Das Schengener Abkommen (I und II)

Entwicklung des Schengen-Raums

Am 14. Juni 1985 unterzeichneten

  • Deutschland,
  • Frankreich und
  • die Benelux-Staaten

im luxemburgischen Schengen ein Abkommen (Schengen I) zur Erleichterung der Grenzabfertigung und für den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen. Diesem Abkommen traten später noch

  • Italien (1990),
  • Portugal und Spanien (1991),
  • Griechenland (1992) und
  • Österreich (1995)

bei. Auch die skandinavischen Staaten

  • Dänemark,
  • Finnland und
  • Schweden

sind als Länder der Europäischen Union 1996 dem Abkommen beigetreten (Bild 1).

Schengen-Staaten (rot eingezeichnet)

Schengen-Staaten (rot eingezeichnet)

  • Island und
  • Norwegen,

die mit anderen skandinavischen Staaten der Nordischen Passunion bereits ein einheitliches Vorgehen an ihren Grenzen durchführen, aber nicht der EU angehören, wurden 1996 durch Assoziation der Verträge an die Schengen-Gemeinschaft angeschlossen.
Damit haben sich mit Ausnahme von Großbritannien und Irland alle EU-Staaten und die Staaten der Nordischen Passunion zur Zusammenarbeit in den folgend näher beschriebenen Bereichen verpflichtet.
Das ursprünglich für 1990 vorgesehene Ziel eines vollständigen Abbaus der Grenzkontrollen konnte wegen Sicherheitsbedenken nicht eingehalten werden; die Sicherheit der Bürger und die nationalen Regelungen sollten nicht beeinträchtigt werden.
Im Juni 1990 wurde vielmehr zur Umsetzung des Schengener Abkommens ein ergänzendes Durchführungsabkommen (auch Schengen II oder SDÜ genannt, s. PDF "Schengener Übereinkommen und Schengener Durchführungsübereinkommen") zwischen den Parteien des Schengener Abkommens sowie Portugal und Spanien geschlossen. Das am 26. März 1995 in Kraft getretene Abkommen enthält zum Ausgleich für den geplanten Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Binnengrenzen der beteiligten Länder umfangreiche Sicherungsmaßnahmen.

Grundsatzvereinbarungen von Schengen

Die prinzipielle Regel der Schengener Abkommen I und II ist Freizügigkeit nach innen und Grenzsicherung nach außen. Die drei grundsätzlichen Vereinbarungen sind:

  • der Abbau der Kontrollen an den Grenzen der Mitgliedstaaten,
  • eine Vereinheitlichung der Asylverfahren,
  • eine verstärkte Absicherung an den Außengrenzen mit verbesserter Zusammenarbeit der Polizeibehörden sowie
  • eine gemeinsame Visa- und Aufenthaltspolitik.

Abbau der Grenzkontrollen

Die Schengener Abkommen sehen einen vollständigen Abbau der Personen- und Warenkontrollen an den Binnengrenzen vor. Ebenso soll eine Erleichterung des Transports und Warenverkehrs stattfinden, so soll bei Pkw mit einem grünen E-Schild etwa nur Sichtkontrolle vorgenommen und auf systematische Kontrollen der Lenk- und Ruhezeiten beim Lkw-Verkehr verzichtet werden.

Verstärkte Absicherung an den Außengrenzen und verbesserte Zusammenarbeit der Polizeibehörden

Zur Sicherung der in Schengen vereinigten europäischen Länder und der Aufrechterhaltung der Freizügigkeit in diesem Raum wurden unter anderem einheitliche Personenkontrollen an den Schengen-Außengrenzen beschlossen, besonders an den Flug- und Seehäfen.
Auch eine Verstärkung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit an den Binnengrenzen wurde vereinbart, beispielsweise sollen deutsche Polizisten Tatverdächtige bis ins französische Elsass verfolgen dürfen. Neben einer engeren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Drogenkriminalität wurden auch einheitliche Regelungen des Waffenrechts und gemeinsame Vereinbarungen über die Auslieferung von Gesetzesbrechern beschlossen.

Das Schengener Informationssystem

Zur besseren grenzübergreifenden Verbrechensbekämpfung wurde am 25. März 1995 das Schengener Informationssystem (SIS) eingerichtet. Dieses computergestützte, gemeinsame Fahndungssystem mit Sitz in Straßburg umfasst schengenweite Personen- und Sachdaten.

Seit dem 22. Dezember 2007 wird das Schengener Abkommen in allen EU-Ländern mit Ausnahme Bulgariens, Irlands, Rumäniens, Großbritanniens und Zyperns angewandt. Als Nicht-EU-Staaten nehmen Island und Norwegen teil, voraussichtlich ab November 2008 auch die Schweiz.

Der Beitritt der 2004 und 2007 zur EU beigetretenen Länder war ursprünglich von der Fertigstellung des neuen Schengener Informationssystems (SIS II) abhängig, welches u. a. die Speicherung von Biometriedaten, Fingerabdrücken und Lichtbildern sowie die Erweiterung von Fahndungsmöglichkeiten beinhaltet. Da SIS II sich voraussichtlich bis 2009 verzögert, wurde das alte Netzwerk zur länderübergreifendem Polizeizusammenarbeit aufgerüstet (SISone4all).

Durch das SIS sind die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (die unter Titel VI des Vertrages über die Europäischen Union fällt) sowie die Politik in den Bereichen

  • Visa,
  • Einwanderung und
  • freier Personenverkehr (die unter Titel IV des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft fällt) verknüpft.

Vereinheitlichung der Asylverfahren

Die Durchführung von Asylverfahren soll vereinheitlicht werden, sodass innerhalb des Schengen-Gebiets nur noch das Einreiseland des Asylbegehrenden für das Verfahren zuständig ist. Diese Vereinheitlichung ist erschwert, da sie auf Grundlage des nationalen Asylrechts geschehen soll, und die Regierungen der beteiligten Länder nicht von ihren durchaus unterschiedlichen Regelungen abweichen wollen.
Durch das Bonner Protokoll vom 26. April 1994 wurden die asylrechtlichen Bestimmungen des SDÜ durch die Regelungen des Dubliner Übereinkommens vom 15. Juni 1990 ersetzt. Dieses Übereinkommen wird seit dem 1. September 1995 von den Unterzeichnerstaaten und nach der zwischenzeitlich erfolgten Inkraftsetzung für Österreich, Schweden und Finnland seit dem 1. Januar 1998 im gesamten EU-Gebiet angewandt. Die asylrechtlichen Bestimmungen des SDÜ und die Nachfolgebestimmungen des Dubliner Übereinkommens bilden wichtige Grundsteine für die umzusetzende Vergemeinschaftung der Asylpolitik der EU-Mitgliedstaaten.

Harmonisierung der Visumpolitiken

Eine gemeinsame Visumpolitik umfasst gleiche Regelungen bei der Einreise von Bürgern aus Nicht-EG-Staaten. Diese Regelungen umfassen eine gemeinsame Liste der Drittstaaten, deren Staatsangehörige visumpflichtig sind, eine Angleichung der Antrags-, Prüfungs- und Entscheidungsmodalitäten für die Ausstellung der Visa sowie die Verwendung der vor Fälschungen gesicherten Visummarke.
Mit einem Schengen-Visum ist nicht nur der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland möglich, sondern auch in den anderen Staaten, die dem Schengener Abkommen angehören. Bürger mit Staatsangehörigkeit oder einem gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Schengener Vertragsstaates dürfen sich bis zu drei Monate sichtvermerksfrei im übrigen Schengener Raum aufhalten, allerdings ohne einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Damit beziehen sich die Vereinbarungen des Schengener Abkommens auf

  • die Zollunion und
  • den Binnenmarkt,
  • die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und
  • die Innen- und Justizpolitik

der Europäischen Union. Die Vereinbarungen der Schengener Abkommen erlauben für eine gewisse Zeit die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im EU-Inneren, wenn der betreffende Mitgliedstaat seine nationale Sicherheit als gefährdet erachtet. So führte beispielsweise Frankreich im März 2004 wegen der Terroranschläge von Madrid die Personenkontrollen an den Grenzen vorübergehend wieder ein.

Drittstaatenregelung

Nach der Drittstaatenregelung ist der zuerst vom Asylbewerber betretene Staat für dessen Asylverfahren zuständig. Das bedeutet, die Bundesrepublik kann Flüchtlinge, die über einen so genannten sicheren Drittstaat eingereist sind, sofort wieder in diesen zurück schieben, auch ohne dass dort ein formelles Asylverfahren gewährleistet ist.
Mit Einführung dieser schengenweiten Regelung verringerte sich ab dem 01.07.1993 die Anzahl der Personen erheblich, die berechtigt sind, einen Asylantrag zu stellen. In der Bundesrepublik war dazu eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, die auch mit den Stimmen der SPD, die sich damals in der Opposition befand, durchgesetzt wurde.
Die Kritik an der Drittstaatenregelung ist, dass es nicht mehr vorrangig um die Fluchtgründe, sondern vielmehr um die Fluchtwege der Flüchtlinge geht.

Kritik an der Ausführung des Schengener Abkommens

Die Kritik an den Schengener Ideen und Maßnahmen kommen

  • von Organisationen für Interessen der Asylbewerber,
  • von Interessenvertretungen von Polizei und Zoll sowie
  • von Landesregierungen und Gerichten.

So habe beispielsweise kein Abbau der Grenzkontrollen, sondern lediglich eine Verlagerung ins Hinterland der jeweiligen Schengen-Staaten stattgefunden. Die Unverbindlichkeit des Schengener Abkommens wird in einer Zeit zunehmender Terroranschläge immer häufiger zu einer Wiederaufnahme strikter Grenzkontrollen führen.
Auch die Verfahrensweise der Asylverfahren wird dahin gehend kritisiert, dass die Asylpolitik in Europa nicht parlamentarisch, sondern obrigkeitsstaatlich durch den Ministerrat der Europäischen Union betrieben wird. Die durchdachte Rechtsformulierung lässt es nicht zu, gegen diese auch von der UNHCR stark kritisierte Einschränkung des Asylrechts vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage einzureichen.
Die polizeiliche Zusammenarbeit kann nur begrenzt stattfinden, da unter anderem keine Regelungen für den Einsatz technischer Mittel zur Polizeiarbeit vorhanden sind.
Die Kritik am Schengener Informationssystem (SIS) bezieht sich auf eine fehlende rechtliche Reglementierung der Zugriffserlaubnis auf die gespeicherten Informationen. So entfällt bei der Anfrage nach den gespeicherten Daten die Kontrolle über die Berechtigung des Ersuchens, und auch die Nicht-Schengen-Staaten Großbritannien und Irland können ohne Einschränkungen die Personen- und Sachdaten aus dem Straßburger Zentralrechner abrufen. Ebenso wird die Verwendung des SIS trotz fehlender Gewährleistung der Aktualität der Fahndungsdaten kritisiert.
Auch, dass weder das europäische Parlament, noch die Parlamente der Schengen-Staaten oder Datenschützer berechtigt sind, das System zu kontrollieren, stößt bei den Datenschützern aus ganz Europa auf Widerspruch.

Die Einbeziehung von Schengen in die Europäische Union

Als am 02.10.1997 der Amsterdamer Vertrag unterzeichnet wurde, waren 13 Staaten daran beteiligt. Durch ein ergänzendes Protokoll wurde der Schengen-Besitzstand mit Wirkung vom 01.05.1999 in den rechtlichen und institutionellen Rahmen der Europäischen Union einbezogen. Der Schengen-Besitzstand (auch Schengen-Acquis genannt) umfasst die Schengener Abkommen und die auf dieser Grundlage seit 1985 erlassenen Regelungen.
Die bisherigen Arbeitsstrukturen Schengens werden durch die verschiedenen Arbeitsebenen der EU ersetzt. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften tritt an die Stelle des Exekutivausschusses, der durch die Schengener Übereinkommen eingesetzt wurde. Die erwähnten gemeinsamen Vereinbarungen werden entweder unter dem Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder unter Titel VI des Vertrags über die Europäische Union einbezogen. Jeder neue Vorschlag in den Bereichen

  • Visa,
  • Asylrecht,
  • Kontrolle an den Außengrenzen sowie
  • Zusammenarbeit zwischen Polizei und Zoll

stützt sich auf eine dieser neuen Rechtsgrundlagen.
Das in der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 enthaltene Ziel der Freizügigkeit lässt sich auch mit parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle erreichen, und die Bürger verfügen über Rechtsmittel, wenn ihre Rechte in Frage gestellt sind (Europäischer Gerichtshof und/oder nationale Gerichte).
Durch die Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in die Europäische Union mussten für einige Staaten Sonderregelungen gefunden werden.

  • Großbritannien und Irland waren nicht an den Schengener Abkommen beteiligt, können sich aber nun an allen oder an Teilen des Schengen-Besitzstandes und seiner Weiterentwicklung beteiligen; hierzu bedarf es eines einstimmigen Ratsbeschlusses mit den Stimmen der 13 Unterzeichnerstaaten und des Vertreters der Regierung des betreffenden Staates.
     
  • Dänemark entscheidet bei jeder folgenden Weiterentwicklung des Besitzstandes auf völkerrechtlicher Grundlage, ob es sich anschließt und das ohne seine Beteiligung zustande gekommene Gemeinschaftsrecht als nationales Recht anwenden will.
     
  • Die Kooperationsabkommen zwischen den Anwenderstaaten mit Norwegen und Island sind auf Grundlage des Amsterdamer Vertrages von inhaltlich sehr ähnlichen Assoziierungsabkommen mit der EU abgelöst worden.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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