Betriebsrat und Gesetze betrieblicher Mitbestimmung

Die ersten Gesetze

Durch die Novelle zur Gewerbeordnung von 1891 wurde erstmals eine gesetzliche Grundlage für freiwillig gebildete Arbeiterausschüsse geschaffen. In den Novellen des Bayerischen (1900) und des Preußischen Berggesetzes (1905) wurde gesetzlich festgelegt, dass in Bergbaubetrieben mit mehr als 20 bzw. 100 Arbeitnehmern Arbeiterausschüsse gebildet werden mussten. Danach standen den Arbeitnehmervertretungen Informations- und Anhörungsrechte in sozialen und personellen Fragen zu. Die Grenzen waren zwar noch eng gefasst, doch ein Anfang war gemacht. Allerdings muss festgehalten werden, dass die großen Arbeitskämpfe in den Jahren 1899 und 1905 viel zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Den nächsten Eckpfeiler in der Geschichte der Mitbestimmung stellte das Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst aus dem Kriegsjahr 1916 dar. Es sah unter anderem vor, dass in kriegswichtigen gewerblichen Betrieben Arbeiterausschüsse gebildet werden mussten.

Ausbau der Mitbestimmung

Das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 brachte den Durchbruch zu einer Betriebsverfassung im heutigen Sinne. In Betrieben und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Sektors mussten Betriebsräte errichtet werden, die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in zahlreichen sozialen und personellen Angelegenheiten erhielten. Im einzelnen sah das Gesetz ein volles Mitbestimmungsrecht bei der Schaffung von Arbeitsordnungen vor, auf personellem und wirtschaftlichem Gebiet enthielt es unterschiedliche Mitwirkungsrechte.

Diese ersten Ansätze von Mitbestimmung endeten kurz nach der Machtübernahme durch das nationalsozialistische Regime. Das „Führungsprinzip“ hielt auch in der Wirtschaft Einzug. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit aus dem Jahre 1934 unterbrach die demokratische Entwicklung und ersetzte sie durch eine totalitäre Regelung.

Bereiche, auf die durch Betriebsvereinbarungen Einfluss genommen werden kann

Bereiche, auf die durch Betriebsvereinbarungen Einfluss genommen werden kann

Weiterentwicklung der Mitbestimmung

Mit dem Ende der Hitler-Diktatur und dem totalen Zusammenbruch von Wirtschaft und Gesellschaft kam die Stunde des Neuaufbaus der Wirtschaft. Die Alliierten waren sich darin einig, dass die bisherigen wirtschaftlichen Machtstrukturen zerschlagen und durch eine reformierte, demokratisch organisierte politische Ordnung und eine umgestaltete Wirtschaftsordnung ersetzt werden müssten.
Selbst Unternehmer an Rhein und Ruhr signalisierten, dass sie bereit seien, die Arbeitnehmer der Grundstoff-Industrien an der Unternehmensführung zu beteiligen.

Im Vorfeld der bundesdeutschen gesetzlichen Regelung der Mitbestimmung im Jahre 1951 kam es zu harten Auseinandersetzungen. Als sich die Situation zuspitzte, schaltete sich der damalige Bundeskanzler in die Gespräche ein. Am 10. April 1951 verabschiedete der Bundestag mit großer Mehrheit das „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie“ – das „Montan-Mitbestimmungsgesetz“.

Das Betriebsverfassungsgesetz (1952) und das Bundespersonalvertretungsgesetz (1955) rundeten mit der Regelung der betrieblichen Mitbestimmung die Gesetzgebung zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen ab. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 enthält auch Vorschriften zur unternehmerischen Mitbestimmung und gilt in diesem Teil noch heute.

Die Neufassung des Jahres 1972 brachte wesentliche Verbesserungen bei den Beteiligungsrechten des Betriebsrats in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Es stärkte zwar die betriebliche Mitbestimmung, klammerte jedoch die unternehmerische aus, da die entsprechenden Gesetzespassagen des '52er-Gesetzes bestehen blieben und weiterhin fortgalten.

Die Gesetze zur betrieblichen Mitbestimmung

  • Das Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951
    Das Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 ist das Vorbild für alle späteren Mitbestimmungsgesetze. Es verlangt einen Arbeitsdirektor im Vorstand und in Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahl erzeugenden Industrie eine Repräsentanz der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Das Unternehmen muss eine Aktiengesellschaft oder GmbH in dieser Branche sein und mehr als 1 000 Arbeitnehmer beschäftigen.
     
  • Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952
    Ein Jahr nach dem Montanmitbestimmungsgesetz wurde für die Kapitalgesellschaften der übrigen Wirtschaft eine Drittelbeteiligung am Aufsichtsrat geregelt. Diese Teile des Gesetzes sind auch noch heute, trotz mehrmaliger Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes, gültig.
     
  • Das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer von 1976
    1976 wurde für alle Kapitalgesellschaften mit mehr als 2 000 Arbeitnehmern im Unternehmen oder im Konzern eine (fast)-paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat gesetzlich festgelegt.

Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes

Am 14.02.2003 hat das Bundeskabinett die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) beschlossen. Das BetrVG gilt seit fast dreißig Jahren beinahe unverändert und wurde zuletzt im Jahr 1988 geringfügig geändert. Es ist nun an die veränderten Anforderungen und Bedingungen des modernen Wirtschafts- und Arbeitslebens angepasst worden.

Die Eckpunkte der Reform:

  • Kombination aus gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen zur Einrichtung eines Betriebsrates, die auch betriebs- und unternehmensübergreifende Betriebsräte ermöglicht (z. B. gemeinsamer Betriebsrat mehrerer Unternehmen oder Spartenbetriebsrat bei ausgegliederten Unternehmensteilen, jedoch kein obligatorischer Konzerngesamtbetriebsrat);
  • Vereinfachung des Wahlverfahrens für Betriebsräte (z. B. Aufhebung der Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten und Durchführung der Wahl in zwei Stufen, zunächst Bestellung eines Wahlvorstandes und Vorlage von Wahlvorschlägen, eine Woche später dann geheime und unmittelbare Wahl);
  • Einbeziehung von Leih- und Telearbeitnehmern in die Betriebsverfassung;
  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Betriebsräte durch moderne Technik und die Möglichkeit der Delegation von Beteiligungsrechten der Betriebsräte;
  • Stärkung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, vor allem bei Qualifikationsentscheidungen und Beschäftigungssicherung;
  • Stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter in die Betriebsratsarbeit;
  • Einbeziehung des betrieblichen Umweltschutzes in die Mitwirkungsaufgaben des Betriebsrates;
  • Erweiterung der Möglichkeiten des Betriebsrates zur Förderung der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen (auch anteilige Beteiligung der weiblichen Mitarbeiter im Betriebsrat);
  • Stärkung der Jugend- und Auszubildendenvertretungen;
  • Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb.

Aufgaben, Rechte und Funktion von Betriebsräten

Der Betriebsrat vertritt die Interessen der gesamten Belegschaft eines Unternehmens. Er ist damit auch für ihre Willensbildung mit verantwortlich.

Im Verhältnis zum Arbeitgeber schreibt ihm das Gesetz ein kooperatives Verhältnis vor. Insbesondere darf der Betriebsrat nicht mit einem Arbeitskampf drohen oder diesen organisieren. Im Gegenzug dazu hat er allerdings besondere Beteiligungsrechte. Diese beinhalten neben Mitbestimmungsrechten auch Anhörungs- und Mitwirkungsrechte.

Die Aufgaben und Rechte von Betriebsräten sind im Wesentlichen im § 80 des Betriebsverfassungsgesetzes definiert: Er

  • überwacht die Einhaltung von Gesetzen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen usw.;
  • beantragt Maßnahmen, die der Gleichberechtigung von Männern und Frauen bei Einstellung, Beschäftigung und Weiterbildung dienen;
  • nimmt Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung auf und vertritt sie gegenüber dem Arbeitgeber;
  • fördert die Eingliederung Schwerbehinderter und sonstiger schutzbedürftiger Personen;
  • bereitet die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung vor und führt sie durch;
  • fördert die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb;
  • fördert die Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer.

Zudem ist der Betriebsrat bei manchen Entscheidungen des Arbeitgebers anzuhören. Wichtigster Fall ist die beabsichtigte Kündigung eines Arbeitnehmers.

Der Schwerpunkt der Betriebsratstätigkeit liegt auf der Ausübung von Mitbestimmungsrechten. Der Begriff der Mitbestimmung hat einen klar definierten Inhalt. Auf den Gebieten, die der Mitbestimmung gemäß BetrVG unterliegen, müssen Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam handeln, d. h. handelt der Arbeitgeber allein, ist seine Entscheidung rechtlich unwirksam. Im Rahmen seiner Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat auch Vorschlagsrechte.

Wesentlicher Bestandteil der Mitbestimmung ist die in sozialen Angelegenheiten. Diese beinhaltet:

  • Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb;
  • Beginn, Ende und Einteilung der Arbeitszeit;
  • Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitentgelte;
  • Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze;
  • Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen;
  • Unfallverhütung und Gesundheitsschutz;
  • Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen;
  • Fragen der Lohngestaltung;
  • Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten führt häufig zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen. Eine Betriebsvereinbarung ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, auf die viele der tarifrechtlichen Grundsätze Anwendung finden.

Zahlen und Fakten zur Arbeit von Betriebsräten

  • Zufriedenheit der Arbeitnehmer
    80 % der befragten Arbeitnehmer sind mit den Leistungen ihres Betriebsrats zufrieden – so eine Repräsentativbefragung aus den 1980er-Jahren. Etwas mehr als die Hälfte attestiert der Arbeitnehmervertretung einen „ziemlich großen“ oder „sehr großen“ Einfluss auf Betriebsentscheidungen. In größeren Betrieben mit professionalisierten Betriebsräten ist die Zufriedenheit deutlich höher als in Kleinbetrieben.
     
  • Akzeptanz beim Management
    Für 80 % der Manager bedeutet „unternehmerisches Handeln, das Organ des Betriebsrates zu akzeptieren und die konkrete Gestaltung der Zusammenarbeit voranzutreiben“. So eine im Sommer 1999 publizierte Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). 48 % halten danach den Betriebsrat für ein „Mitentscheidungsorgan“, 70 % für „eine betriebliche Führungskraft“ und fast die Hälfte hielt den Betriebsrat für einen „wichtigen Produktionsfaktor“.
     
  • Akzeptanz im Mittelstand
    Die vom Institut für Mittelstandsforschung aufgelegte Studie MIND besagt für 1999, dass 65 % der befragten Führungskräfte ihr Verhältnis zum BR als „gut“ oder „sehr gut“ beschrieben.

Gesamtwirtschaftlich sind Betriebsräte nur in 10,5 % aller privatwirtschaftlichen Betriebe ab fünf Beschäftigte vorhanden (West 11 %, Ost 10 %). Dabei sind in großen Betrieben ab 300 Beschäftigten betriebliche Interessenvertretungen fast immer gegeben. In kleineren sind sie dagegen eher selten: In Betrieben mit fünf bis zwanzig Beschäftigten kommen sie in 4,2 % der Fälle vor, mit 21 bis 100 Beschäftigten in 29,9 %, mit 101 bis 299 Beschäftigten in 68 %. Eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gibt es nur in 49 % der Betriebe mit Betriebsrat (West 50 %, Ost 44 %). In kleinen Betrieben sind sie noch seltener. 20 bis 50 Beschäftigte: 4 %, 51 bis 100 Beschäftigte: 12 %, 101 bis 200 Beschäftigte: 27 %.

Die Betriebsräte sind in ihrer großen Mehrheit nicht nur zu Tarifverträgen, sondern auch zu Gewerkschaften positiv eingestellt, weil sie sich von gewerkschaftlichen Aktivitäten Rückendeckung und Unterstützung erwarten. Aber beides reicht ihnen häufig auch nicht. So wurde z. B. die gewerkschaftliche Betreuung von Betriebsräten teilweise sehr kritisch beurteilt. Die Betriebsräte bezeichnen ihre Betreuung durch die Gewerkschaften zu

  • 14 % als „zu langsam“ gemessen am Bedarf,
  • 20 % als „zu selten“,
  • 23 % als „zu wenig an den tatsächlichen Interessen orientiert“; und immerhin
  • 16 % aller Betriebsräte bewerten die gewerkschaftlichen Betreuer als „überfordert“.

Die befragten Betriebsräte in Deutschland sind nicht generell gewerkschaftlich organisiert:

  • 76 % sind Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft,
  • 7 % in einer anderen Gewerkschaft und
  • 17 % nirgendwo Mitglied.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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