wirtschafts- und Währungsunion und zur politischen Union parallel durchzuführen. Das führte zum Maastrichter Vertrag (auch EU-Vertrag) über die Schaffung der Europäischen Union und den Integrationsfahrplan bis 2000. Er trat am 1. November 1993 in Kraft. Die vertragschließenden Regierungen bekräftigten als Aufgaben (Artikel B) der Union:
Die Europäische Gemeinschaft nennt sich seit dem Maastrichter Vertrag Europäische Union (EU). Die bisherigen Gemeinschaften bestehen weiter – unter dem gemeinsamen Dach der EU.
Neben der EEA und dem Maastrichter Vertrag stellte der Amsterdamer Vertrag, der ein Folgevertrag von Maastricht war, das dritte große Reformpaket zur Entwicklung der europäischen Gemeinschaft dar. Dieser Vertrag hatte drei Hauptziele:
Auf dem Europäischen Rat von Nizza (2000) wurden weitere Schritte festgelegt. Dazu gehörten
2003 trat der Vertrag von Nizza (siehe PDF "Vertrag von Nizza") in Kraft. Zu den wichtigsten Punkten, die durch ihn geregelt werden, gehören
Auf dem informellen Gipfel in Lissabon 2007 haben sich die Staats- und Regierungschef auf den Reformvertrag geeinigt, welcher im Dezember 2007 als „Vertrag von Lissabon“ unterzeichnet wurde (siehe PDF "Vertrag von Lissabon").
Der Reformvertrag übernimmt die wesentlichen inhaltlichen Fortschritte des „Vertrag über eine Verfassung für Europa“, baut aber auf der Struktur der bestehenden Verträge auf. Er sieht
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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