- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 6 Globalisierung und Global Governance
- 6.1 Globalisierungsprozess und globale Probleme
- 6.1.3 Nord-Süd-Gefälle
- Entwicklungsländer – Begriffe und Differenzierungen
Für die im Vergleich zu den reichen Industrieländern des Nordens „armen“ Länder des Südens gibt es weder einheitliche Merkmale noch eine allgemein verbindliche Definition. Charakteristisch für diese nicht einheitlich definierte Gruppe von Ländern ist, dass sie einen geringen Entwicklungsstand aufweisen und nicht in der Lage sind, für große Teile der schnell wachsenden Bevölkerung grundlegende Existenzbedingungen zu sichern.
Kriterien der Zuordnung der Entwicklungsländer sind insbesondere:
Hinzu kommen spezifische
Von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wurden etwa 140 Staaten als Entwicklungsländer eingestuft, in denen drei Viertel der Weltbevölkerung leben. Sie erbringen jedoch nur ein Fünftel der Weltwirtschaftsleistung.
Zur Bezeichnung dieser Ländergruppe werden unterschiedliche Begriffe verwendet:
Alle Begriffe sind jedoch mit Problemen behaftet.
Vor allem die Begriffe Entwicklungsländer und Dritte Welt sind in den internationalen Sprachgebrauch eingegangen und werden teilweise synonym verwendet.
Der unterschiedliche Entwicklungsstand innerhalb der sehr heterogenen Gruppe der Entwicklungsländer hat zur Bildung verschiedener Untergliederungen geführt. Dabei ist es wichtig, genau die Bereiche und Maßstäbe zu bestimmen, die die Entwicklung bzw. den Entwicklungsstand kennzeichnen. Üblich ist, die Entwicklungsländer nach bestimmten Kriterien zu unterteilen:
Reiche Welt - arme Welt
Die Vereinten Nationen gliedern die Entwicklungsländer nach dem BSP pro Einwohner und weiteren Merkmalen wie folgt:
Die Einstufung der Länder in die LLDC-Liste, die auf einen UN-Beschluss von 1971 zurückgeht, wird jährlich durch die UN-Generalversammlung vorgenommen. Dabei werden seit 1991 umfassendere Kriterien zugrunde gelegt, um Strukturelemente der Armut möglichst breit zu erfassen. Dazu gehören:
Gemessen wird an einem Index verschiedener Indikatoren wie
Wenn mindestens zwei von drei Indikatoren erfüllt sind, kann der Wirtschafts- und Sozialrat der UN (ECOSOC) diese Länder in die Liste der LDCs aufnehmen. Darüber hinaus werden der Prozentsatz der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) am BIP und natürliche Voraussetzungen wie Anfälligkeit für Naturkatastrophen, Meereszugang oder geringe Bevölkerungszahl (unter 1 Mio.) bei der Einstufung berücksichtigt.
Die Länder, die diese Kriterien erfüllen, werden bei der Kreditvergabe durch die Weltbank bevorzugt und erhalten verschiedene Sonderkonditionen.
Die Weltbank gliedert alle Länder nach rein ökonomischen Kriterien. Die Einstufung im „Weltentwicklungsbericht 2003“ wird nach dem Hauptkriterium Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Einwohner vorgenommen. Das BNE misst die gesamte Wertschöpfung von Inländern aus inländischen und ausländischen Quellen. Es umfasst das BIP zuzüglich des Nettoübertragenen aus Primäreinkommen aus ausländischen Quellen. Es werden unterschieden:
Zu den Ländern mit hohem Einkommen gehören:
Das BNP bzw. BSP/Einwohner ist als Wohlstandsindikator fragwürdig, weil er als statistischer Durchschnitt des Pro-Kopf-Einkommens nicht die ungleichen sozialen Einkommens- und Lebensverhältnisse widerspiegelt und die Verteilungsfrage ignoriert. Regionale Unterschiede werden verdeckt.
Die UNDP nimmt eine differenziertere Gliederung der Entwicklungsländer vor und erstellt jährlich einen Human Development Index (HDI). Er ist orientiert an dem seit Mitte der 1990er-Jahre jährlich durch die Vereinten Nationen ermittelten Momentzustand der menschlichen Entwicklung. Der HDI berücksichtigt aus der Vielzahl möglicher Variablen zur Einschätzung drei Teilelemente:
Komponenten | Indikatoren |
Gesundheit | Lebenserwartung bei Geburt (Kindersterblichkeit und weitere Gesundheitsindikatoren) |
Bildung | Alphabetisierungsrate von Erwachsenen,Gesamteinschulungsrate der Primar-, Sekundar- und tertiären Bildung |
Lebensstandard | Prokopf-Einkommen in realer Kaufkraft (in Purchase Power Parities: PPP $) |
Die drei Teilelemente gehen jeweils zu einem Drittel in den HDI ein, wobei das Bildungsniveau nochmals unterteilt ist in
Für jeden Punkt wird eine Zahl zwischen 0 und 1 festgelegt. Für das entsprechende Land ergibt sich nach der Berechnung dann ein Wert zwischen 0 und 1.
Laut UNDP existiert eine weltweite Einteilung in vier Gruppen:
Der HDI kommt der Gruppierung aller Länder nach ihrem Entwicklungsstand weitaus näher als der Indikator BSP. Die erfassten sozialen Indikatoren verdeutlichen die ungleiche Verteilung der Lebenschancen besser. Die Aussagekraft des HDI für den absoluten und relativen Entwicklungsstand der Länder ist allerdings begrenzt. Er gibt nur nationale Durchschnittswerte an. Er ist regional und gruppenspezifisch nicht detailliert genug. Hinzu kommen die eingeschränkte Verfügbarkeit international vergleichbarer Daten sowie die umstrittene Gewichtung der im Gesamtindex zusammengefassten Teilindikatoren. Die vom HDI ermittelte Rangfolge der Länder ist zweifelhaft, da viele Daten auf Schätzungen beruhen.
Dazu zählen die Schwellenländer oder Newly Industrializing Countries (NIC). Das sind jene Staaten, die sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung an der Schwelle zu einem Industriestaat befinden. Kriterien für die Einstufung als Schwellenland sind:
Die Schwellenländer gehören zu den langfristigen Gewinnern der Globalisierung, weil sie sich am stärksten in die Weltwirtschaft integriert haben. Während die bevölkerungsarmen Ölländer am Persischen Golf ihren Reichtum ausschließlich der Ölrendite verdanken, haben die vier „Tiger-Staaten“ in Ost- und Südostasien durch eigene Anstrengungen den Industrialisierungsgrad einiger EU-Länder (Griechenland, Spanien, Portugal, Irland) erreicht und deren PKE teilweise übertroffen. Mit ihrer Strategie des exportorientierten Wachstums konnten sie erhebliche Vorteile aus der globalen Ausrichtung ihrer Wirtschaft ziehen und große Fortschritte auf dem Weg nachholender Entwicklung verzeichnen. Wirtschaftliches Wachstum steht jedoch nicht immer im Einklang
Es existiert keine international verbindlich festgelegte Liste der Schwellenländer. Je nach den verwendeten Kriterien der Einstufung fällt die Zahl der Länder unterschiedlich aus.
Zu den wachstumsstärksten Schwellenländern gehören
Ein Teil der Entwicklungsländer gehört zur Organization of Petroleum Countries (OPEC), dem Zusammenschluss der Ölausfuhrländer. Durch Erlöse aus Erdölexporten können diese Länder ihre Industrialisierung teilweise selbst finanzieren. Einige zählen bereits zu den Schwellenländern.
Die OPEC wurde 1960 gegründet und hat ihren Sitz in Wien. Wichtigstes Organ der gegenwärtig 11 Mitglieder ist die jährlich zweimal tagende Konferenz der Erdölminister.
Ziel der Organisation ist, die Erdölpolitik zu koordinieren und die Weltmarktpreise für Erdöl durch geregelte Fördermengen zu stabilisieren.
Mit wechselseitigem Erfolg hat die OPEC versucht, eine gemeinsame Preispolitik ihrer Mitglieder durchzusetzen.
1976 wurde ein Sonderfonds für Entwicklungshilfe eingerichtet (OPEC Fund for International Development). Sieben Mitglieder sind ebenfalls Mitglieder seit der 1968 bestehenden Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (AEPEC).
Die Entwicklungsländer haben trotz aller Unterschiede stets versucht, ihre eigenen Interessen gegenüber einzelnen Industriestaaten und internationalen Organisationen möglichst gemeinsam zu artikulieren und durchzusetzen.
Neben einer Vielzahl regionaler politischer und wirtschaftlicher Kooperationsformen sind vor allem überregionale Zusammenschlüsse von Bedeutung:
Aus der Weigerung vieler Länder, sich in den Ost-West-Konflikt einbinden zu lassen, entstanden seit Mitte der 1950er-Jahre Versuche, die Dritte Welt als eigenständigen Machtfaktor zu organisieren. Ansätze einer verstärkten politischen Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und asiatischen Staaten (Konferenz von Bandung 1955) führten zur Bildung der Bewegung der Blockfreien Staaten (Non-Aligned Movement, NAM).
1961 fand in Belgrad die erste Gipfelkonferenz statt. Eine Führungsrolle übernahmen Jugoslawien unter JOSIP TITO, Ägypten unter GAMAL ABD EL NASSER und Indien unter JAWAHARLAL NEHRU. Die politischen Vorstellungen zielten auf
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die Bewegung der Blockfreien Staaten an Bedeutung verloren. Sie setzt sich seither vor allem ein
Im Mittelpunkt des 13. Gipfeltreffens der NAM 2003 in Kuala Lumpur (Malaysia), an dem die Staats- und Regierungschefs aus etwa 60 der 117 Mitgliedstaaten teilnahmen, standen Probleme des Irak-Krieges, des Atomprogramms Nordkoreas und des Kampfes gegen den Terrorismus.
Die Gruppe der 77 geht zurück auf die Erste Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), die 1964 in Genf stattfand. Ihr gehören 133 Entwicklungsländer (2000) an. China zählt zwar nach wirtschaftlichen Kriterien zu den Entwicklungsländern, ist aber nicht Mitglied der G 77.
Die wichtigsten Programme zur koordinierten Durchsetzung ihrer Interessen sind:
Die G 77 ist das entwicklungspolitische Sprachrohr der Entwicklungsländer bei den Vereinten Nationen. Wesentliche Forderungen sind der bessere Zugang zu den Weltmärkten, zu billigem Kapital und moderner Technologie, die Bereitstellung von jährlich mindestens 0,7 % des BIP der Industriestaaten für Entwicklungshilfe und Schuldenerlass. Auf der letzten Welthandelskonferenz (WTO) 2003 im mexikanischen Cancùn haben die Entwicklungsländer als Gruppe solidarisches Handeln bewiesen, indem sie den durch die Industrieländer in früheren Verhandlungsrunden (Doha/Katar 2001) versprochenen Abbau der Agrarsubventionen und besseren Zugang zu den Märkten eingefordert haben. Die Konferenz ist an den Interessengegensätzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gescheitert.
Vertretungen der Gruppe der 77 befinden sich in Rom (FAO), Wien (UNIDO), Paris (UNESCO), Nairobi (UNEP) und in Form der Gruppe der 24 in Washington (IWF und Weltbank).
Die 1971 gegründete Gruppe der 24 verfolgt das Ziel, die Interessen der Entwicklungsländer in Fragen der globalen Finanzmärkte und Entwicklungsfinanzierung zu koordinieren sowie in internationalen Finanzorganisationen (Weltbank, IWF) zu vertreten. Ihr gehören je acht Entwicklungsländer aus Afrika, Asien und Lateinamerika/Karibik an.
Erfolgreichere Entwicklungsländer aus verschiedenen Regionen haben sich 1989 zusammengeschlossen, um die Süd-Süd-Kooperation zu fördern. Die Gruppe der 15 ging aus der Bewegung der blockfreien Staaten hervor. Sie versteht sich als Gegenstück zur Gruppe der 8 (G 8) der sieben wirtschaftlich stärksten Länder der Welt und Russlands. Im Dialog mit den Industrieländern strebt die G 15 mehr Mitsprache in weltwirtschaftlichen Fragen an. Zu den gegenwärtig 16 Mitgliedsländern gehören:
– Algerien,
– Argentinien,
– Ägypten,
– Brasilien,
– Chile,
– Indien,
– Indonesien,
– Iran
– Jamaika,
– Kenia,
– Malaysia,
– Mexiko,
– Nigeria,
– Senegal,
– Simbabwe
– Sri Lanka und
– Venezuela.
Die Gruppe der 20 ist ein Zusammenschluss von Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Gründung erfolgte am 20. August 2003 im Vorfeld der fünften ministeriellen Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún (Mexiko) im September 2003. Führende Mitglieder sind Brasilien, Indien, Volksrepublik China und die Türkei.
Die G20 behandelt vor allem Themen aus dem Bereich Landwirtschaft. Zentrales Anliegen ist die Durchsetzung der diesbezüglichen Agenden der Doha-Runde der WTO vom November 2001. Insbesondere fordern die in der G20 vertretenen Länder den Abbau von Agrarsubventionen und die Aufhebung von Importbeschränkungen für Agrarprodukte in Ländern wie den USA und in der Europäischen Union.
HDI-Rangfolge 2010
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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